Dag wurde alleine auf der Couch wach. Nicht mal die Decke lag auf seinem nackten Körper, weshalb ihm wohl auch so kalt war. Oder es lag daran, weil Carla nicht bei ihm war, um ihm diese Wärme zu geben, die ihm offensichtlich innerlich fehlte. Denn genau von da kam die Kälte. Sie war nicht im Raum, es war einfach etwas, was in ihm fehlte.
Er setzte sich auf und griff nach seinem Handy. Ehe er jedoch weitermachte, rief er Carlas Namen.
Nichts.
Sie war anscheinend gar nicht zu Hause.
Ohne groß nachzudenken, öffnete Dag seine Galerie und sah sich ältere Fotos und Videos an. Irgendwie ärgerte es ihn, dass er sofort wieder in alte Muster verfiel und nur ein wenig alleinsein ihn dazu brachte, abermals in Erinnerungen zu schwelgen.
Er dachte echt, dass ein Besuch bei Carla ihm Ablenkung geben könnte, aber im Grunde war es nur etwas für den Moment. Sobald sie, wie jetzt, nicht da war, kam diese Leere zurück.
Er stoppte bei einem Video. Dieses hatte er schon seit Ewigkeiten nicht mehr angesehen. Bevor er es startete, holte er eine frische Boxershorts und nahm sich aus dem Schrank eine Jogginghose, die er sich ebenso anzog, ehe er sich wieder auf die Couch setzte und das kleine Filmchen anfing.
»... nein, ich meine das im Ernst. Ich will eine richtig geile Hochzeit. Ich will im Mittelpunkt stehen. Klingt egoistisch, aber is' so. Ich will, das jeder auf mich schaut und denkt, wow.« Isabelle saß mit dem Rücken gelehnt an der Couch und zog an einem Joint. Dabei verhüllte eine Decke gerade mal so, ihren nackten Körper.
»Ja. Ich glaub' dir ja.« , hörte er sich selbst im Video sagen.
Dag erinnerte sich noch allzu gut an diese Nacht ... und den Morgen, als er Isabelle das Aufgenommene präsentierte.
»Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich dafür bin, dich in meinem Leben zu haben.« , sprach sie nun in dem Streifen. »Ich will mir gar nicht vorstellen, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich dich nicht getroffen hätte.«
»Das würde scheiße aussehen.« , sagte er zeitgleich mit seinem vergangenen Ich.
Er wusste noch deutlich, dass er genau das geantwortet hatte.
Sie war da völlig high und betrunken und grinste in die Kamera, als sie zustimmend nickte. »Es gibt so viel, was ich an dir liebe.«
Natürlich hatte er damals dann nachgefragt, was genau. Und jetzt in diesem Moment benötigte er jedes Wort, was sie daraufhin aufgezählt hatte. Es schmerzte, tat aber zeitgleich auch gut.
»Dein Lachen. Insbesondere das Idiotische, was du unbewusst von dir gibst. Deine Augen. Du hast manchmal so 'nen Blick drauf, uuuh da wird mir anders.« , sagte sie.
»Mmmh go on, beträufle mein übersteigertes Selbstbewusstsein ...« , gab er dort mit tiefer Stimme von sich, ehe er lachte.
»Deine Lippen. Du kannst sooooo gut küssen.« Dag sah zu, wie er sich selbst filmte und in Boxershorts näher zu ihr rutschte. Er hob ihr Kinn an und küsste sie. Vertraut lehnte sie sich danach an ihn. »Du bist der Mensch, zu dem ich nach Hause kommen möchte. Für den Rest meines Lebens. Weil du mein zu Hause bist.«
»Geht mir genauso.« , sagte er wieder gleichzeitig mit seinem Vergangenheits-Ich, als ihm nun die Tränen aus den Augen liefen. Dag zog die Lippen ein und versuchte, es zu unterdrücken, doch es war zu spät.
»Wirst du für immer bei mir sein?« , fragte sie ihn.
»Für immer. Das verspreche ich dir. Egal, was noch kommen mag, aber ich werde niemals von deiner Seite weichen.«
Er stoppte das Video und betrachtete die zwei Menschen, die damals noch gedacht haben, das sie auf ewig glücklich sein würden. Die niemals damit gerechnet hätten, was alles womöglich auf sie zukommen könnte. Welchen Schmerz sie noch ertragen müssten.
Wie gern er genau jetzt zu diesem Zeitpunkt zurückgereist wäre ...
Der Schlüssel im Schlüsselloch erschrak ihn und er hätte fast sein Handy fallenlassen, beim Versuch auf den Home-Bildschirm zu geraten und gleichzeitig seine Tränen wegzuwischen.
»Hey. Du bist wach.« , sagte Carla und hielt zwei Tüten vom Bäcker in die Luft. »Ich hab uns Frühstück geholt.«
Er lächelte und legte sein Handy weg. »Sorry. Wir hatten in der Nacht keine Gelegenheit zu reden. Ich muss jetzt gleich schon wieder los. Ich muss zurück.«
»Was?« Sie zog eine Schnute. »Ich dachte, du bleibst etwas.«
»Tut mir leid.«
»Was ist mit deinen Augen?« Sie kniff ihre Augenbrauen zusammen. »Hast du gekifft?«
Dag rieb sich abermals darüber. »Ich glaube ... ehm ... ja.« , log er.
Sie legte die Tüten weg und kam zu ihm, um sich sofort rittlings auf ihn draufzusetzen. »Kannst du nicht noch einen Tag bleiben?« Sie umarmte ihn innig, als hätte sie Panik, er würde sich sonst wie von selbst in Luft auflösen.
»Ich verspreche dir, immer wenn ich es einplanen kann, komme ich. Okay.«
Sie murmelte etwas vor sich her, ehe sie normal sprach. »Ich will nicht, das du gehst.«
»Isy bitte.« , sagte er.
»Was?« Erschrocken sah Carla ihn an. »Wie hast du mich gerade genannt?«
»Fuck. Das war keine Absicht. Es tut mir leid.«
Sie kletterte von ihm runter und ging in die Küche. »Du hast gerade den Namen deiner Ex verwendet. Für mich.«
»Keine Ahnung, wieso. Ich schwöre dir, ich habe gerade nicht an sie gedacht.« Er hätte sich am liebsten selbst in den Arsch getreten, für so einen Satz. Natürlich hatte er an sie gedacht und diese Aussage würde nur Carlas Vermutung verstärken, statt sie zu mindern.
»Und das soll ich jetzt glauben, oder was?« Wütend funkelte sie ihn an.
Dag legte den Kopf auf der Rückenlehne ab. »Es ist so. Das kam jetzt ohne Überlegung aus mir rausgeschossen.«
»Aber ja doch.«
Er stöhnte laut auf. »Carla, ich habe mit dieser Frau zusammengelebt, seit ich neunzehn bin.« , rechtfertigte er sich. »Da kann so etwas schonmal passieren. Das ist Gewohnheit. Ich schwöre dir, dass ich gerade nicht an sie gedacht habe.« Und wiederholt hätte er sich gerne selbst geohrfeigt, damit er endlich die Klappe halten würde.
»Liebst du mich?« , fragte sie ihn.
Dag stand auf und ging zu ihr rüber, als sie ihn sauer anblickte. »Meinst du, sonst wäre ich hier bei dir?« Er umarmte sie unterhalb ihrer Hüfte und zog sie nahe an sich ran. Vorsichtig hob er ihr Kinn an. »Es war ein Versehen.«
Carla sah ihn unveränderlich an. »Ein Versehen?!«
Er nickte. »Es war ein Versehen.« , wiederholte er. »Ich bin hier. Bei dir. Und wir werden bald mehr sein, wenn die Hormonbehandlung bei dir anschlägt, okay?!«
»Du willst also ... eine Familie mit mir?«
Jetzt sah er regungslos in ihre dunklen Augen, bis er sich nach ein wenig Stille dazu äußerte. »Ja. Lass es uns durchziehen.«
Sie nickte, sah ihn aber weiterhin misstrauisch an.
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Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)
FanfictionBAND 3 »Ich will keinen Streit mit dir. Ich will das wir uns beide wie erwachsene Menschen verhalten und ...« »Ich verhalte mich erwachsen oder siehst du, das ich gerade kindisch bin?« , sprach Carla. »Ich weiß, das zwischen uns mehr ist und ich geb...