“What if you slept
and what if in your sleep
you dreamed
and what if
in your dream
you went to heaven
and there plucked a strange
and beautiful flower
and what if
when you awoke
you held that flower in your hand?
Ah, and what then?”
-Samuel Taylor Coleridge
Stille.
Du beobachtest das orange leuchtende Rechteck um die Schrift „Erdgeschoss“. Ich stupse dich mit meinem Fuß an. Du reagierst nicht. Übertrieben enttäuscht seufze ich. Du ignorierst mich.
„Wie du meinst.“
„Was?“ Verwirrt blinzelt Mira in meine Richtung.
„Nichts.“ Ich lächle und für einen kurzen Moment lächelst auch du.
„Ach, lass mich doch einfach schlafen.“ Sie schließt die Augen und lehnt ihren Kopf gegen den Spiegel an der Wand hinter ihr.
Ich schnipse mit den Fingern vor ihrem Gesicht. „Nein.“
„Doch.“ Murmelt sie.
„Deine Cousine heiratet, du kannst jetzt nicht schlafen.“
„Doch.“ Ihre Stimme klingt apathisch. Sie hielt demonstrativ die Augen geschlossen. „Das schafft sie auch ohne mich.“
„Wir aber nicht.“ Ich warf dir einen Seitenblick zu.
„Wir?“ Fragte sie leise und sah durch dich hindurch.
Doch ehe ich etwas erwidern kann, öffnen sich die Aufzugtüren.
Sie tastet nach dem Tür-schließen-Knopf, verfehlt ihn aber, weil sie die Augen noch immer geschlossen hat. Ich schiebe sie wortwörtlich aus dem Aufzug, während du teilnahmslos neben der Treppe wartest. Ich will ein Kommentar von wegen, du hättest mir gerne helfen können, abgeben, doch dein Blick lässt mich meinen abwenden. Manchmal ist es besser, zu schweigen, sage ich mir.
Ich sehe sie an. Die schwarzen Ringe unter ihren Augen waren deutlicher, denn je zu erkennen. Sie sieht mich mit diesem müden Blick an, den ich nicht deuten kann.
„Warum?“ Ihre Stimme klingt verzweifelt. Bitter. Zerbrechlich. Doch ich verstehe die Frage nicht.
„Warum?“
„Warum was?“ Meine Finger zupfen an einem braunen Grashalm herum.
Wir sind neun. Miras Mutter mag dich nicht besonders, doch nachdem sie sie drei Tage lang ununterbrochen danach fragte, durftest du mitkommen. Die ganze Zeit über sitzt sie auf einer Holzbank, ein paar Meter von uns entfernt und blättert in einem Buch mit Blumencover. Jedes Mal, wenn wir zu laut lachen, wirft sie uns einen bösen Blick zu und wir verstummen.
Ich denke, du hast Angst vor ihr.
„Warum hast du diese Blume gepflückt?“ Mira sieht dich fragend mit einem kurzen Blick zu ihrer Mutter an. „Du weißt doch, dass wir das nicht dürfen.“
„Nicht?“ Du streichst über die Blütenblätter. Du weißt nicht, dass es eine Ringelblume ist. Doch du denkst, dass sie aussieht, wie die Blume auf dem Buchcover.
Zeitgleich flüstern Mira und ich: „Nein.“
Du starrst uns mit aufgerissenen Augen an. Eine einzelne dünne Haarlocke fällt über dein Auge. Sie irritiert dich. Du beginnst zu blinzeln, als wärst du verrückt geworden. Ich strecke meine Hand aus.
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Ringelblumenblüten
Short StoryBlütenblätter auf Marmorboden. Eine Kindheitserinnerung, die in Sepia getaucht meine Version der Vergangenheit abspielt. Und ein Wort, das ich nicht aussprechen kann. Deinen Namen.