Nur ein Kuss

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Ihre Sicht:
Wütend blickte ich ihm in die grünen Augen. Vorhin war doch noch alles gut gewesen, aber jetzt? Musste er immer so ein verdammtes Arschloch sein?

,,Jetzt komm mal wieder runter, ich hab dir noch nur gesagt, dass du mit dem Hut scheiße aussiehst!", rief er in einem genervten Ton und verdrehte die Augen.
,,Ja aber es hat mich verletzt!", warf ich ihm wütend an den Kopf.

Es war Nachmittag und wir waren die einzigen die um diese Zeit noch im Klassenzimmer herumlungerten. Die Sonne schien durch die etwas verschmutzten Fensterscheiben und tauchte den Raum in warmes Licht. Bis vorhin war für mich der Tag noch wunderschön gewesen, ich saß an meinem Platz am Fenster und hatte gelesen und aus dem Fenster geschaut. Als dann das Arschloch rein kam hatten wir uns ein bisschen unterhalten, doch schnell artete es zu einer Diskussion aus, irgendwas über Planeten. Mitten in der Diskussion sagte er mir dann, dass ich mit dem Hut, den ich mir von meiner Freundin ausgeliehen und auf den Kopf gesetzt hatte, scheiße aussehen würde.
,,Entschuldige, dass du so empfindlich bist", er hob abwehrend die Hände hoch und verstand den Punkt einfach nicht. Diese Tatsache verletzte mich noch mehr.
Ich war seit mehreren Jahren in ihn verliebt und so oft kamen solche Kommentare, die mein Herz immer wieder brachen, doch noch nie hatte er es nur ansatzweise bemerkt und sich dafür entschuldigt. Ich merkte wie Tränen in mir aufstiegen und ich schaute auf den Boden damit er meine glänzenden Augen nicht sehen konnte.
,,Ach, Vergiss es einfach", sagte ich leise und wollte mich an ihm vorbei zur Tür schieben, doch er hielt mich fest.
,,Warte", sagte er leise und zog mich sanft am Arm zurück.

Seine Sicht:
Verletzt ging sie in Richtung Tür. Schnell fasste ich ihren Arm und zog sie so sanft wie möglich zurück. Stur schaute sie zu Boden und erwartete wahrscheinlich, dass ich etwas sagen würde, doch mein Mund war schlagartig staub Trocken und ich bekam kein Wort raus. Sie war der wunderschönste Mensch den ich je in meinem Leben begegnet bin, Innen wie Außen und trotzdem verhielt ich mich so scheiße ihr gegenüber, weil ich wahrscheinlich gar nicht wahr haben wollte was ich für sie empfand.
Ich ließ meine Hand vorsichtig unter ihr Kinn fahren und schob es soweit nach oben, bis sie mir in die Augen schaute. Ich sah die Tränen in ihren Augen und hasste mich augenblicklich noch mehr.
,,Lass das!", sagte sie nach wenigen Sekunden, in denen wir uns stumm angeschaut hatten. Sie schlug meine Hand von ihrem Kinn und drehte sich weg.
,,Hör zu", sagte ich schnell, ,,es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen...Eigentlich noch nie, aber", ich holte kurz Luft, ,,trotzdem tu ich es jedes Mal wieder und das hast du einfach nicht verdient...".
,,Schön, dass das der Herr auch mal begriffen hat!!", keifte sie mich an, während sie sich zu mir umdrehte und mich mit Hass erfüllten Augen ansah. Der Schmerz den ich in ihnen sehen konnte, war für mich wie ein schlag ins Gesicht, doch ich wollte mich nicht in die Opferrolle hineinversetzen, nicht jetzt.
,,Ja, ich habe es begriffen und du hast jedes Recht der Welt um auf mich sauer zu sein aber...Hör dir bitte nur kurz an was ich zu sagen habe, danach lass ich dich in ruhe...versprochen" schob ich leise hinterher. Stumm schaute sie zu mir auf, was mir das Zeichen gab los zu sprechen.

Ihre Sicht:
Stumm blickte ich zu ihm auf um ihm zu zeigen, dass ich ihn anhören würde. Ich wollte nicht das Drama wie in diesen Filmen wo die Hauptprotagonisten sich gegenseitig nie ausreden ließen und dann bis kurz vor Ende alles auf ein Missverständnis basierte.
,,Ich habe das alles nur getan", fing er langsam an und machte eine kurze Pause um sich für die anstehenden Worte zu sammeln, ,,weil ich die ganze Zeit nicht wahr haben wollte, was ich eigentlich für dich empfinde."
In meinem Kopf begann es zu rattern, doch so sehr ich mich auch anstrengte, ich verstand nicht ganz was er mir damit sagen wollte.
,,Was meinst du damit?" fragte ich verständnislos und schaute ihm forschend ins Gesicht.
,,Es bedeutet", antwortete er mit sichtlich großer Mühe, ,,dass ich dich mag...und zwar sehr."
Es brauchte eine Weile bis seine Worte richtig bei mir ankamen. Als es in meinem Kopf endlich klick machte, stockte mir der Atem. Mein Kopf fing an zu schwirren. Ich taumelte ein paar Schritte rückwärts um an einem der ausrangierten Holztische halt zu finden.
Hatte ich geträumt? Was war passiert? Alles fühlte sich mit einem mal so unwirklich an, wie ein Traum aus dem ich jeden Moment erwachen würde, doch ich erwachte nicht.
Stattdessen dachte ich fieberhaft nach, was jetzt passieren würde. Würde er gehen? Würde er wütend aus dem Raum rennen, weil ich einfach keine Antwort auf sein Geständnis fand?
Nein. Vorsichtig kam er einen Schritt auf mich zu, immer darauf bedacht ob ich seine Nähe zuließ oder nicht. Als er dann dich vor mir stand, nahm er mich zu meiner Überraschung...in den Arm.

Seine Sicht:
Mit Herzrasen kam ich ihr immer näher und nahm sie, als ich dicht genug bei ihr stand, in den Arm.
Ich spürte wie sie zitterte und versuchte sie zu beruhigen, in dem ich sanft mit meinen Fingern an ihrem Rücken Kreise zog.
Tatsächlich schien dies zu helfen und sie hörte auf zu zittern.
Mein Herz derweil explodierte fast in meiner Brust und ich war mir sicher sie könnte es spüren. Ich war zum zerreißen gespannt wie es jetzt weiter gehen würde, mit uns.
Es war das erste Mal gewesen, dass ich mir die Gefühle zu ihr eingestanden hatte. Es war ein Gefühl der Freiheit aber auch der Angst. Ich wollte nicht wissen wie es sich anfühlen würde, jetzt von ihr einen Korb zu bekommen, doch andererseits wäre es nur gerecht...Schließlich hatte ich mich ihr gegenüber all die Jahre wie ein Arschloch verhalten, also könnte ich verstehen wenn sie Abstand bräuchte.
Langsam löste sie sich aus der Umarmung und schaute angestengt zu Boden. Ich konnte ihre geröteten Wangen leuchten sehen und musste schmunzeln. Sie sah so unfassbar süß aus und der Hut stand ihr mehr als gut. Sie war perfekt und ich wollte sie kennenlernen, das stand fest, nur wollte sie das auch?
,,Ich", zitternd atmete sie aus und holte dann tief Luft:,, Ich.." wieder holte sie Luft, ,,Ich mag dich auch", sagte sie dann ganz schnell. Überfordert zog ich die Augenbrauen erst zusammen und dann in die Höhe. Ihre Worte hallten in meinem Kopf wieder und genau wie sie eben, musste ich ihre Worte erstmal verarbeiten.
Konnte das sein? Erwiderte sie meine Gefühle?
Oh mein Gott! Sie hatte die selben Gefühle für mich wie ich für sie. Ich konnte es nicht fassen!
Pures Glücksgefühl breitete sich in mir aus und ich musste über beide Ohren grinsen. Erleichterung machte sich neben dem Glücksgefühl in meinem Inneren breit.

Ihre Sicht:
Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe. Warum war er so still? Sonst hatte er doch auch immer etwas zu sagen. Ungeduldig fing ich an auf und ab zu wippen um mich etwas abzuregen.
Es ist ja nicht so, als wäre er mir gegenüber jemals offen gewesen.
Er war mir gegenüber schon immer ein verschlossenes Buch gewesen aber er könnte wenigstens ein bisschen Emotion zeigen, damit ich weiß ob ich mich jetzt freuen kann oder nicht.
Langsam fing er an zu grinsen und das über beide Ohren. Immer noch nicht wissend ob ich erleichtert sein sollte oder nicht, schaute ich ihn leicht fragend an.
Wie eben kam er mir wieder näher aber legte seine Hand an meine geröteten Wangen.
Bei seiner zarten Berührung wurde mir schlagartig heiß und kalt, selbst die Stimme, die sonst immer laut in meinem Kopf gewesen war, verstummte bei seiner Berührung. Ich musste schlucken als sein Gesichz meinem immer näher kamen, bis sich unsere Nasen fast berührten. Ich fühlte eine unbeschreibliche Spannung in der Luft. Keine die man während eines Streites empfand, nein, sondern eine erregende und ungewisse Spannung.
Tief blickten wir uns in die Augen. Ich erkannte die verschiedenen Grüntöne und Punkte in ihnen. Schon so oft hatte ich mir vorgestellt wie es wäre, ihm so nah zu sein und ihm in seine wunderschönen Augen schauen zu können.
Sein durchbohrender Blick wanderte von meinen blauen Augen zu meinen Lippen. Schlagartig wurden sie trocken und ließ meine Zunge über sie gleiten um sie wieder zu befeuchten. Diese Geste brachte ihn dazu schwer zu schlucken und er kam mir noch näher.
Die Spannung wuchs von Sekunde zu Sekunde immer weiter, bis...er endlich seine Lippen auf meine legte.
In meinem Inneren fühlte es sich an, als sei etwas endlich an seinen richtigen Platz gekommen.
In meinem Bauch flatterten Schwärme von Schmetterlingen umher.
Seine Lippen fühlten sich noch viel weicher als in meinen Vorstellungen an, zu dem schmeckte er fantastisch. Der Kuss war besser als alle Küsse aus meinen Fantasiem zusammen.
Langsam lösten wir uns voneinander und schauten uns an. Gemeinsam fingen wir beide erleichtert an zu lachen. Ich war eindeutig der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt und mit diesen Gedanken legte ich meine Arme um seinen Nacken und zog ihn wieder zu mir.

Oneshots : Ausgesprochene GedankenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt