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Lew Sokolow

Ich springe von meinem wunderschönen großen Bürotisch auf, als ich sehe, dass es bereits 21:00 Uhr ist. Auf dem Weg nach draußen laufe ich durch die langen und riesigen Flure unseres, fast schon Schlosses. Ich rufe in Fluren nach Mika, Leon, Alec und Miran.
Wie kann es sein, dass wenn es ein Job für uns fünf ist, wir immer zu spät kommen. Ich kann schon spüren wie es später wieder von meinem Vater eine Diskussion geben wird, dass so ein Verhalten für den angehenden Don der zweitstärksten Mafia Russlands nicht akzeptabel ist.
Mika als Fahrer und ich als Beifahrer mit dem Rest hinten steigen wir in meine wunderschöne und glänzende G-Klasse die vorgefahren wurde.
Der Treffpunkt ist in dem riesigen Wald, wo sich niemand auskennt und reintraut. Also ist anscheinend der heutige Auftrag eigentlich ein Selbstmordversuch. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln und gucke nochmal die Jungs an, die nochmals ihre Waffen checkten. Es wird noch eine Weile dauern bis wir da sein werden, wobei mir langsam ein mulmiges Gefühl aufkommt. Es scheint, als ob es heute nicht mein Tag sein wird. Mein Bauchgefühl lässt mich nämlich nie im Stich und schließe mit diesem Gedanken meine Augen.

Als ich meine Augen wieder öffne ist es bereits 22:10 Uhr. Das Treffen war auf 22:45 Uhr angelegt. Wahrscheinlich trauen die sich auch nicht zu weit in den Wald rein, denn sonst hätten sie nicht den 45 Minuten Weg in den Wald hinein als Treffpunkt gewählt.
„Welcher lebensmüder Mensch fährt um diese Uhrzeit auf dem Motorrad hier durch den Wald?", fragte Mika, mit dessen Frage ich meinen Blick wieder der Straße widme. Hätte ich die Frage von Mika gehört, dass wäre mir nicht einmal aufgefallen, dass da ein weiterer Fahrer auf uns zukommt und das auch noch mit einer Geschwindigkeit, als ob es kein morgen gäbe.
„Wow, habt ihr das gesehen? Wie schnell der Bratan war? Und der Matt rote Helm hat auch was richtig geiles.", meinte nur Miran. „Du konntest den Helm sehen? Ich habe nur einen Fahrer an uns vorbeiflitzen sehen.", meinte Alec nur mit seiner trostlosen und kalten Stimme. „Ich habe mich, im Gegensatz zu euch, mal für was anderes umgedreht außer nur für Frauen.", womit Miran nicht ganz unrecht hat. Wir sind es gewohnt durch den Job viel Geld und den Luxus zu haben den niemand hat, abgesehen von der russischen Mafia, den Smirnows. Da die schon recht alt sind legen sie nicht mehr so viel Wert auf das Teuerste auftreten, sie besitzen nicht mehr so viel aber das was sie haben schreit nach Macht.
„Mika, wenn du nicht weißt was du mir zum Geburtstag schenken sollst, kannst du dir gerne ein Beispiel an dem Helm des Fahrers nehmen.", sagte Miran mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht, was mich auflachen ließ. Wir sind alle Kalt nach außen hin, aber unter uns sind wir noch immer die Kindergartenbande, die den nervigen Kindern immer das Essen geklaut und uns gegenseitig Streiche gespielt haben.
„Miran mach erstmal dein Motorradführerschein und dann können wir weiter darüber reden. Und nein, den werde ich dir nicht finanzieren du bist alt genug und hast Millionen auf dem Konto. Das bisschen Investition wird dir nicht wehtun. Und nur weil ich dein Bruder bin heißt es nicht, dass immer für dich zahlen muss.", antwortet Mika in seiner ernsten Tonlage.
Darauf blieben alle still, aber man konnte praktisch das Augenrollen von Miran hören.

22:45 Uhr. Endlich da und was ein Wunder die Chinesen sind noch nicht da. Warum haben wir uns so beeilt? Niemand wagt es einen Sokolow warten zu lassen. Wir sind immer die letzten die zu einem Treffen auftauchen. Sowas zeigt nur, dass wir uns nicht hetzten lassen und uns nichts aus der ruhe bringt. Aber hinter verschlossenen Türen ist meine Truppe die chaotischste. Uns fünf darf man nicht organisieren lassen, was sich langsam ändern muss, wenn ich bald die Mafia von meinem Vater übernehmen möchte.
Wir saßen alle noch im Wagen und gehen die Verträge durch, die ich angefertigt habe.
Deren Bestellung waren die Waffen und im Gegenzug bekommen wir eine größere Drogenlieferung von denen.
Wir sehen von weitem einen Wagen heranfahren, was für uns ein Zeichen ist auszusteigen und aus dem Kofferraum unsere restlichen Waffen zu holen und uns auszurüsten.
Ein zweiter wagen hinter dem ersten taucht auf. Was haben die vor? Mittlerweile gefällt mir die Situation nicht. Das darf ich mir aber nicht anmerken lassen. Ich blicke zu Mika, um ihm zu signalisieren, dass mir das alles nicht gefällt und die aufmerksamer sein sollen. Mit einem nicken bestätigt er mir, dass er es Verstanden hat. Jetzt heißt es bloß nichts anmerken lassen.

3:30. Wir sind schon seit vier Stunden am diskutieren und langsam reißt mir mein Gedultsfaden. Sie wollen mehr bekommen und weniger liefern. Unsere Waffen sind um einiges mehr wert als deren billige Drogen. Unsere Waffen sind Spezialanfertigungen, und die die nichts taugen werden aussortiert.
Ich kann mich noch an eine Spezialanfertigung erinnern die ich beaufsichtigen durfte. Ein Barrett, das an dem Griff mit jeweils zwei blauen Topasen links und rechts verziert werden sollte. Ich habe sie selbst eingestellt und das war die beste Arbeit, die ich bis jetzt gesehen habe.
Der Auftrag kam von dem Russischen Don Konstantin. Wir pflegen einen guten Kontakt zu den Smirnows, da eine Allianz uns eher stärkt. Einen unnötigen Krieg zwischen uns würde ganz Russland zerstören.
Sie selbst haben keine Kinder und instinktiv hoffe ich darauf, dass sie nach ihrem abgehen uns die Mafia überschreiben. Jedoch gibt es das Gerücht, dass sie einen Erben haben. Alle sind verwundert, da sie nie mit Kindern oder anderweitig möglichen Erben gesehen wurden. Ich dachte stehts, dass seine Sonderanfertigungen für seine Frau Layla waren, aber sie hat nur in die Familie hineingeheiratet und hat keine Waffenerfahrungen. Zu neugierig wollte ich auch nicht sein und habe da auch nicht weiter nachgefragt.

6:00 Uhr. Langsam merke ich wie die Spannung unter uns und den Chinesen steigt. Die werden unruhig und das gefällt mir wiederum nicht. Ich drehe mich zu meinen Jungs um mir sicher zu gehen, dass alles gut ist.
Ein Schuss ist alles was ich höre. Ein stechender Schmerz durchfährt meinen Körper und beim runtergucken wird sehe ich das Blut auf meinem weißen Hemd. Beim Umdrehen greife ich nach meiner Waffe, die hinten in meinem Hosenbund befestigt ist. Fünf gegen neun ist zwar unfair, aber es ist nichts, was wir nicht schaffen können.
Langsam nimmt die schwäche zu und spüre nur noch wie ich zusammensacke. Ein weiterer Blick zu den Jungs und ich sehe, dass alle Chinesen Tod sind. Dafür liebe ich diese Truppe, immer füreinander da und immer an meiner Seite.
Leon und Alec laufen auf mich zu und bringen mich stützen ins Auto auf die Rückbank. Vorne Mika und Miran die sich mal wieder streiten, wo wir lang müssen. Es gibt zwar nur eine Straße in diesem Wald die irgendwann im nirgendwo endet, aber wir sind von der Straße recht früh runter, um keinen weiteren Fahrern zu begegnen.
Ich spüre noch, wie Alec mein Hemd aufreißt und die Schusswunde zu inspizieren und langsam merke ich druck auf der Wunde unterhalb meines Tattoos. Das Tattoo der Mafia und das Familienwappen, ein Falke mit ausgestreckten Flügeln und stechend rote Augen. Ein Meisterwerk, was niemand außer unsere Mafiamitglieder trägt, mit dem einen Unterschied, dass deren Augen keine Farbe haben. Nur die Mitglieder der Familie haben die stechend roten Augen.
Langsam holt mich die schwäche ein und werde in die tiefe gezogen. Kann sein, dass ich viel Blut verloren habe. Kann sein, ich weiß es nicht. Im Hintergrund höre ich wie ein weiterer Motor aufheult, es ist aber nicht unserer. „Fahr dem Motorradfahrer hinterher. Er fährt hier abseits der Straßen mit so einer Geschwindigkeit rum, dass man denken könnte, dass er sich auskennt.", schreit Miran förmlich, „Aber mach das Licht vom Auto aus, nicht dass er auf andere Ideen kommt, wie uns weiter in den Wald ziehen und damit auch Lew verbluten lassen.", sagte er mittlerweile in einem ruhigeren Ton.
Das Auto setzt sich in Bewegung und ich bin dankbar für die Geschwindigkeit die wir fahren. Je schneller wir hinter dem her sind, desto früher kann ich hoffentlich medizinisch versorgt werden.
Wir fahren bereits seit guten 45 Minuten und langsam wird es echt schwer wach zu bleiben. Immer mal wieder bin ich in der vergangenen Zeit abgedriftet, aber die Schreie der Jungs holten mich immer wieder raus.
„Wie kann es sei, dass mitten in so einem Wald mehrere Villen Stehen? Die sind zwar nicht so groß wie unser Anwesen, aber wenn das alles nur einer Person gehört, dann ist es auf jeden Fall größer.", sagte Alec, was mir aber mittlerweile fast schon egal war, da ich einfach nur noch versorgt werden möchte und die Schmerzen fast unerträglich sind. „Ich sehe den Motorradfahrer nicht mehr. Er war doch eben noch da! Miran es ist nur, weil ich das Licht ausgemacht habe, damit du dem Motorradfahrer hinterhersabbern konntest.", motzt Mika Miran an. „Motz mich nicht an, guck!", sagte Mika und zeigt auf das zweite Haus, in dem noch Licht in einem Raum brannte. „Der Motorradfahrer ist jetzt egal, halte hier an und lass uns klingeln. Bitte lieber Gott, lass es jemand mit medizinischer Fachkenntnis sein.", sagte Leon.
Mika und Milan stürmen aus dem Auto um zu klingeln, wobei Leon und Alec mich zur Tür tragen. Milan, das was er unter uns ist, klingelt als ob sein Leben davon abhinge.
Die Tür wird aufgerissen und ein Mann mit braunen Haaren und grauen Augen steht vor uns. Er müsste ungefähr im alter meiner Eltern sein. Hoffentlich hat er Mitleid und hilft mir. Lange halte ich es nicht mehr aus. Ich schaue ihm ins Gesicht und sehe keine Emotion, nur eiserne Kälte. Okay vielleicht hilft er mir doch nicht. Hinter ihm tritt eine Frau hervor. Wahrscheinlich seine Frau. Sie schaut auf meine Wunde und entdeckt mein Tattoo, ihre Augen weiten sich. Aber nicht vor Angst wie bei sonst allen. Sie schein erstaunt zu sein mich zu sehen. Ihr Blick fällt wieder auf ihren Mann. „Jurij, mach keinen Aufstand! Wir müssen ihnen Helfen guck dir das Tattoo an.", sagte die Frau zu ihrem Mann und erst jetzt schaut er auf mein Tattoo. Die Jungs bekommen ein leichtes nicken von ihm und wir treten ein.
Schnell werde ich in den Essenssaal getragen und auf den Tisch gelegt, ich bekomme nur noch mit wie die Frau hin und her läuft um alle Sachen zur Versorgung der Wunde einsammelt und neben mir platziert. „Ich habe leider kein Morphium da Junge, ich hoffe du bleibst wach und bei mir.", sagte sie mir mit einem leichten lächeln, woraufhin ich einfach nur nicke.
Sie Fängt an die Kugel zu entfernen. Schreie vor Schmerzen, aber die Frau reagiert nicht, sondern behandelt mich weiter, als ob sie es Tag täglich macht. Ich muss sie später deswegen fragen.
Im Hintergrund bekomme ich das Bellen von Hunden mit, als ob sie mit mir vor Schmerz schreien würden. Oder die bellen, weil die Jungs wieder Mist gebaut haben.
„Die letzten zwei Stiche und du bist fertig. Ihr bleibt aber hier schlafen. Du hast viel Blut verloren und musst wieder zu Kräften kommen.", Jurij kommt in den Raum und flüstert seiner Frau etwas ins Ohr, woraufhin sie beruhigt aufblickt. Muss wohl eine gute Nachricht gewesen sein. „Du kannst ruhig die Augen schließen und schlafen. Ihr seht alle müde aus. Die Jungs sind eben auf dem Sofa eingeschlafen, nachdem mein Mann die Hunde weggebracht hatte." Und wie auf Kommando schließe ich meine Augen und versuche die Situation zu verarbeiten.
Ein Deal.
Ein Schuss.
Unbekannte die im Wald leben.
Eine Operation als ob es das tägliche Brot ist.
Und langsam lasse ich mich von der Dunkelheit einnehmen.

Im Auftrag Russlands - on hold Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt