60 - Matt

95 10 2
                                    

«Hi, Dom», begrüßte ich meinen Parabatai mit einem aufgesetzten Lächeln im Gesicht, welches er in diesem Zustand Gott sei Dank nicht sehen konnte. Ob ich es wollte oder nicht, aber ich konnte nichts gegen den zittrigen Unterton in meiner Stimme unternehmen. Ich war nervös und würde ganz sicher jeden Moment einknicken.

«Hey, Matt! Wo bleibst du denn? Wir sitzen schon alle drin und warten sehnsüchtig auf dich. Du bist der Einzige der noch fehlt!», schrie Dom mir förmlich ins Ohr, was mir verdeutlichte, wie proppenvoll es in der Kneipe wohl sein musste. Im Hintergrund waren die typischen Geräusche von klirrenden Gläser, grölenden Betrunkenen und irgendeiner undefinierbaren Musik, die vor zwanzig Jahren schon nicht meinem Geschmack entsprach, zu vernehmen. Ehrlich gesagt bereute ich es keine Sekunde mich für Harry entschieden zu haben, jetzt noch mehr als sowieso schon.

«Ja, was das angeht ...ich, ähm ...ich denke nicht, dass das heute noch einmal was wird», räusperte ich mich und versuchte den Frosch in meinem Hals loszuwerden, der sich so tief festgesetzt hatte, dass es auf Außenstehende so wirken musste, als würde ich jeden Augenblick wegen Atemproblemen umkippen.

Harry sah mich schon wieder mit diesen wunderschönen, aber viel zu sorgenvollen Augen an, die mir einerseits zwar Mut und Beistand vermittelten, andererseits jedoch auch zum Träumen einluden und mich von meinem eigentlichen Gespräch doch ziemlich ablenkten. Allerdings hatte es etwas so dermaßen Beruhigendes an sich, mich in ihnen zu verlieren, dass ich eindeutig spürte wie meine Atmung immer flacher wurde und mein Herz nicht mehr ganz so verrückt schlug. Und wenn es das doch tat, dann nur weil Harry mir so nahe stand und ich mal wieder betäubt wurde von diesem angenehmen, süßlichen Duft den ihn umgab.

« ...du denn?», hörte ich auf einmal eine weibliche Stimme sagen und merkte erst jetzt, dass ich wieder einmal in meinen eigenen Gedanken abgeschweift bin. Sofort schlich sich ein dezentes Grinsen auf Harrys Lippen, der natürlich mitbekommen hatte, wie ich mit Starren statt Zuhören beschäftigt gewesen war. Wer konnte mir das bei diesem Mann auch verübeln?

«Was?», fragte ich ein wenig überfordert und versuchte aus den letzten Wortfetzen, die ich gerade noch so vernommen hatte, die Person dahinter herauszufiltern.

«Ich hab gefragt, wo du ...», setzte die Stimme, die ich nun eindeutig als Em erkennen konnte, erneut an. Allerdings verstummte sie sofort und nachdem ich ein weiteres Wirrwarr aus durcheinander redenden Menschen vernahm, war das Gespräch plötzlich ganz weg. Irritiert hob ich mein Smartphone vor mich und sah fragend zu Harry, der jedoch ebenfalls nur unwissend mit den Schultern zuckte.

«Meinst du das genügt? Sie wissen ja jetzt, dass ich nicht mehr komme.»

«Und was willst du machen, wenn sie dich morgen früh nach dem Grund fragen? Denkst du von Angesicht zu Angesicht wird es einfacher sein sie anzulügen?», erkundigte sich Harry bei mir und fasste mit seiner Hand an meinen rechten Oberarm.

Ich schloss für einen Moment meine Augen und umklammerte seine Finger, die sich schützend um mich gelegt hatten, mit meinen eigenen. Mir war schon wieder danach ihn zu küssen und als hätte er einen Sinn entwickelt, meine innersten Wünsche zu erkennen, lagen seine warmen Lippen auch schon Sekunden später auf den meinen. Es war einfach immer wieder unglaublich, was für ein Kribbeln es in mir auslöste, wenn wir uns auf diese Weise berührten. Jeder Kuss hatte seine eigene Dynamik und fühlte sich so spannend und aufregend an, wie der erste.

«Die Vorstellung dich nicht immer und überall küssen zu dürfen wenn ich es will, macht es mir echt verdammt schwer, die anderen nicht doch über uns aufzuklären», flüsterte ich gegen seine süßen Lippen. Mir war bewusst wie gefährlich es werden konnte, aber das war es ohnehin seit dem Zeitpunkt, an dem ich mir eingestanden hatte, dass ich ernsthafte Gefühle für Harry entwickelte. Und es bereitete mir eine Heidenangst zu wissen, dass es womöglich weitreichende Konsequenzen haben könnte, wenn die Wahrheit ans Licht kam.

Mein neuer AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt