Ich bin wieder am Ende. Mir fließen heiße Tränen über mein Gesicht, als ich mich wieder durch die finale Krankenhausszene aus Lebe und denke nicht an Morgen quäle. Ich kann nicht mehr! Meine Gesichtsmaske ist an den Stellen, an denen meine Tränen hinabfließen, nicht mehr vorhanden. Gott, mein Herz brennt jedes Mal bei diesem Film! "Ich kann nicht mehr", schniefe ich. Ich muss abbrechen. Das ist zu viel für mich. An der Stelle, an der Chiya ans Bett kommt, beende ich den Film. Ich halte es sonst nicht mehr aus. Ich habe schon dort geweint, wo Priya die EKG-Auswertung in der Hand hält und verstummt schaut und auch dort, wo Aman dem Restaurant wieder auf die Beine hilft und alle ihn am Ende umarmen. Der Film tut mir nicht gut und doch liebe ich ihn zu sehr, um ihn zu meiden. Ich weine selbst beim Waschen meines Gesichts noch. Meine Augen sind rot sowie meine Nase. Ich sehe fürchterlich aus. Und warum klingelt es jetzt an meiner Tür? Ich habe nichts bestellt! "Oh Mann", murmele ich. Ein letztes Mal wische ich mir mein rotes Gesicht trocken und latsche dann schniefend zur Haustür, wo-, ach du Heiliger, was sucht mein Chef hier? Weg! Nur Gott weiß, was schneller eintritt: mein Kreischen oder das Zuknallen der Tür. Was will er hier? Darf er mich außerhalb der Firma kündigen? Gelten dann andere Regeln? Oh Gott! "Shirin, was ist passiert?" "Was wollen Sie von mir? Ich habe nichts Schlimmes getan!" Mein Herz rast!
"Machen Sie die Tür auf, Shirin." Nein! Ich drücke meinen Rücken so fest an die Tür, dass ich schon das Gefühl habe, eins mit ihr zu werden. Vielleicht hört er mein Herz durch die Tür klopfen. "Feuern Sie mich?" Ich höre ihn tief seufzen. "Nein", antwortet er dann gedämpft. Okay ... also gut. Ich mache jetzt die Tür auf. Nur muss ich einmal Luft holen. Ich öffne die Tür einen Spalt. Was sucht er hier? Muss er immer so gut aussehen? "Wieso weinen Sie?" "Warum sind Sie hier?", murmele ich. Meine Nase läuft und weil ich kein Taschentuch habe, wische ich es mir heimlich am verzierten Kragen meines orangen Hauskleids sauber. "Weil Sie Ihre Tupperwaren im Meetingraum vergessen haben und ich mit Ihnen sprechen muss." Nein. Oh Gott, ich werde abgemahnt. Er wird mich anschreien, weil ich mich zu komisch verhalte. Ich bin eine potenzielle Kundenscheuche. Oh Mann, ich hatte Hoffnungen, dass mein neuer Chef nicht wie mein alter Chef sein wird. Nur widerwillig öffne ich für ihn die Tür. Gott, ich habe nicht aufgeräumt. Er ist zu groß für meine Wohnung. Das passt nicht. Er passt nicht. Alles passt nicht. Das wird mir zu viel. Ich muss fliehen. "Wir sehen uns gleich in der Küche." Damit reiße ich ihm die Tupperwaren aus der Hand und renne in die Küche, wische schnell über Tisch und Theke und schon kann ich so tun, als würde mein Blutdruck nicht bei ungefähr 170 zu 90 liegen. Alles ist gut. Sehr gut. Total gut. Ich bin entspannt. Sehr entspannt. Tiefenentspannt ... nur mache ich mir fast in die Hosen, als ich seine Schritte höre. Ich will schon fast nach einem Messer greifen, entscheide mich aber, meine Nasenspitze angespannt zu kratzen und mich halb zu erschrecken, als ich seine Statur in der offenen Küche sehe.
"Hallo", murmele ich. Wieso schaut er sich um? Er wird nichts finden. Der Fernseher ist aus und ich habe keine Snacks gegessen, weil ich noch voll bin. "Befindet sich noch jemand hier in der Wohnung?" Die Frage verneine ich kopfschüttelnd. "Warum weinen Sie dann?" So nachdenklich wie sich seine Augenbrauen zusammenziehen, könnte man meinen, er sorgt sich um mich. Ich bin schon emotional geladen. Das brauche ich gerade echt nicht. "Ach", setze ich schniefend an und schaue zu meiner braunen Ledercouch. "Ich habe einen Bollywoodfilm geguckt und dann konnte ich mich nicht mehr halten." "Einen Bollywoodfilm?", wiederholt er ungläubig. Hat er noch nie einen gesehen, dass er nicht versteht, was so ein Film in einem auslösen kann? Gott, wenn ich schon gewisse Melodien höre, fange ich an zu weinen. "Ja", krächze ich. Gleich beginne ich wieder zu weinen. Noch habe ich mich nicht beruhigt. "Haben Sie noch nie einen Film mit Shah Rukh Khan geguckt?" "Als Kind, aber seitdem nicht mehr." "Sie armer Mann. Ihr Leben ist durch Ihren Kaffee bitter genug. Sorgen Sie für ausreichend Abwechslung", schniefe ich. So langsam brauche ich wirklich ein Taschentuch. Ich latsche zu meinem schwarzen Couchtisch, reiße mir ein Taschentuch aus der Box und schnäuze mein Leben raus. Jetzt kann ich wenigstens wieder atmen - und ich rieche seinen tollen Duft!
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Tollpatschige Liebe
RomanceShirin ist auf dem Weg einen neuen Abschnitt in ihrem Leben zu beginnen. Weg aus der Kleinstadt, welche man schon als Dorf bezeichnen kann. Mit ihren 25 Jahren ist Shirin bereit für die Großstadt und will in einem Unternehmen tätig werden. Sie ist v...