Kapitel 37

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AZRIEL

»Ich werde nicht sprechen, Schattensänger.« Paloma spuckte auf den Boden vor meinen Füßen. Ich kam nicht umhin, Blut darin zu erkennen. »Wenn du Antworten willst, frag den Kessel selbst. Ich sterbe mit diesem Geheimnis, wenn es sein muss.«

Ich sah sie noch kurz an. Ein Moment, in dem sie wie immer nur diesen eiskalten Blick in meine Richtung schleuderte. Paloma trug noch immer dieselbe Kleidung von dem Tag ihrer Verhaftung. Es war bereits eine Woche vergangen. Und weder die Kälte ihrer Zelle, noch diverse Androhungen hatten etwas gebracht. Rhysand hatte sie sogar foltern lassen.

Ich hatte nichts davon gewusst. Aber selbst wenn, ich hätte ihn nicht davon abgehalten.

Ich war wenn überhaupt nur verdammt angepisst, dass nicht ich derjenige war, der Paloma für all die Qualen folterte, die sie vermutlich Melany angetan hatte. Denn, auch wenn ich nicht genaueres wusste, musste es einen Grund dafür geben, wieso Melany abgehauen war. Wieso sie ihre Mutter so sehr hasste, dass sie ihre Existenz leugnete. Sogar vor mir.

»Azriel.« Rhysands Stimme erklang hinter mir. Paloma sah mich noch immer nicht an, doch ich würde nicht gehen, solange sie nicht einmal in meine Augen gesehen hatte. Ein einziger Blick würde schon ausreichen.

»Melany hatte Recht«, sagte ich leise und bedrohlich. Palomas Augenbrauen zog sich verärgert zusammen, und noch immer blickte sie auf den Boden. Ich ließ mich von ihrer Gleichgültigkeit nicht irritieren, sondern fuhr bloß fort. »In den Höhlen dieses Hofes befinden sich weitaus schlimmere Monster als in den Gefängnissen unter den Bergen.«

Paloma schnaubte auf. »Und sie ist die Tochter eines solchen Monsters. Was macht das wohl aus ihr?«

Ich schüttelte den Kopf. Ein Versuch, die hochkochende Wut am Ausbrechen zu hindern. »Azriel.« Rhysands Stimme klang verärgerter als vorhin. Und ungeduldiger.

Doch ich war noch nicht fertig. »Vielleicht ist Melany ein Monster. Aber weil sie meine Seelengefährtin und mir ebenbürtig ist, muss ich auch wohl eines sein.« Ich kam Paloma näher, die sich unter der Nähe winden wollte, aber mit starrem Blick an ihrer Fassung hielt. »Und glaub mir, Paloma«, ich zückte meinen Wahrsager und fuhr mit dessen Spitze über die dünne Haut unter ihrem Auge, das augenblicklich blutete, »dein Pech war es, dass du Melany nicht deine Augen vererbt hast. Denn sonst wäre mir folgendes sehr schwergefallen.«

Als der Wahrsager das Weiß ihres Augapfels streifte, wandte sie endlich den Blick an mich. Ich stoppte in meiner Bewegung und wartete geduldig. »Glaub mir Schattensänger, diese Augen haben mehr gesehen, als du dir ausmalen kannst. Ich bin so alt, ich könnte deine Großmutter sein. Du hast keine Ahnung-«

»Nein, du hast keine Ahnung Paloma. Weil diese Augen werden deine letzte Sorge sein, wenn ich mit dir fertig bin.«

Sie spuckte mir ins Gesicht und ließ sich rückwärts gegen ihr metallisches Bettgestell fallen. Sie wurde augenblicklich ohnmächtig als ihr Kopf an genau der richtigen Stelle getroffen wurde.

»Scheiße«, hörte ich hinter mir Rhysand sagen.

Ich starrte bloß die ohnmächtige Fae vor mir an, die in diesem Zustand Melany so ähnlich sah. Und doch so anders, doch so böse wirkte. Ich kniete noch immer, als mich Rhysands Faust an der Schulter traf. »Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, fuhr er mich böse an. »Ich habe dich gerufen, du hirnverbrannter Idiot!«

Ich wirbelte mit wütender Miene und kochendem Blut zu ihm herum und stieß ihn gegen die Brust, sodass Rhysand einen Schritt zurücktaumelte. Seine Augen weiteten sich vor Schock, bevor sich Wut ausbreitete. Die Wachen an den Türen sahen misstrauisch zu. »Verpiss dich, Rhys«, knurrte ich, ehe ich mich von ihm wegdrehte und einen Schritt zur Tür machte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 15, 2022 ⏰

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Der Ruf des SchattensängersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt