45 - Matt

97 12 3
                                    

Seufzend schlich ich mit hängenden Schultern und einem halbvollen Essenstablett in Richtung der Dreiergruppe, die Harry alleine gelassen hatte. So sehr ich diese Mahlzeit wohl auch brauchte, so wenig Appetit kam bei mir auf. Lustlos stocherte ich immer wieder auf die Nudeln vor mir ein, während meine Gedanken mal wieder auf Wandertour waren.

Heute Nachmittag stand ein weiteres Meeting an, in dem die ersten konkreten Szenen für die Pilotfolge besprochen werden sollten. Zudem würden wir das überarbeitete Skript bekommen, welches wir uns innerhalb kürzester Zeit einprägen mussten. Im Nachhinein war ich froh, dass meine Rolle nicht gerade die gesprächigste war. Mit Mimik und Gestik konnte ich sowieso viel mehr überzeugen und ich hoffte, dass das auch vor der Kamera so rüber kommen würde. Vor allem wenn schon bald auch Szenen zwischen Harry und mir vorkamen.

Während ich weiter darüber grübelte, ob es von Vor- oder Nachteil war, mein Privatleben in den Beruf mit einzubeziehen, bekam ich gar nicht mit, wie plötzlich die Gespräche um mich herum verebbten. Ein Räuspern sowie das wiederholte Rufen meines Namens ließ mich schließlich verwirrt aufsehen. Lächelnde Gesichter blickten mich an und wollten mir stumm mitteilen, dass ich wohl soeben angesprochen wurde, dies aber dank meiner Tagträumereien mal wieder nicht mitbekommen hatte.

«Ich sags euch Leute, die beiden haben echt was am Laufen. Kaum dass sie voneinander getrennt sind, kapseln sie sich von uns ab und verschwinden in ihre Traumwelt, von wo aus sie heimlich nach dem jeweils anderen schmachten. Einfach ekelhaft wie abhängig die sich schon voneinander gemacht haben.»

Dominic hatte seinen letzten Satz mit einem gespielt angewiderten Gesicht untermalt, wofür er direkt einen leichten Schlag auf den Hinterkopf von Emeraude kassiert hatte. Diese hatte ihm maulend etwas zugeflüstert, was sich jedoch meiner Erkenntnis entzog. Um ehrlich zu sein war es mir auch vollkommen egal, ebenso wie Doms Vermutung, mit der er sowas von ins Schwarze getroffen hatte.

«Vergiss was Dom eben gesagt hat», versuchte Kat mich aufzumuntern und warf mir dabei ein ehrlich gemeintes Lächeln zu, welches ich nur dezent erwidern konnte. Nach Lachen war mir gerade absolut nicht zumute. Ich fühlte mich einfach nur ausgelaugt und müde. Meine Knochen schienen wie auch der sämtliche Rest meines Körpers, unter ständiger Anspannung zu stehen. Der Wunsch nach einem warmen, weichen Bett drängte sich in den Vordergrund meiner Gedanken, die sofort um ein Bild von Harry ergänzt wurden. Von einem nackten Harry um genau zu sein.

«Dir scheint es ja echt gerade nicht gut zu gehen», teilte mir nun auch Alberto mit einem mitfühlendem Blick seine Fürsorge mit. Da er direkt zu meiner linken saß, legte er mir beruhigend seine rechte Hand auf die Schulter. Unschlüssig sah ich ihn an und überlegte, was und wie viel ich den anderen preisgeben konnte. Sicherlich war es auch in Harrys Interesse, dass wir unser kleines Abenteuer erstmal für uns behielten.

«Ich bin einfach nur etwas erschöpft und müde. Nichts was eine ausgiebige Dusche und ausreichend viel Schlaf nicht regeln könnten. Morgen wirds mir dann schon eindeutig wieder besser gehen. Keine Sorge.»

Mithilfe eines aufgesetzten Lächelns schaffte ich es die anderen wenigstens für den Moment zu beruhigen, sodass ich fürs Erste in Ruhe gelassen wurde. Ich hörte den darauffolgenden Gesprächen nur vage zu, war ich doch stattdessen damit beschäftigt, zumindest ein bisschen was von der Portion Penne all' arrabbiata herunterzuschlingen. Das Essen an sich schmeckte zwar hervorragend, aber die Sorgen und Gedanken, die mit Harrys Abwesenheit einhergingen, verdarben mir doch zunehmend den Appetit. Als ich etwa die Hälfte erfolgreich verspeist hatte, schob ich resignierend den Teller zur Seite und trank die letzten Reste meines Wassers in einem Zug aus.

«Was haltet ihr eigentlich davon, wenn wir den Abend heute gemütlich in einer Kneipe ausklingen lassen? Wir müssen ja nicht so lange machen wie gestern», fragte Al mitten in die Runde, als sich jeder gerade einen Moment für sich genommen und die damit einhergehende kurze Stille genossen hatte.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt