Harry Pov
Seit ich heute morgen aufgestanden war, wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Mir war, als stünde ich in einem Moment mit nackten Hintern in Alaska und im nächsten befand ich mich mitten in der Sahara, wo weit und breit kein Schatten zu sehen war. Kalter Schweiß lief mir in Strömen den Körper hinab. Mit beiden Händen hielt ich links und rechts krampfhaft meinen, eigentlich für die Übergangszeit vom Sommer zum Herbst zu warmen, Trenchcoat fest. Ansonsten könnte ich meine zittrigen Hände nicht unter Kontrolle bringen. Zumindest machte die Sonnenbrille, die zu meiner Verkleidung gehörte, Sinn, denn die Sonne strahlte mit aller Kraft vom Himmel hinab in den Park. Völlig ohne Zeitgefühl lief ich hier schon seit einer Weile durch die Gegend und versuchte mich davon abzuhalten meinen Dealer aufzusuchen, der sich meistens in Parknähe befand. Nur eine Abbiegung entfernt, wartete die berauschende Lösung meines jetzigen Zustandes auf mich.
Obwohl ich gestern noch so überzeugt von meiner Entscheidung war, wurde mein Widerstand von Stunde zu Stunde geringer. Ich hatte es gerade noch so aus dem Haus geschafft, ohne die Tüte anzurühren. Vermutlich wäre es klüger gewesen sich Unterstützung zu holen, bevor man Kopflos aus dem Haus stürmt, denn jetzt gerade wusste ich nicht, was ich tun sollte. Nach Hause konnte ich nicht, dafür war die Verlockung zu groß. Aber jetzt die Abbiegung zu nehmen, die mich zu meinem Dealer führen könnte, war auch zu Riskant. Das Einzige, was mich davon abhielt komplett durchzudrehen, war, dass ich mich in der Öffentlichkeit befand. Dass ich zu berauschenden Mitteln nicht Nein sagte, war ein offenes Geheimnis für die Meisten, mit denen ich arbeitete. Die traurige Wahrheit war, dass sie mich nie daran Hindern würden, solange mein Erfolg Geld in ihre Taschen spülen würde.
Die Einzige, die etwas vermutete, aber keine handfesten Beweise hatte war Gemma. Doch besaß ich genug Stärke, um mich ihr zu offenbaren? Sie war eine der Wenigen in meinem Umfeld, denen wirklich etwas an mir lag. In letzter Zeit hatte ich sie öfter enttäuscht. Würde sie mir Verzeihen können, dass ich ohne guten Grund vergangenes Jahr an keinem Familientreffen teilgenommen hatte? Nichtmal zu ihrem Geburtstag oder gar zu Weihnachten, das schon immer eine große Bedeutung in unserer Familie hatte, war ich erschienen. War ich bereit unsere Beziehung dafür aufs Spiel zu setzen? Wie viel war zu viel? Könnte ich ihren Blick aushalten, wenn ich ihre Vermutung bestätigte? Würde sie mir beistehen oder mich endgültig aufgeben? Schließlich hatte sie eine eigene Familie, für die ich sicherlich kein gutes Vorbild abgebe.
Von einem Moment auf den anderen traf mich eine völlige Erschöpfung, die mich zwang, stehen zu bleiben. Ich stützte mich mit meinen Händen auf meinen Oberschenkeln ab. Wieso tat ich mir das eigentlich an? Nur weil ich mit den Drogen aufhörte, würde sich meine Lebensumstände doch nicht ändern. Dann wäre ich ein internationaler Star, der sich nicht mehr mit Drogen über die dunklen Abgründe eines Lebens in der Öffentlichkeit und der heuchlerischen Menschen, die es mit sich brachte, retten könnte. Ich richtete mich wieder auf. Der Zug zu einem normalen Leben war abgefahren. Selbst, wenn ich mich aus der Öffentlichkeit zurückzog und mein Musikerdasein aufgeben würde, wären sie immer noch hinter mir her. Dafür war der Hype um meine Person zu mächtig und der Drang Musik zu machen und sie zu teilen, zu Groß. Es gab auch Zeiten in denen die guten Dinge an meinen Berühmtsein überwogen, doch ich hatte den Anschluss verpasst. Ich hatte geplant meinen Einfluss und das viele Geld für den guten Zweck einzusetzen, ich wollte den Kampf gegen die Missstände in der Welt aufnehmen, um sie wenigstens ein bisschen besser zu machen. Meinen Namen sollten die Menschen mit etwas Positivem verbinden, mein Name sollte Veränderung verheißen. Und nun? Hätte mir jemand zu Beginn des Hypes um meine Person gesagt, dass ich mal so enden würde, hätte ich laut gelacht und das als Scherz abgetan.
Ich nahm die Sonnenbrille ab und wischte mir mit der anderen Hand durchs Gesicht. Unter dem kalten Schweiß glühte meine Haut. Was war nur aus mir geworden? Gestern war ich noch so zuversichtlich gewesen. Martha hatte mir gezeigt, wie das Leben auch sein konnte, wie es anfühlte ich selbst zu sein.
Die Kinder, die hier ihren Drachen steigen ließen, wussten nichts von der Grausamkeit der Welt. Für einen solchen Tag ohne Sorgen würde ich so einiges geben. Sie waren so unbeschwert und konnten friedlich....
„Was bist du denn für einer?! Mein Schmetterling war zuerst da! Du kannst du nicht einfach in meinen Weg fliegen!"
Naja, friedlich konnte ich wohl streichen und doch hatte die Szene so etwas beruhigend normales, was mich für einen Moment aufatmen ließ. Neben den Kindern nahm ich zwei Erwachsene wahr, einen Mann und eine Frau. Die beiden hatten die Kinder zwar im Blick, unterhielten sich aber entspannt. Als ich genauer hinsah, erkannte ich sie. Es war tatsächlich Martha. Als mich diese Erkenntnis traf, spürte ich Erleichterung, als wäre hätte mir etwas gefehlt, das allein ihr Anblick vervollständigte. Sie sah gut aus, wirkte im Gegensatz zu mir erholt und frisch, wie das junge Leben.
Während die Kinder begannen die Drachen zu entwirren, wurde das Gespräch zwischen Martha und dem Fremden ernster. Sie berührte ihn am Arm, was meine zitternden Hände noch unruhiger werden ließ, falls das überhaupt noch möglich war. Mir war klar, dass sie nicht zu mir gehörte und dennoch drehte sich mein Magen um, bei dem Gedanken, er könnte ihr Partner sein. Doch was bildete ich mir eigentlich ein? In diesem Zustand waren solche Gedanken doch eh irrelevant. Ich war ihrer gar nicht würdig. Sie hatte einen wie ihn verdient, einen anständigen Mann mit dem sie eine vertrauensvolle Beziehung auf gleicher Ebene führen könnte.
Als die beiden sich umarmten drehte ich mich schließlich weg und ging weiter. Natürlich war es unhöflich gewesen die zwei solange zu beobachten und doch war es, als würde mir das Schicksal damit einen Arschtritt verpassen, den ich auch redlich verdient hatte. Mich in meinem Elend zu suhlen brachte keine Veränderung. Ich wollte dieser Kerl sein, dem Martha Fürsorge schenkte. Ich wollte auch für sie da sein können. Ich wollte, der Mann sein, den Martha verdiente! Mit ihr hatte sich mein Dasein wieder wie Leben angefühlt. Ich will Lebendigkeit! Ich will ein aufrichtiges, authentisches Miteinander!
Nun war ich bereit mich meiner Situation zu stellen.
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As it was
FanfictionBegleite Martha und Harry auf eine Reise der Selbstfindung, Akzeptanz und der Liebe. Martha arbeitet als "Nanny" der kleinen Matilda und möchte endlich lernen sich selbst zu lieben. Harry befindet sich an einem Scheidepunkt seines Lebens und für...