Kapitel 9: Rückkehr

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Frühjahr 1217
Dorf 'Tübingen'
Vor dem Tor

-🐺-

„Name." Der barsche Befehl wurde laut an seine Ohren getragen. Es waren nur wenige Stunden vergangen, seitdem Lyrax ihn gezwungen hatte, sich von dem kleinen Tümpel zu entfernen, an dem er rast gemacht hatte. Noch immer war seine Brust eng. Das Herz hämmerte wild in seiner Brust und ließ seine Ohren unangenehm dröhnen.
Die schweren grauen Wolken waren abgezogen und hatten mit sich den Regen davon getragen. Schwach leuchtete die Mittagssonne auf ihn herunter. Sandten eine angenehme Wärme in seine Muskeln. Doch jene wollten sich nicht lockern. Er spürte Lyrax in seinem Inneren, aufmerksam seine Schritte beobachtenden. Nur darauf lauernd, dass er aus ihm ausbrechen konnte. Und seinen Gedanken, jene die dem Menschen, grauen unter die Haut sandten, Leben einhauchte.

Langsam hob sich sein Kopf. Schielten unter der Kapuze hervor auf die zwei Gestalten die vor den hohen Holzpalisaden des kleinen Dorfes wache hielten und ihre Sperre vor seinem Pferd kreuzten um ihm am einreiten zu hindern. Beide trugen einfache Lederrüstungen. Ließen ihn wissen, dass diese Männer keine Soldaten waren. Die Soldaten trugen allesamt Eisen. Auch ihre Waffen hatten zweifellos schon bessere Tage gesehen. Das Holz war abgegriffen, man konnte es an den helleren Stellen sehen. Die Spitzen waren stumpf und von fleckigem Rost überzogen. Die Halstücher die beide trugen waren dreckig und franzten bereits aus. Die Wämser unter den Lederriemen waren fleckig. Einen Atemzug nehmend, konnte er den beißenden Geruch von Schweiß, Urin und einer schwachen Mischung Blut aufnehmen, welcher ihn fast sofort wieder zum Würgen brachte.

„Wird's bald!" fuhr ihn der zweite Wächter an und sorgte dafür, dass sein Blick nun langsam zu ihm fiel. Er war jünger als der erste. Ungefähr so alt wie Markus es nun wäre, doch sah um einiges älter aus. Seine Augen trugen tiefe Augenringe. Die Gesichtszüge waren von schwachen Falten geziert und die Zähne, die er sah als der Mann sprach, waren faulig, einige fehlten ganz und gar. Doch etwas in dem Gesicht des jungen Mannes war ihm vertraut. Die Augen zusammenkneifend, musterte er ihn genauer. Bemühte seine Erinnerungen, seufzte dann schließlich. Es wäre nicht untypisch, dass er ihn vielleicht kannte. Immerhin... war ihm dieses Dorf wohl bekannt, auch wenn 2 Jahre vergangen waren und es nicht mehr das Dorf war, an was er sich erinnerte.
Das Feuer hatte erheblichen Schaden angerichtet. Durch das Tor konnte er sehen, welche Häuser man neu aufgebaut hatte und welche die Flammen überdauert hatten. Steine waren dunkler gefärbt. Schwarz, als wären sie immer noch von Ruß und Asche befleckt. Andere waren gräulich, grün getüncht. Befleckt von Moosen und Algen, welche durch die Witterung an dem jüngeren Stein hafteten. Wenige waren weiß, verrieten, dass die Reparaturarbeiten noch immer nicht vollends abgeschlossen waren. Unter allen Dörfern, warum musste sich Lyrax gerade dieses aussuchen? Der Ort, der für ihn nur schmerzen bereithielt.


Das Ross schnaubte nervös. Schüttelte den Kopf und tänzelte auf der Stelle, welches die Riemen zum Klingen brachte. Die Beiden Wächter waren inzwischen näher getreten. Rostige Sperrspitzen hatten sich gesenkt und zielten nun auf die breite Brust des weißen Pferdes auf den er thronte. Die Mienen hatten sich versteinert und die Blicke verdunkelt.
„Ich glaube, du solltest langsam etwas unternehmen, anstatt wie ein Narr auf diesem Vieh zu sitzen und die Landschaft zu bewundern." Tönte die Stimme in seinem Inneren und der Mann war gezwungen, sich auf die Lippe zu beißen um dem Wolf in seinem Inneren nicht eine Erwiderung entgegen zu grollen.


„Rodrik..." brummte er stattdessen und sah, wie der Jüngere der beiden zusammenzuckte, als er seinen Namen vernahm. Die Falten um die Augen glätteten sich bei dem Wächter, der eigentlich der Sohn des Schmieds gewesen war, als Markus noch in der Hütte einige Meilen entfernt lebte. Einer von vielen, die ihm in der Vergangenheit das Leben zur Hölle gemacht hatten, ihn nicht nur angespuckt, sondern auch verprügelt hatten, bevor er Elenas Mann geworden war.
Lyrax in seinem Inneren spitzte interessiert die Ohren, schien bei dem Namen hellhöriger zu werden, als sein menschlicher Teil erwartet hatte. Gleichzeitig trat ein fragender Blick in die Augen des jüngeren Wärters am Tor, während der Reiter sein Blick auf den zweiten Mann fallen ließ. Schwarzes Haar war in den letzten Jahren grau geworden, das Gesicht und die Gestalt sah ausgemergelt aus und der Kinnbart war zu strähnen verfilzt. „Hartmurt...huh?" erinnerte sich Markus auch an den Zweiten, dessen Augen ebenfalls überrascht blinzelten, während der griff von dünnen Fingern sich um das Holz verstärkte. Langsam, lehnte Markus sich nach vorn, beugte sich ein wenig über den Hals seines Reittiers und stützte die Unterarme auf dem Sattelknauf ab. Sein Blick flog zwischen den Beiden hin und her. Genoss die offensichtliche Verwirrung, die beide überkommen hatte, nachdem er sie bei ihren Namen genannt hatte. Man konnte beinahe zusehen, wie ihre Verstände arbeiteten, versuchten herauszufinden wer er war, doch sein Bild nicht einordnen konnten. Verübeln konnte er es ihnen nicht. Nichts an ihm erinnerte noch an den Bauern von vor Zwei Jahren. Seine Gestalt war kräftiger und schien gewachsen. Sein Haar war zerzaust und der Bart seit einer Ewigkeit nicht mehr gestutzt worden, etwas auf das er früher beinahe penibel geachtet hatte. Doch heute machte es keinen Sinn mehr.

Chronik der Lykaner - Der Sohn des MondesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt