Den Drachen, in Form eines großen Schmetterlings, unterm Arm geklemmt hüpfte Martha fröhlich voraus auf die große Wiese, wo sie ihren Drachen, oder besser gesagt ihren Schmetterling fliegen lassen wollte. Hinter ihr her schlendernd betrachtete die anderen bunten Drachen, die bereits den Himmel erobert hatten. Bestimmt würde ich gleich wieder diejenige mit dem anstrengenden Part sein.
„Ich halte fest und du rennst!" bestimmte Matilda mit Nachdruck, als hätte ich mein Schicksal nicht schon längst akzeptiert. Trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen, sie ein bisschen zu necken.
„Und was ist, wenn ich nicht will?" erwiderte ich trotzig und mit verschränkten Armen. Dabei sah ich wie sie versuchte ein Grinsen zu verstecken und stattdessen einen belehrenden Blick aufsetzte.
„Warum sollten wir etwas ändern, wenn es so gut funktioniert?" fragte Matilda spitzbübisch zurück. Und spielte auf meine komplizierte Art, Tee zu kochen, an. Gestern erst hatte sie mal wieder versucht mich davon zu überzeugen, die Kaffeemaschinenfunktion für heißes Wasser zum Tee aufgießen zu nutzen, weil das ja schneller gehen würde. Doch ich fand immer noch, dass ein Tee, mit frischen Teewasser aufgebrüht, am besten schmecke.
Resignierend schnappte ich mir den Drachen und auf ihr Startsignal hin, sprintete ich, den Schmetterling über meinem Kopf gestreckt, los. Der Schmetterling nahm an Fahrt auf und ich ließ ihn los. Kurz schaute ich zu dem Flugobjekt hinauf und betrachtete dann Matilda. Ihre Freude über den gelungenen Flugstart war ansteckt und so erfüllte eine wohlige Wärme mein Innerstes. Solche alltäglichen Dinge mit ihr zu erleben, machte mich einfach glücklich, ich sah solche Tage nicht als selbstverständlich. Als ich mich auf dem Weg zurück zu Martha machte, schaute ich mich unauffällig um. Obwohl Matilda eine Kinderschauspielerin war, kam es immer häufiger vor, dass die Leute sie erkannten. Daher begleitete uns auch heute ein Bodyguard. Ich erkannte Bob unter einem Baum stehend und er nickte mir kurz zu. Ich wollte mich schon Matilda zuwenden, als ich einen Mann mit braunen, durchgewuschelten Locken erblickte, der einen dunkeklblauen Mantel trug. Dessen Füße steckten in braunen Stiefelletten, die mit den braunen Nähten der grauen Hose harmonierten. Er schien hier spazieren zu gehen. Wie hoch war bitte die Wahrscheinlichkeit ihn hier zu treffen? Seine Behausung war zwar nicht weit von hier entfernt, aber dennoch. London war groß und voller vieler Orte, die es zu entdecken galt. Ohne groß weiter darüber nachzudenken wollte ich mich schon in seine Richtung begeben, als ich aus dem Augenwinkel wahrnahm wie Bob sich in Bewegung setzte. Das konnte nur mit Matilda zusammenhängen. Ich drehte mich zu ihr um und sah wie sie sich mit einem Jungen stritt. Offensichtlich waren ihre Drachen kollidiert und hatten sich miteinander verheddert. Was für eine Ironie! Ich sendete ein ironisches Danke an mein Schicksal ab, über dieses Sinnbild. Denn zuvor hatte mich irgendwas in mir auch magisch dazu bringen wollen auf den Mann, von dem ich glaubte es sei Harry, zuzugehen. Dabei war ich mir ja noch nicht einmal sicher wie ich den gestrigen Abend einordnen sollte!
Ich gab Bob ein Zeichen, dass er nicht einschreiten musste und wandte mich mit voller Aufmerksamkeit Matilda zu, die nicht aufhören konnte zu schimpfen. „Was bist du denn für einer?! Mein Schmetterling war zuerst da! Du kannst du nicht einfach in meinen Weg fliegen!"
Während der Junge konterte beschloss ich mich erstmal nicht einzumischen, denn ich erkannte wer sein Betreuer war. Derek. Wir hatten zusammen studiert und er war es auch, der mir den Kontakt zu Matildas Familie vermittelt hatte. Schon während des Studiums hatten wir ähnliche Auffassungen vertreten. Ich trat auf ihn zu.
„Hey, Derek, schön dich zu treffen." ich lächelte ihn an.
„Das letzte mal ist ja schon eine Ewigkeit her." erwiderte er. Derek kleidete sich meistens unauffällig leger. Und auch heute trug einen einfachen Weiß-Blau gestreiften Pullover auf einer einfachen Jeans und braunen Boots. Seine blonden Harre hatte er in eine ordentlich seitlich gescheitelte Form gebracht. Seine Augen blitzten belustigt auf, als ihn fragte, ob unsere Schützlinge wohl in der Lage wären ihren Konflikt ohne körperlich zu werden, austragen konnten. Da die Kinder die wir betreuten keine Kitas besuchten und oft auch von Zuhause aus unterrichtet wurden, war der Sozialkontakt zu anderen, vor allem gleichaltrigen Kindern nicht sehr häufig gegeben. Und so war diese Situation in gewisser Weise Gold wert.
DU LIEST GERADE
As it was
FanfictionBegleite Martha und Harry auf eine Reise der Selbstfindung, Akzeptanz und der Liebe. Martha arbeitet als "Nanny" der kleinen Matilda und möchte endlich lernen sich selbst zu lieben. Harry befindet sich an einem Scheidepunkt seines Lebens und für...