Stella | 26

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Ich höre was er sagt, doch ich verstehe es nicht.

Mühevoll versuche ich die Augen richtig zu öffnen, aber sie gehorchen mir nicht. Wie ein Schleier der über ihnen hängt verhüllen sie Caspian's Gesicht, das direkt vor mir ist. Nur schemenhaft erkenne ich die feinen Umrisse.

"Was?", murmle ich und versuche erneut mich aufzurappeln. Meine Beine sind alles andere als standhaft, knicken immer wieder ein. "Was meinst du damit?"

Caspian's Hand legt sich um meine Taille. Die Berührung ist sanft und vorsichtig, so als möchte er mich nicht noch weiter verschrecken. Er stabilisiert mich soweit, daß ich halbwegs gerade stehen kann.

"Du bist in Sicherheit, Stella.", wiederholt er seine Worte, doch diesmal liegt in ihnen so etwas wie... Zweifel?
Nervös taste ich alles um mich herum ab. Die Wände sind kalt und rau, meine Sicht noch immer wie vernebelt.

"Was hast du mit mir gemacht?", jammere ich, versuche vergebens ruhig zu bleiben. Ich weiß nicht wo ich bin oder wieso ich hier bin und die Ungewissheit, gepaart mit der verschwommenen Sicht machen mir Angst.

Sobald er meine Taille etwas los lässt, spüre ich wie meine Beine nachgeben. Gerade noch rechtzeitig kann er meinen Sturz abfedern. Er murmelt etwas undeutliches vor sich hin, schnaubt dann laut und hebt mich hoch.

"Kannst du... Dich festhalten?", fragt er laut und deutlich, so daß auch ich es verstehen kann... Also nicke ich, oder glaube zumindest es zu tun, und lege dann meine Arme um seinen Hals.

Caspian setzt sich umgehend in Bewegung, trägt mich fort. Wohin weiß ich nicht. Das einzige was ich weiß ist, daß ich gegen den Nebelscheier der mich und meine Sicht einschränkt ankämpfen muss, doch meine Augen werden sekündlich schwächer. Bevor ich überhaupt realisieren kann was vor sich geht, drifte ich wieder weg. Einzig das laute knurren von Caspian höre ich noch, dann wird es still um mich herum.

/

Als ich auf wache ist meine Sicht klarer. Der Raum in dem ich bin ist hell und freundlich, das Fenster sogar geöffnet sodass ich das Gezwitscher der Vögel hören kann. Caspian steht davor, hat sein Jackett abgelegt und die Ärmel seines weißen Hemdes hoch gekrämpelt. Er wirkt nachdenklich und weit entfernt doch sobald ich auch nur einen Mucks von mir gebe, dreht er sich zu mir herum.

"Da bist du ja wieder.", flüstert er. Sein Kiefer mahlt, seine Augen wirken kalt. "Ich hatte schon Sorge das Fly dich komplett aus dem Leben geschossen hat. Die Dosis war wohl zu hoch."

Mühsam richte ich mich etwas auf, stelle fest das ich nicht angekettet bin und die Tür sogar einen Spalt offen steht. Doch all das rückt in den Hintergrund als ich langsam begreife was geschehen ist. Was er getan hat.

"Du hast mich unter Drogen gesetzt?"

Mein Ton ist beabsichtigt scharf. Er hat es erneut geschafft die Lage noch zu verschlimmern, obwohl ich gelegentlich gedacht habe, daß es gar nicht mehr schlimmer geht. Es macht mich derart wütend, daß ich die Decke von meinem Körper werfe, dann feststelle das ich noch vollständig bekleidet bin, was mich zögern lässt. Als er es bemerkt hebt er genervt eine Augenbraue.

"Ich hab dich nicht angerührt. Das ist nicht mein Stil. Also pack den 'Vergewaltiger Stempel' wieder ein.", knurrt er mir entgegen. Es ist, als könnte er meine Gedanken lesen.

"Oh wow. Willst du einen Preis, Caspian? Du hast mich zwar nicht vergewaltigt und geschändet während ich weg getreten war, aber macht dich das weniger kriminell? In Anbetracht dessen, was du sonst so getrieben hast?"

Seine Augen verengen sich, genauso wie meine. Er sagt nichts als ich aus dem Bett steige. Ich will so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen.

"Du bist doch irre. Ein absoluter Psychopath. Und jetzt erzähl mir verdammt nochmal was du dir dabei gedacht hast!"

Das ich schreie ist gewiss nicht förderlich, aber ich kann nicht anders. Die Wut in mir nimmt ganz neue Höhen an, als ich ihn aus sicherer Entfernung verächtlich anschaue. Er ist ein Monster und er weiß es... Aber viel schlimmer ist, daß es ihm offenbar nichts ausmacht eines zu sein.

"Beruhig dich, Stella.", versucht er mich zu beschwichtigen, doch es zieht nicht. Nicht mehr. Ich bin außer mir vor Zorn und die Situation ist nur einen Satz davon entfernt vollständig zu eskalieren.

"WO BIN ICH? WAS MACHE ICH HIER? ANTWORTE!!!"

Caspian beobachtet mich. Er macht keine Anstalten auf mich zu zu kommen oder meine Fragen zu beantworten, stattdessen liegt sein wachsamer Blick auf mir. Nichts von alledem ergibt Sinn.

Als weitere Minuten verstreichen und er immer noch nichts sagt, beginne ich damit das Zimmer genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist auf den ersten Blick vollständig möbliert, verschiedene Dekorationen stehen hier und da auf Regalen und Schränken.

Schlechte Idee, ganz schlechte Idee...

Das erst beste was ich greifen kann werfe ich. Es folgen weitere Dinge wie Figuren, Schmuckkästchen und Kerzenständer. Ich verfehle jedes Mal mein Ziel, weil Caspian sich vorausschauend bewegt, doch das letzte Teil das ich werfe - eine große Vase - trifft ihn. Das Porzellan zerschellt und das Wasser darin verteilt sich auf seinem Hemd.

"Ich hasse dich! Hörst du? Ich hasse dich! Du bist ein krankes Schwein!"

Endlich regt sich etwas an ihm. Mit einem Griff an seinen Rücken offenbart er die Waffe die er bei sich trägt und die ich offenkundig vorher nicht gesehen habe. Er überprüft sie noch einmal, ehe er sie achtlos aufs Bett wirft - in meine Richtung - und mich dabei weiterhin ansieht.

"Beende es. Entsichere die Waffe und schieß.", flüstert er.

Mit dieser Reaktion habe ich nicht gerechnet... Und so wie er schaut hat er das auch sicher nicht geplant. Ich befürchte allerdings, daß die Waffe nicht geladen und dass das ganze ein Trick ist. Trotzdem gleitet meine Hand automatisch in die Richtung der Waffe. Mit zittrigen Händen nehme ich sie an mich, ziele auf Caspian.
Erst jetzt setzt er sich Bewegung und bleibt vor mir stehen. Der Lauf der Waffe drückt sich in seinen Brustkorb.

"Na los. Schieß. Ich kann dir nicht geben was du brauchst. Oder was du willst. Also erschieß das Monster das dich gefangen hält. Da draußen bist du ein leichtes Ziel, aber ich bin sicher du schaffst es."

Der letzte Satz lässt mich innehalten. Ich halte es nicht für einen Trick denn dafür ist er viel zu ernst. Das leise klicken der Waffe offenbart, das sie schussbereit ist.

Dabei habe ich keine Ahnung was ich überhaupt tue. Ich habe noch nie auf jemanden geschossen, jemanden getötet. Ich bin noch nie in einer solchen Lage gewesen das ich darüber überhaupt nachgedacht habe das Leben eines anderen zu beenden.

Langsam lasse ich die Waffe sinken, versichere mich aber selbst das sie wieder gesichert ist. Mein Blick bleibt an Caspian's Augen haften, die mich immer noch sehr wachsam beobachten.
Auch wenn er mir unsägliches angetan hat beschleicht mich das Gefühl das er mich schützen will. Vor wem oder was?

Mein Herz pocht so schnell, daß ich den Herzschlag sogar auf meiner Zunge spüren kann. Die kleine Lücke zwischen Caspian und mir schließe ich. Alles andere ist ausgeblendet, weit entfernt.
Das feuchte Hemd klebt an seiner Haut, lässt die Muskeln darunter deutlich hervor treten... Es ist krank, fast schon wie das Stockholm Syndrom, aber ich bin dem was von ihm ausgeht fast gänzlich erlegen.
Meine Hand wandert seinen Brustkorb entlang, als wäre sie auf Entdeckungsreise.

"Warum, Cas? Warum schützt du mich?", flüstere ich.

Ein leichtes Lächeln gleitet über seine Züge.

"Ich kann nicht anders, Stella."

Die karge Antwort genügt mir zwar nicht, doch für den Moment muss sie das. Ich will herausfinden was vor sich geht, was er im Schilde führt. Aber vor allem muss ich wissen, wer es auf mich abgesehen hat.

Caspian - Son of Devil Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt