38 - Harry

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Matts stechend heißer Atem verursachte überall an meinem zitternden Körper eine wohlig warme Gänsehaut, als seine hauchzarten Worte seine samtweichen Lippen verließen. Wie ein Echo setzte sich seine Bitte in meinem Kopf fest, wiederholte sich dabei stets, fast schon wie ein Mantra.

Tanz für mich. Sei so lieb. Sei so lieb und tanz für mich, ja?

Ich konnte meinen eigenen Gedanken nicht entfliehen, so intensiv fühlte es sich an. Und es war mir schlichtweg unmöglich, egal wie sehr ich es auch versuchte. Ein kontinuierliches Hämmern in meinem Kopf, welches stetig das Gleiche wiederholte. Sei so lieb und tanz für mich, ja? Oh und wie sehr ich ihm darauf antworten wollte! Doch noch war ich viel zu perplex und heillos mit der Situation überfordert. Mit weit aufgerissenen Augen und offen stehendem Mund, starrte ich Matt ungläubig an und registrierte nur minimal, wie er mich dezent am linken Arm berührte. Was sollte das nur? Warum wollte er auf einmal, dass ich für ihn tanzte? Warum?

«Harry?», flüsterte Matt und nahm resignierend seine Hand wieder weg von mir, als er merkte, dass ich nicht reagierte. «Ich dachte du würdest dich darüber freuen, aber anscheinend lag ich falsch. Tut mir leid, wenn ich dich am laufenden Band enttäusche. Und mach dir keine Gedanken mehr. Du bist mich hiermit für den Rest des Abends los. Ohne mich kannst du anscheinend ja wenigstens Spaß haben.»

Als Matt Anstalten machte wieder zu gehen, packte ich ihn am Arm und hielt ihn fest bei mir. Vielleicht war das eben nicht die Entschuldigung, die ich eigentlich hören wollte, doch es war immerhin ein Anfang. Auch wenn sich seine Worte ziemlich heftig anhörten. Ja, ich mochte etwas angepisst sein und das lag einzig und allein an ihm, aber wir hatten doch auch lustige und schöne Momente zusammen gehabt. Wie konnte er da nur denken, dass er mich fortweg enttäuschte?! Soweit hatte ich es ganz bestimmt nicht kommen lassen wollen! Dennoch musste ich sicher gehen, dass er es auch wirklich ernst meinte.

«Was soll das Ganze hier, Matt? Willst du mir damit irgendwas sagen?», provozierte ich ihn. Seinen Arm ließ ich daraufhin los, nur um ihn mit beiden Händen am Hemdkragen zu packen und ihn dicht an mich zu ziehen. «Und sag bloß nicht, dass das ein Zufall ist. Machen du und die anderen sich damit etwa lustig über mich? Hast du eine Wette verloren, bei der du mich dazu bringen sollst zu diesem Lied zu tanzen? Sag schon!»

Okay, ursprünglich hatte ich das gar nicht so heftig beabsichtigt, doch einmal in Fahrt gekommen, platzte nun all die angestaute Wut auf einmal aus mir heraus. Entlud sich ausgerechnet auf dem Mann, den ich eigentlich für mich gewinnen wollte. Wenn er sich jetzt genauso idiotisch verhielt, wie ich es getan hatte, dann konnte ich mir das nur selbst in die Schuhe schieben. So löste man definitiv keine Probleme!

Matt sah mich jedoch einfach nur total geschockt an. Er blinzelte mehrmals, bekam aber kein einziges Wort heraus. Um uns herum schienen mit einem Mal alle erstarrt zu sein, niemand tanzte mehr. Alle Blicke waren auf uns gerichtet, was mir gerade mehr als nur unangenehm war. Vorsichtig ließ ich Matt los und wich ein paar Schritte von ihm zurück. Ich wusste, dass es falsch von mir gewesen war, ihn so anzufahren. Aber wenn er jetzt wieder vor mir zurückwich und abhaute, wusste ich, was ich von ihm zu erwarten hatte.

Doch anstatt Gleiches mit Gleichem zu vergelten und mich ebenfalls patzig anzuschreien, schaute er lediglich beschämt zu Boden und murmelte ein geflüstertes «Sorry» in meine Richtung. Es brauchte einen Moment, indem ich damit beschäftigt war meine nächsten Worte gedanklich zu formulieren, doch letztendlich entschied ich mich für eine simplere und deutlich effektivere Waffe: ich nickte ihm lächelnd zu. Gab Matt damit stumm zu verstehen, dass ich ihm verzieh. Und ich meinte es auch tatsächlich so.

Es tat mir ja selbst unheimlich leid, was ich ihm alles vorgeworfen hatte und wenn ich ehrlich sein wollte, war es längst Zeit dafür, mich auch bei ihm zu entschuldigen. Ehe ich das jedoch tun konnte, hob er seinen Kopf und errötete, als er mich ebenfalls anlächelte. Es schien als ob er mir etwas sagen wollte, doch er rang sichtlich mit sich, was mir ein amüsiertes Schmunzeln entlockte. Matt sah süß aus, wenn er unsicher war – ein Zustand, den ich erstaunlicherweise bereits des Öfteren an ihm ausmachen konnte. Wenn es nach mir ginge, konnte er mich gerne immer so ansehen.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt