Isabelle schob den Einkaufswagen, während Katja diesen befüllte.
Ihre Freundin hatte ihr abgeraten, erneut die Flucht anzutreten. Dennoch hatte sie Panik, dass jetzt wo die Jungs wieder in Berlin waren, sie Dag über den Weg laufen würde, oder er abermals bei ihr zu Hause vor der Tür stehen könnte.
Gestern hatte sie Bruno und Erik kennengelernt. Hannahs Söhne.
Es war ein seltsames Gefühl für sie. Mittlerweile hatte Isabelle gelernt, mit ihrem Verlust umzugehen, auch wenn sie Rio immer noch schmerzlich vermisste. Damals war es wie eine schlimme Wunde, die so extrem schmerzte, dass sie dachte, sie würde jeden Moment selber daran sterben. Heute war diese Verletzung konstant da und tat immer noch weh, sobald sie damit in Berührung kam. Aber Hannah zuliebe hatte sie die ganze Zeit über gelächelt.
»Ist doch nicht normal.« , meinte Katja, die zu ihr kam. »Die haben keine Pocky Sticks. Nur diese Pocky Matcha und die mag Vincent nicht.«
»Wird er schon verkraften.«
»Nein. Als die zwei gestern kamen, hatte er so Hunger drauf. Ich hab' ihm versprochen, das ich heute welche hole.«
»Ist ja nicht der einzige Laden in Berlin. Dann musst du wohl noch welche ...« Ihre Mimik veränderte sich, als sie geradeaus zu dem Gang mit den Süßigkeiten blickte. Sofort schweifte ihr Blick umher.
Katja tat dieselbe Bewegung. »Was ist los?«
»Sie ist hier.« , antwortete Isabelle und zeigte mit ihren Augen hinter ihre Freundin.
Seitdem sie wusste, dass Carla in ihrer Nähe wohnte, ging sie nur noch weit entfernter einkaufen. Allein mit der Hoffnung, dass genau das hier nie geschehen würde.
Sofort sah Katja ebenso umher.
Eine junge Frau mit einem deutlich sichtbaren Gesichtstattoo und einer grünen Baskenmütze ging zu Carla und die beiden unterhielten sich. Kein Dag war in Sicht. Trotzdem war Isabelle nicht erpicht darauf sie zu treffen, weshalb sie auch rückwärts in einen Gang hineinging, mit der Hoffnung, dass sie somit nicht in ihrem Blickfeld sein würde.
»Ich habe diese Frau vorher noch nie in meinem Leben gesehen. Wieso muss sie mir jetzt öfters Mal über den Weg laufen?«
»Also erstens, so oft war es ja bisher nicht und zweitens, du hast Carla bestimmt schonmal gesehen, nur halt nie auf sie geachtet.«
»Ich kotze gleich.«
»Du kotzt nicht.«
»Doch. Wenn er jetzt auch noch hier ist, dann ...«
»Er ist nicht hier.« Hoffte sie zumindest. Dag hatte, nachdem Robin sich bei Nia eingenistet hatte, bei ihnen geschlafen. Vincent hielt es für das Beste, damit sein bester Freund nicht alleine die Tage verbringen musste.
Heute Morgen war er zum Parkour gegangen. Das hatte er jedenfalls gesagt und Katja war zuversichtlich, dass es wirklich sein Jumping Schnickschnack war und es kein Code-Wort für Bett-Akrobatik mit Carla sein sollte.
Da Vincent die komplette Nacht über, wo die Blondine eigentlich auf Matratzensport gehofft hatte, damit beschäftigt war, das Leid seines Freundes begreiflicher ihr gegenüber zu machen, war sie im Verhältnis dazu ein wenig optimistischer eingestellt.
Und dennoch hatte Katja noch nicht vor mit Isabelle darüber zu reden.
»Woher willst du das wissen?« , fragte ihre Freundin, während sie weiterhin den Einkaufswagen vor sich hielt.
Sie überlegte. Sie konnte ihr nicht sagen, dass er zurzeit bei ihnen hauste, weil dann hätte Isabelle weiter nachgehorcht und somit erfahren, dass er und Carla gar nicht mehr zusammen waren.
Natürlich würde sie es früher oder später erfahren, aber Katja hatte immer noch minimal Panik, dass er rückfällig werden würde. Wie ein Junkie, dem seine Lieblingssubstanz vors Auge gehalten wurde.
»Boah, nicht dein Ernst!« , stöhnte plötzlich Carla auf, als sie in genau diesen Gang mit Leni hineinkam.
»Was is'?« , fragte ihre Freundin.
»Das ist Dags Ex.« , sprach sie extralaut, aber immer noch so, als wäre Isabelle gar nicht anwesend.
Leni betrachtete erst Katja, dann die richtige Frau, die bereits hektische Flecken bekam vor lauter Aufregung. »Scheiß drauf.« , sagte sie schließlich und zog an Carlas Arm.
Diese taxierte Isabelle abwertend von Kopf bis Fuß. »Du hast Recht. Hat nur seinen wahren Charakter gezeigt, wenn er Müll bevorzugt.«
»Hey.« , sprach Katja. »Lass mal dein Kindergarten-Niveau und geh' mit Stolz weiter, statt Menschen zu beleidigen.«
»Ich entwürdige, wen immer ich will.« Sie sah wieder zu Isabelle. »Weißt du, was ich hoffe. Das er noch ein paar Weiber auf seiner Tournee bumst und dir irgend'ne Geschlechtskrankheit schenkt. Was anderes hast du gar nicht verdient.«
»Sprach jene, die sich zuerst an ihn rangemacht hat.« , entgegnete Katja. »Schlimm, wenn man die eigene Medizin schluckt wa'?!«
»Warte. Was?« , kam nun aus Isabelle heraus. »Du ... du weißt es?«
»Was? Das du mit ihm gevögelt hast?« Sie trat nun näher an sie heran. »Natürlich weiß ich es. Ich bin nicht du, die er Monate lang belügt. Merk' dir das.«
Leni zog erneut an ihr. »Lass uns gehen. Auf deren Level musst du dich nicht runterziehen lassen.«
Katja lachte abfällig. »Tiefer als deine Freundin geht es gar nicht, Luigi.«
»Wie hast du mich gerade genannt?«
Sie wollte gerade etwas erwähnen, als sie sah wie Isabelle leicht durcheinander von dannen schritt. Dabei ließ sie den Wagen einfach stehen.
Ohne weiter auf Leni einzugehen, lief Katja ihrer Freundin hinterher, die sich schwankend Richtung Ausgang bewegte. Während Isabelle so hinauskonnte, wurde die Blondine festgehalten, weil sie noch ein Glas Nutella in den Händen hielt, als sie ebenso das Geschäft verlassen wollte. »Boah, du siehst doch, das es keine Absicht war, du Honk.« , meckerte sie die Verkäuferin an. »Wenn ich hätte klauen wollen, hättest du es gar nicht mitbekommen.« Sie schob der Frau das Nutellaglas rüber und rannte letztendlich hinaus.
»Er hat sich getrennt?« Isabelle blieb genau an der Straße stehen. Natürlich hatte Carla dies nicht explizit geäußert, aber ihr Umgangston erklärte alles.
»Ja.« , antwortete Katja leise und drehte sich nochmal um, um sich zu vergewissern, dass keine Verkäuferin und auch keine Verflossene von Dag nach draußen trat.
»Du wusstest es?!« Während sie vorher, wie in Trance geradeaus gesehen hatte, drehte sie sich nun in ihre Richtung und blickte sie an.
»Ja, aber ...«
»Nein, kein aber ... du kannst mir nicht immer Sachen verschweigen.«
»Ich meine es doch nur gut.«
»Er war bei mir Katja. Er wollte reden.«
»Ich weiß es.«
»Du hast mir damit nicht geholfen.«
»Du willst mit ihm reden? Fein. Komm mit. Er pennt eh bei uns.« Isabelle blieb stehen, als Katja sie mit sich ziehen wollte. »Siehst du. Du bist dir doch gar nicht sicher, ob er ihr auch wirklich fernbleibt, und deswegen stockst du auch gerade.«
Isabelle schüttelte den Kopf. »Nein, ich ... ich weiß nicht, ob ... ich ... ich kann's nicht erklären.«
»Versuch es.«
»Was ist ... was ist, wenn die Angst ihn nochmal zu verlieren größer ist?«
»Ich denke, du solltest das tun, was du für richtig hältst ... und was das Beste für dich ist.«
»Und wenn ich das nicht weiß?«
»Die Zeit solltest du dir nehmen.«
»Und wenn ich keine Zeit habe? Wenn er sich dann die Nächste nimmt?«
»Ich glaube, wenn dem so ist, dann hast du deine Antwort auf deine Frage erhalten.«
Isabelle nickte leicht, während ihr Magen sich zusammenzog.
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Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)
FanficBAND 3 »Ich will keinen Streit mit dir. Ich will das wir uns beide wie erwachsene Menschen verhalten und ...« »Ich verhalte mich erwachsen oder siehst du, das ich gerade kindisch bin?« , sprach Carla. »Ich weiß, das zwischen uns mehr ist und ich geb...