7.

5 0 0
                                    

Der Geschmack meines herben Weins erfüllte meinen Mund. Der Kelch aus dem ich, den von einem fernen Verwandten zugesandten Wein trank, war geziert mit einer Schlange, welche sich der Sonne empor streckte. Ich spürte wie sich der Wein meine Kehle herunterbrannte und meinen gesamten Körper erwärmte, denn trotz unseres Kamins fror ich. Luther hatte mich in meiner Kindheit oft damit aufgezogen. „Mit deinen lila Lippen brauchst du keinen Lippenstift mehr zu tragen.", hatte er gesagt. Der Wein verlor seine Wirkung und abermals begann ich zu zittern.

Mit einem starken Schwung wurde die Tür aufgerissen und Luther stürmte herein. „Sie sind tot. Es ist alles verloren.", schluchzte er. Anhand seines Gesichts konnte man deutlich ablesen, dass wohl etwas ausnahmslos Schreckliches vorgefallen sein musste. Seine Augen waren rot geschwollen und vereinzelt flossen ihm immer noch Tränen über die Wangen. Sein Gesicht war verzogen und seine Stimme zeugte von der Anstrengung, die er aufbringen musste um nicht auf der Stelle zusammenzubrechen. „Ich konnte sie nicht retten. Ich konnte niemanden retten.", schluchzte er. Ich hatte Probleme ihn durch seine Schluchzer zu verstehen. Er atmete tief durch um sich zu beruhigen, was jedoch nicht so recht zu funktionieren schien. „Wer ist tot Luther?", fragte ich vorsichtig und versuchte mit all meiner Energie ruhig zu bleiben. „Unsere Eltern."

Ich rannte durch die Getreidefelder, ohne zu wissen wohin ich wollte oder wie ich hier hingekommen war. Luther? Ich rannte in der Hoffnung irgendwie einen Ausweg zu finden. Ich trat in eine Pfütze, woraufhin das schmutzige Wasser sich in kleinen Tropfen auf meinem ganzen Kleid verteilte. Aber das war nicht mein Kleid. Das war nicht wichtig. Ich musste aus dem Feld finden. Plötzlich war ich an dem Ufer eines kleinen Sees. An dem gegenüberliegenden Ufer saß ein kleines Mädchen und spielte mit einer Puppe. Sie hatte braunes Haar, voller Dreck und Schlamm. Auch sie trug ein Kleid. Himmelblau. Als ich näher auf sie zu lief hob sie den Blick und sah mich neugierig an. Sie hatte schokoladenbraune Augen und Sommersprossen, die sich über ihr gesamtes Gesicht zogen. So als würde sie mich gut kennen lächelte sie mich an und machte eine Handbewegung zu ihr zu kommen. Ich konnte nicht schwimmen und blieb deswegen stehen. Als sie merkte, dass ich nicht kommen würde, stand sie auf. Eine böse Vorahnung machte sich in mir breit, doch ich konnte mich nicht bewegen. Sie stieg ins Wasser und als sie den Boden nicht mehr berühren konnte, machte sie panische Bewegungen, versuchte aber immer noch zu mir zu gelangen. Immer ruhiger wurden ihre Bewegungen. Durch das beinahe klare Wasser sah ich ihren panischen Gesichtsausdruck.

Ruhig schaukelte er mich in seinen Armen. Immer wieder sprach er mir tröstende Worte zu, auch wenn ich nicht darauf reagierte. Langsam wurde ich ruhiger und begann zu realisieren, wo ich war. In meinem Bett. Schon wieder dieser Traum.

„Hattest du wieder denselben Traum?", fragte er mich mitfühlend. Ich nickte nur schwach. Nach ein paar Minuten hatte ich mich wieder gefasst. „Ich dachte, das hätte ich hinter mir.", stöhnte ich genervt. „Vermutlich wegen dem was gerade passiert.", dachte Luther nach und versuchte dabei keine eigenen Emotionen wachzurufen. Es klappte nicht. Ich sah wie einzelne Tränen in seine Augen strömten, die er aber schnell wegblinzelte. „Aber jetzt geh wieder schlafen."

Ich trat durch den Vorhang und ein starker Geruch von Zitronengras umfing mich. Luther saß auf unseres Vaters Thron und diskutierte angestrengt mit Mikon, unserem Cousin. Ich als Frau war sittengemäß nicht zu Gesprächen über Politik eingeladen. Mein Bruder Luther war aber anderer Ansicht. Er gab weder etwas auf Sitten, noch darauf was einzelne Diener hinter seinem Rücken über ihn flüsterten. Unsere Eltern hatten versucht ihm das auszutreiben, aber ohne Erfolg. Ich schritt zu ihnen, was sie dazu brachte kurz ihren Blick mir zu widmen, nur um Sekunden später weiter zu diskutieren.

„Was ist denn los?", warf ich in den Raum. Gekränkt, dass meine Anwesenheit einfach übergangen wurde. Mikon sah mich kurz entschuldigend an, während Luther so aussah als wäre ihm meine Anwesenheit wirklich egal, oder nervte ihn sogar.

ErbsündeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt