Belle
Die Lichter der Stadt ziehen an dem Fenster vorbei, durchbrochen von der Reflexion des Zuginneren. Draußen ist es seit einer Weile dunkel, aber ihre Fahrt wird wohl noch eine Weile gehen. Sie sitzt am Fenster und hört Musik, schreibt ein wenig und versucht nicht allzu sehr an ihr Ziel zu denken. Im Zug inneren ist mittlerweile auch die abendliche Ruhe eingekehrt, die Menschen lesen, Manche unterhalten sich gedämpft miteinander, der größte Teil schläft. Sie holt Luft und wendet sich wieder ihrem Laptop zu. Sie schreibt gerade an einer short story für einen Wettbewerb, aber gerade hat sie wohl eine Blockade. Ihre Gedanken schweifen die ganze Zeit ab, ständig denkt sie an dass, was jetzt auf sie zukommen wird. Sie ist gerade in einem Nachtzug nach Berlin, der eine Stunde verspätet, heute Mitternacht ankommen wird. Es ist seltsam wieder zurück nach Deutschland zu gehen, aber sie hat sich dazu entschieden. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Zumindest erstmal nicht. Sie sieht auf ihre Hände, die über der Tastatur schweben, sieht aber stattdessen nochmal aus dem Fenster. Schließlich klappt sie den Laptop zu, ohne ein Wort geschrieben zu haben. Auch okay, dann hat sie heute halt nicht so viel geschafft. Sie lehnt ihren Kopf an das kühle Fenster und lässt sich von ihrer Musik einlullen.
Sie schreckt auf, als der Zug ein wenig wackelnd zum stehend kommt. Plötzlich ist es nicht mehr dunkel, sondern das Licht des Bahnsteiges leuchtet zum Fenster herein. Der Lockfahrer macht eine nuschelige Durchsage, und um sie herum rascheln müde die anderen Passagiere, irgendwo weiter vorn weint ein Baby. Sie reibt sich ihre Augen, zieht ihre Jacke an und holt ihren Koffer aus dem Kofferregal. Ein sehr großer, sehr voller Koffer, und das wars. Sie hängt sich ihre kleine Tasche noch um und hievt ihren Koffer aus dem Zug auf das Bahngleis. Um sie herum begrüßen sich die Menschen, manche fallen sich in die Arme, andere rollen einsam mit ihrem Koffer zur Rolltreppe nach oben in die Haupthalle des Bahnhofs. Berlin Hauptbahnhof. Eine riesige Stadt, voller Menschen die sie nicht kennt. Ihre Freunde sind alle in Amsterdam, wo sie ihre Jugend - Zeit verbrachte. Belle zieht ihren schweren Koffer hinter sich her zur Rolltreppe. Sie ist gerade auf dem Weg Richtung Ausgang, ihr Handy in der Hand, da leuchtet ihr Display auf. Ihr Vater. „Hi Papa", sie sieht sich suchend um, nach einem Taxi, dass sie zu ihrer völlig neuen unbekannten Wohnung fahren wird. „Hey Belle. Bist du schon angekommen?", im Hintergrund raschelt es, anscheinend ist er noch unterwegs. „Ja grade eben, wir hatten eine Stunde Verspätung.", sie hört selbst, dass sie erledigt klingt. „Ah, ja da war was, hab ich heute gelesen.", es raschelt noch etwas mehr. Belle winkt sich ein Taxi heran. „Zur Wotanstraße?", fragt sie den Taxifahrer durchs Fenster. Der Mann nickt, und steigt aus, um ihren Koffer im Kofferraum zu verstauen. „Ich nehme aber jetzt einfach ein Taxi heim", sie unterdrückt ein Gähnen. „Ja gut, mach das Belle. Schatz, hör mal", ihr Vater klingt abwesend. Vermutlich arbeitet er noch, so wie sie ihn kennt. „ich rufe dich morgen nochmal an. Aber schreib mir bitte wenn du angekommen bist, ja?" „Ja klar", Belle setzt sich hinten ins Auto. „Okay dann, Chiao Belle. Meld dich!" und schon hat er aufgelegt. Belle seufzt. Und verstaut ihr Handy wieder in der Tasche. „Welche Hausnummer?", fragt der Taxifahrer, während er auf die Straße einbiegt. „Ah, Nummer 44" Sie lehnt sich zurück und kämpft gegen die Müdigkeit in ihren Knochen an. Gleich ist sie in ihrem neuen Zuhause.
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Sie wacht am nächsten Morgen erst spät auf. Das Licht der Morgensonne scheint durchs Fenster und zeichnet helle Flecken auf den Boden. Sie liegt in ihrem neuen Bett, der kleinen spartanisch eingerichteten Wohnung, die ihr Vater durch einen Kollegen für sie gefunden hat. Gestern Abend war sie zu müde gewesen, um die Wohnung groß wahrzunehmen, und war einfach ins Bett gefallen. Jetzt, nach ausreichend Schlaf und im Tageslicht, kann sie sich umsehen. Es ist eine ein Zimmer Wohnung mit einer kleinen Küche und einem Bad. Es gibt einen Schreibtisch, ein Bett und eine Kleiderstange und eine kleine Kommode. Ihr Koffer liegt offen auf dem Boden vor dem Bett. Die Wohnung ist noch recht leer, aber immerhin hat sie die Möbel, die sie fürs erste brauchen wird, schonmal. Ihr gefällt das große Fenster gegenüber von ihrem Bett, das auf einen kleinen Balkon hinausführt. Die Küche ist ein separater Raum, eine kleine Zeile, mit Ofen, und Spülmaschine. Was für ein Luxus. Belle läuft in der Wohnung herum und genießt das Gefühl. Ja, es ist noch etwas karg, aber sie wird das hier zu ihrem Neuanfang machen. Weg von Amsterdam, ab nach Berlin.
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Die Humboldt Universität ist groß und zum Teil altehrwürdig, zum Teil modern und zum Teil etwas ranzig. Genauso wie Berlin. Seit zwei Wochen lebt sie in Berlin, und obwohl sie volle Straßen und Touristen von Amsterdam gewöhnt ist, ist Berlin doch nochmal ein ganz anderes Kaliber. Es gibt einfach viel mehr von allem: reiche Menschen, sehr arme Menschen, Verrückte, Drogenabhängige, Nazis,... alles. Die Uni aber ist eigentlich ganz normal. Nimmt sie zumindest mal an, denn das ist ihr erstes Mal an der Uni. Da sie auf der ehemaligen Ost Seite der Stadt wohnt, kann sie für einen Teil der Strecke die Tram nehmen, und dann die U Bahn. Sie war schon einmal hier für die Anmeldung, aber heute ist sie trotzdem aufgeregt. Sie freut sich darauf, neue Leute kennen zu lernen, ihren Studiengang kennen zu lernen und sich hier ein Leben aufzubauen. Ein Leben weg von Amsterdam, weg von ihren alten Freunden und vor allem eines: weg von ihm.
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This Love is good
RomanceSunny und Belle. Eigentlich hat Sunny nur vor, sich auf seine Band zu konzentrieren. Er glaubt fest daran, dass sie den großen Durchbruch schaffen können. Er hat keine Zeit für Beziehungen. Belle studiert in Berlin, weg von ihrer Familie in den Ni...