Gavi
Nervös rutschte ich auf meinem Sitzplatz herum und warf immer wieder einen Blick aus dem Fenster. Es war der 30. Oktober 2022 - das Liga Spiel gegen Valencia stand an.
Eigentlich nichts besonderes, schließlich spielten wir jedes Wochenende und der Fußball gehörte einfach zum Alltag dazu.
Dieses Mal war es jedoch etwas anderes und ich hatte mich vor diesem Tag - diesem Spiel - schon seit dem Ligastart im August gefürchtet.
Bevor die Saison 2022/23 begonnen hatte, war nämlich mein damaliger fester Freund Nico zu - dreimal dürft ihr raten - Valencia gewechselt, zwar nur auf Leihe aber trotzdem hatte es mein Leben auf den Kopf gestellt.
Davor hatten wir jeden Tag miteinander verbracht und waren unfassbar glücklich gewesen. Oder ich zumindest. Im Nachhinein ist es schwer zu sagen, ob Nico überhaupt wirklich etwas für mich empfunden hatte.
Hätte er wahre Gefühle gehabt, wäre es ihm doch nicht so leicht gefallen, mit mir Schluss zu machen, oder?
Seine damaligen Worte, die mittlerweile über zwei Monate zurücklagen, konnte ich noch immer auswendig bis auf die letzte Silbe, sie verfolgten mich bis in meine Träume.
„Pablo, ich finde es ist besser, wenn wir getrennte Wege gehen. Eine Fernbeziehung ist doch scheiße und findest du nicht auch, dass es zwischen uns doch eher freundschaftliche Gefühle sind?"
Nein, du Arschloch. Oder nennt man es Freundschaft, wenn mir bei deinem Anblick jedes Mal kurz das Herz aussetzt, bevor es rast als hätte ich gerade ein komplettes Fußballspiel hinter mir?
Diese Worte hätte ich ihm damals gerne entgegengebrüllt, doch stattdessen war ich so überrumpelt und verletzt gewesen dass ich kein einziges Wort über die Lippen gebracht hatte und stattdessen weinend zusammengebrochen war. Zwei Tage später war er weggewesen.
Ich ballte meine Hand zur Faust und warf erneut einen Blick aus dem Fenster.
Die Häuser zogen am Mannschaftsbus vorbei und mit jeder überquerten Kreuzung, mit jeder grünen Ampel näherten wir uns dem Stadion weiter. Yay.
Ich spürte einen Blick auf mir liegen und wandte meinen Kopf zur Seite. Pedri neben mir musterte mich besorgt, löste mit seiner Hand vorsichtig meine Faust und verschränkte unsere Finger miteinander.
Er zog eine Augenbraue hoch und meinte: „Das Angebot steht übrigens noch. Ich hau dem Idiot gern eine rein."
Nach der Trennung hatte ich Pedri jedes Detail erzählt und er war mindestens genauso sauer auf Nico, wie ich.
Jetzt musste ich schmunzeln: „Ne lass mal. Das gibt nur Schlagzeilen und soviel Aufmerksamkeit verdient er nicht."
„Gute Einstellung", gab Pedri lächelnd zu. „Wir werden ihm heute zeigen, was er alles verpasst und dass wir - und vor allem du - auch gut ohne ihn zurecht kommen."
Ich nickte und versuchte, mich von seinen Worten zu überzeugen. Ich komme gut ohne ihn zurecht, ich komme gut ohne ihn zurecht, ich komme...
In diesem Moment erreichten wir das Stadion. Showtime. Ich stieg hinter Pedri aus und folgte ihm und meinen anderen Mitspielern zu den Umkleiden.
Dort angekommen verräumte ich mein Zeug in einem der Schränke und ließ mich auf die Sitzbank davor fallen. Die meisten meiner Mitspieler würden als nächstes kurz zur Besichtigung in die Arena gehen, doch dazu hatte ich keine Lust. Zu groß war meine Sorge, dort auf Nico zu treffen.
Mein Plan wurde jedoch zerstört als Alejandro vor mir auftauchte und mich von meiner Bank hochzog. „Du kannst doch jetzt nicht in der Kabine versauern. Keine Sorge, die Spieler von Valencia waren schon auf dem Platz, Nico wird nicht da sein", meinte er und klopfte mir kurz aufmunternd auf den Rücken.
Seufzend folgte ich ihm.
Nach der ereignislosen Stadionbesichtigung zogen wir uns in der Umkleide um, machten uns bereit fürs Aufwärmen.
Xavi tauchte auf um noch ein paar Worte über unsere Taktik zu sagen und uns die Startelf mitzuteilen. Ich hatte eigentlich gehofft, heute nicht so viele Spielminuten zu bekommen um nicht gegen Nico spielen zu müssen doch leider zählte Xavi auch meinen Namen auf.
Daher verließ ich kurze Zeit später gemeinsam mit meinen Mitspielern die Kabine und wir machten uns auf den Weg zum Feld. Aus der Ferne erkannte ich Nico wie er und seine Mannschaft sich bereits aufwärmten.
Sofort schlug mein Herz schneller und meine Hände wurden ein wenig schwitzig.
Sein Bart war länger geworden und sein Körper wirkte trainierter als noch vor drei Monaten, er sah unfassbar gut aus.
Zum Glück bemerkte er nicht, wie ich ihn anstarrte.
Ich zwang mich, den Blick abzuwenden und brachte die Aufwärmübungen so schnell wie möglich hinter mich.
20 Minuten später verließen wir den Platz um uns fürs Einlaufen bereit zu machen.
Ich streifte mir schnell mein Trainingsshirt über den Kopf und zog stattdessen das Trikot an. Dann machten wir uns auf den Weg zum Spielertunnel.
Die elf Spieler von Valencia standen schon dort, bereit fürs Spiel. Sofort begegnete mein Blick schokoladenbraunen Augen. Nico.
Er musterte mich ausdruckslos und ich erschrak, als ich die Kälte in seinen Augen sah. Was zur Hölle hatte ich ihm getan?
Verletzt wandte ich mich ab und blickte zu Boden bis ich plötzlich warme Hände auf meinen Schultern spürte. Vorsichtig hob ich den Kopf und sah direkt in Pedris Gesicht. Er stand auffällig nah vor mir und fing nun an, seine Hände zärtlich in meinen Haaren zu vergraben.
Verwirrt fragte ich: „Was soll das?"
Doch er lächelte nur und warf einen kurzen Blick über meine Schulter, bevor er murmelte: „Nico schaut gerade."
Da verstand ich es. Er wollte mir helfen, Nico eifersüchtig zu machen. Sofort fühlte ich mich schlecht, ich wollte ihn nicht verletzen.
Doch dann erinnerte ich mich an seinen kalten Blick und daran, dass er unsere Beziehung einfach so weggeworfen hatte, ohne einen wirklichen Grund. Und auf einmal war es ganz leicht.
Ich legte meine Hände auf Pedris Brust und strich sacht darüber. Er hingegen zog mich noch näher zu sich und seine Augen suchten in meinen nach Bestätigung.
Ich nickte kurz woraufhin er mein Gesicht in beide Hände nahm und seine Lippen auf meine legte. Der Kuss mit meinem besten Freund war anders, als damals mit Nico.
Es gab kein Feuer zwischen uns und auch keine Leidenschaft. Das hier war nur eine Show, ein trauriger Versuch, Nico heimzuzahlen, was er mich hatte fühlen lassen als er ging.
Doch es fühlte sich trotzdem gut an. Ich zog Pedri am Hinterkopf noch näher zu mir, wenn das überhaupt noch möglich war, und vertiefte den Kuss etwas.
Als uns dann die Luft ausging lösten wir uns und ich umarmte ihn kurz als Dank. Er flüsterte mir ins Ohr: „Nico verdient dich gar nicht."
Ich lachte traurig und murmelte mit matter Stimme: „Aber ich liebe ihn. Schon immer und für immer."
Mit diesen Worten drehte mich um und begegnete zum zweiten Mal heute Nicos Augen. Doch jetzt war dort keine Kälte mehr zu sehen sondern... Wut und Eifersucht.
Selbst schuld. Entschlossen unterbrach ich unseren Blickkontakt und im selben Moment gab der Schiedsrichter das Startzeichen.
Zeit zum Spielen.Es war ein ereignisloses Spiel. Ich konnte mich die ganze Zeit über kaum konzentrieren weil ich viel zu beschäftigt damit war, Nico nicht zu nahe zu kommen.
Nach 60 Minuten erlöste Xavi mich endlich und ich ließ mich erschöpft auf die Spielerbank sinken. Heute Abend würde dieser Albtraum von Tag endlich ein Ende haben und ich konnte wieder zu meinem normalen Alltagstrott zurückkehren, der hauptsächlich aus Fußball bestand und daraus zu versuchen, nicht an Nico zu denken oder ihn auf Instagram zu stalken. Wirklich traurig.
Am Ende gewannen wir knapp mit 2:1 und ich flüchtete zurück in Richtung der Kabinen, ohne davor noch auf den Platz zu gehen um mich mit den Spielern auszutauschen. Unhöflich, ich weiß, doch ich hatte keine Kraft mehr dazu.
Plötzlich rief jemand hinter mir meinen Namen.
Ich erkannte die Stimme sofort und erstarrte. Was wollte Nico denn jetzt von mir? Langsam drehte ich mich um und verschränkte meine Arme, um mein Herz so gut es ging zu schützen.
Er würde es nicht noch mehr brechen.
„Was gibt's?", fragte ich und versuchte, so gleichgültig wie möglich zu klingen. Atemlos blieb er zwei Meter vor mir stehen.
„Bist du mit Pedri zusammen?", fragte er dann und wandte seinen Blick keine Sekunde von mir ab.
War das ernsthaft alles was er zu sagen hatte?
„Geht dich nichts an", murmelte ich, wollte mich wieder umdrehen und meinen Weg fortsetzen.
„Pablo warte bitte!", rief er verzweifelt und griff nach meinem Arm. Die Berührung ging mir durch und durch und sofort breitete sich dort, wo seine Hand auf meiner Haut lag, Wärme aus. Verflucht. Er hatte noch immer diese Wirkung auf mich.
Ich entzog ihm meinen Arm.
„Bitte lass es mich erklären", flehte er und seine Stimme zitterte ganz leicht.
Ich nickte kurz und sah ihn abwartend an.
Nico fuhr sich nervös mit einer Hand über den Hinterkopf und schien nach den richtigen Worten zu suchen.
Dann fing er endlich an: „Pablo, es tut mir so leid wie das alles gelaufen ist... ich.. mein Vater.. du warst in Gefahr.. er hat.."
Seine Stimme brach und er senkte beschämt den Kopf. Eine einzelne Träne rollte über seine Wange und ich hätte sie am liebsten weggeküsst. Doch das wäre bei unserer aktuellen Beziehung zueinander definitiv unpassend gewesen.
Stattdessen wartete ich stumm, bis er bereit war mir eine genauere Erklärung zu geben.
Bei seinem verzweifeltem Anblick fiel es mir schwer, die Mauer, die ich um mich herum errichtet hatte, aufrecht zu erhalten.
Als Nico sich halbwegs gesammelt hatte, setzte er seine Erklärung fort: „Mein Vater, du weißt ja wie er zu meiner Sexualität und unserer damaligen Beziehung steht, oder?"
Oh ja. Nicos Vater, ein homophobes Arschloch, das von Anfang an gegen unsere Beziehung gewesen war und sie zwar erduldet, aber nie wirklich akzeptiert hatte.
Ich nickte knapp woraufhin Nico fortfuhr.
„Er.. im Sommer hatte er genug. Er drohte mir, dir etwas anzutun, wenn wir weiterhin ein Paar bleiben." Ich spürte, wie über meine Wangen ebenfalls heiße Tränen liefen, während ich versuchte zu verstehen, was er da gerade gesagt hatte.
„Ich hatte keine andere Wahl, wenn ich dich in Sicherheit haben wollte, durfte ich kein Teil mehr von deinem Leben sein." Nico stockte kurz, bevor er fortfuhr: „Vor zwei Wochen hat mein Vater einen Raubüberfall in einer Firma in Madrid gemacht. Er wurde gefasst und ihm drohen 6 Jahre Gefängnis."
Seine glasigen, wunderschönen Augen musterten mich zärtlich. „Ich wollte direkt zu dir um dir alles zu erzählen, doch ich war unsicher, ob du mich nach allem was ich getan habe noch willst."
Schweigen trat ein, noch immer fand ich keine Worte für all das, noch immer weinte ich lautlos. In meinem Kopf sowie in meinem Herzen herrschte Chaos.
Nico sah mich zunehmend beunruhigt und verunsichert an.
„Pablo? Bitte.. sag was. Irgendetwas", flehte er verzweifelt.
Stattdessen kam plötzlich Bewegung in meinen Körper und ich stürzte mich geradewegs in seine Arme, berührte ihn nach so langer Zeit und atmete tief seinen Geruch ein. Er roch nach Zuhause.
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Pablo Gavi Oneshots
FanfictionOneshots mit Pablo (nur Boyxboy). Don't like it, don't read it ;)