Kapitel 5

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Das Gespräch verlief gut. Sehr gut sogar. Ich habe zwar durch die Anwesenheit meines Chefs mehr Füllwörter benutzt, aber meine Witze haben Herrn Heinrich wirklich gut gefallen und so von meinen ganzen Ähs und Jas abgelenkt. Gerade unterschreibt er den Vertrag mit einem halb so edlen Kugelschreiber, wie ihn mein Chef besitzt. Ich habe es geschafft! Und Herr Heinrich war nicht unangenehm. Einen Moment lang hatte ich Angst, weil er auf meine roten Lippen geschielt hat, aber sonst war alles angenehm. Puh! Mein großer Chef begleitet den Kunden noch bis zum Aufzug und ich bringe in der Zwischenzeit das Geschirr weg. Narin scheint mich schon zu erwarten, so schnell wie sich ihr Kopf zu mir dreht. "Und?", fragt sie. Ich grinse stolz. "Ist unterschrieben." Weil mich der Fakt so glücklich macht, hüpfe ich feierlich mit der Tasse in der Hand. Zum Glück ist sie leer. "Ich bestelle zur Feier Donuts!" Jetzt fällt mir auch auf, wie hungrig ich bin. Mein Magen knurrt. "Bitte viele Schokodonuts und welche mit Cremefüllung." Oh Mann, habe ich Lust darauf. "Shirin." Oh Gott, jetzt habe ich keine Lust mehr drauf.

Ich schaue verstummt zu meinem Chef. Habe ich irgendetwas falsch gemacht? "Sie können Pause machen. Bis zum Meeting dauert es noch." Oh! Okay. "Dann lass uns etwas zu essen bestellen. Ich habe Hunger." "Was gibt es hier denn zu empfehlen?", frage ich. "Wir haben hier einen Inder um die Ecke mit gutem Butter Chicken." Ich erinnere mich an meinen Versuch, Butter Chicken zu machen. Der Blutdruck meines Onkels war so hoch, dass er ins Krankenhaus musste. Aber es hat geschmeckt! "Oder Sushi." Oh! Ja! Ich nicke sofort. "Aber gibt es frittiertes Sushi? Oder ohne Seetang?" "Seetang?" Narin prustet. "Sie meinen Nori-Blätter?" Wieso steht mein Chef hier noch? Muss er nicht irgendetwas machen? Geschäfte erledigen? "Ach so", murmele ich. Ich dachte, das heißt Seetang. Na ja, ich verwechsele auch Sauergurken mit Seegurken. "Ich kenne einen guten, der viel Auswahl hat. Wir essen in deinem Büro." Das hört sich gut an. Vielleicht werden Narin und ich gute Freunde. Dann habe ich jemanden, mit dem ich über meinen Chef lästern kann. Ich nicke zufrieden, drehe mich dann zu meinem Chef um. Wieso schaut er so?

"Müssen Sie nicht arbeiten?" Das sollte gar nicht so vorwurfsvoll klingen! Aber er soll nicht hier stehen und mich mit seinen grellen Augen anstarren! "Geben Sie Ihrem Chef gerade Befehle?" Seine rechte Augenbraue hebt sich im selben Moment, in dem er seine muskulösen Arme vor seiner muskulösen Brust verschränkt. Meine Nasenspitze juckt schon. "Ich hab nur gefragt. Wollen Sie mit uns essen und stehen deshalb hier?" Vielleicht fühlt er sich ausgeschlossen. Vielleicht deutet sein stumpfer Blick auf genau das hin. "Wir schließen niemanden aus. Auch keine bitteren Kaffeetrinker." Und er schaut mich weiterhin so monoton an. Oh Mann. Und Narin lacht mich aus! Meine Stirn fühlt sich ganz heiß an. Was denn? Wenn er sich allein fühlt, dann bin ich die Letzte, die ihm kein Gespräch anbietet. "Also? Wollen Sie auch-," "Nein." Pff, dann nicht! Wieso unterbricht er mich? Das ist unhöflich! "Gut", setze ich bebend an. "Dann brauchen Sie hier nicht herumzustehen. Wir sind nicht im Schulflur." Bitterer Kaffeetrinker! Ich torkele wütend zu meiner Bürotür. Nie wieder werde ich nett zu ihm sein! Aber nicht, dass ich jetzt zu gemein zu ihm war, sodass er mich kündigt. Ich vergesse zu oft, dass er mein Chef ist! Vor meiner Tür halte ich inne. Oh Mann, ich weiß, dass er dort noch steht. Ich drehe mich widerwillig um, zucke zusammen, als ich bemerke, dass er mich ansieht. Die Frage, warum er mich anschaut, unterdrücke ich. "Tschuldigung", murmele ich, flüchte aber dann wieder in mein Büro.

Gott! Dieser Mann sorgt für zu gemischte Gefühle bei mir. Wenn er nicht so trocken wäre oder zumindest nicht so oft wie ein Dekostück dort herumstehen würde, wo ich mich gerade befinde und Leute vollplappere, wäre alles besser. Oder testet er mich? Stand in meinem Arbeitsvertrag etwas von einer Probezeit? Mir wird augenblicklich kalt. Bin ich hier aktuell auf Probe? Oh Gott, ich muss das jetzt wissen! Ich stolpere zurück zu meiner Tür, reiße wie eine Wahnsinnige die Tür auf, wodurch ich die Aufmerksamkeit beider auf mich ziehe. Narin macht sich ernsthafte Sorgen, während mein Chef mich verwirrt mustert. "Habe ich eine Probezeit?" Wenn das so ist, dann nutzt er mich die Zeit aus, bis er mich kündigt. "Sie sind fest angestellt." Okay ... "Also keine Probezeit?", frage ich stumpf. Mein Chef verneint es kopfschüttelnd, wenn auch argwöhnisch. Gut. Keine Probezeit. Das ist gut. Wirklich gut. Sehr gut. Ich nicke noch einmal nachträglich. Einprägend. Absichernd. Er hat so tolle Augen. Sie sind so hell. Und jetzt, wo ich ihn betrachte, wie er mich betrachtet, spielen sich wieder die Geigen aus Mohabbatein in meinem Kopf ab. Seine Lippen sind echt toll geformt. Ich mag es, dass das Lippenherz spitz verläuft. Ich stelle mir vor, wie er sie spitzt. Der Gedanke lässt mich schmunzeln. Es sieht absurd und süß zugleich aus. Aber seine Haare sitzen wirklich sehr schön. Und der graue Anzug erst!

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt