Munition

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Genau das waren wohl jene Worte, die Alice besser nicht gewählt hätte.

Denn sie hatten zur Folge, dass sich Harveys Finger um ihre Kehle schlossen und er so feste zudrückte, dass sie, nach nur wenigen Sekunden, kaum noch Luft bekam.

Ihre Lungenflügel protestierten.

Schrien und bettelten, um jedes bisschen Sauerstoff, der seinen Weg zu ihren Lungen fand.

Er bringt dich um!, rief ihr langsam schwindendes Bewusstsein panisch. Er wird dich töten und du kannst absolut nichts dagegen tun. Warum kannst du auch nicht einmal dein großes Mundwerk halten, du dummes Ding? Warum musst du immer und immer wieder einen drauf setzten?

Weil Alice eben nicht anders konnte.

Weil genau das hier, ihre einzige Waffe war: ihre scharfen, ehrlichen und aufrichtigen Worte.

Die Wahrheit war ihr Schwert.

Sie war ihre einzige Munition, im Kampf gegen den Hass, die Ungerechtigkeit und die Finsternis in dieser Welt.

Mehr hatte sie nicht.

Das war ihr Einsatz, selbst wenn der Preis dafür, ihr eigenes Leben war.

,,Wie kannst du es wagen, ihren Namen in den Mund zu nehmen!'', hörte sie Dent wütend zischen. Der Klang seiner Stimme erinnerte sie an den eines pfeifenden Ventils einer riesigen Maschinerie, die kurz davor war in tausend Einzelteile zu zerbersten. ,,Wie kannst du dich anmaßen, auch nur ein Wort über sie zu verlieren!''

Ja, wie konnte sie es wagen?

,,Weil ich sie kannte'', hauchte Alice. Ihre Stimme war so leise, dass das was sie gesagt hatte kaum zu verstehen war. Aber da sie Harvey so nah war, vernahm er jede einzelne geflüsterte Silbe. ,,Ich kannte sie. Vielleicht nicht so wie Sie, aber gut genug, dass ich weiß, dass sie das hier niemals gewollt hätte.''

Ein abfälliges Schnauben seitens Dent, war seine Antwort darauf.

Aber es geschah noch etwas anderes: er lockerte seinen Griff um ihre Kehle ein wenig. Nicht genug, damit sie frei kam, aber soweit, dass sie nicht mehr kurz davor war elendig zu ersticken.

,,Und woher kanntest du sie?''

Alice schluckte schwerfällig und erkannte in jenem Augenblick, dass es einzig und allein seine Neugierde war, die ihn davon abhielt, den Faden, der sie noch an das Leben bannt, durchzutrennen.

,,Vom Studium. Wir hatten ein paar Seminare zusammen und haben uns angefreundet. Sie war...sie war ein wunderbarer Mensch. Eine der wenigen, die sich für das Gute eingesetzt haben.''

Harvey lachte verächtlich auf.

Dennoch konnte Alice deutlich den Schmerz heraushören, der mit jeder Oktave mitschwang.

Harvey Dent mochte einen Punkt in seinem Leben erreicht haben, an dem es für ihn keinen Unterschied mehr zwischen Leben oder Tod gab, aber so sehr er es auch verbergen wollte, die Erwähnung von Rachel Dawes, ließ ihn ganz und gar nicht kalt.

,,Und was hat es ihr gebracht? Was hat ihr ihre Gutmütigkeit gebracht! Nicht mehr, als das sie jetzt tot ist!''

Darauf konnte Alice nicht mehr erwidern, als:

,,Ja, das stimmt. Sie ist tot. Sie kommt nicht mehr zurück. Ihr Tod mag sinnlos und grausam erscheinen. Aber Harvey, sehen Sie denn nicht? Ein Teil von ihr, lebt durch Sieweiter. Jede Erinnerung, jeder winzige Moment, den sie mit ihr geteilt haben, all das wird die Ewigkeit überdauern.''

Wieder lachte Dent auf, doch dieses Mal war er wirklich amüsiert.

Die linke Seite seines lippenlosen Mundes, verzog sich dabei zu einem grotesken schiefen Lächeln, das dem eines gewissen Clowns ziemlich ähnlich sah.

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