(33) Lebensreste

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Astrid

Die Jäger flogen rückwärts, zurückgestoßen von der Kraft des Monsters, die jede meiner Bewegungen füllte. Ich roch ihre Überraschung, die Mischung aus Schweiß und schneller rauschendem Blut. Feuerduft wallte auf, hüllte die Welt in eine rauchigere, intensivere Färbung. Schnüffler bombardierte die Schiffe, seine leisen Flügelschläge auskunftswilliger als meine Augen je sein konnten.

Blind, ich war so blind gewesen, eingegrenzt. Jetzt sprengte das Monster, sprengte Sturmpfeil diese Grenzen, eine nach der anderen, zu Kristallstaub, Sternensplittern, ließ Töne und Klänge zu mir fluten, die ich nie gehört, Gerüche, die es nie gegeben hatte. Aber sie waren da, schon immer waren sie da gewesen. Midgard war nicht still, nicht leer, kein unbeteiligter Bewohner Yggdrasils. Diese Welt lebte, flüsterte, summte, sprudelte vor Präsenz. Und ich, wir waren nun ein Teil davon.

Losrennen, so leicht, so anders. Große Schritte, hopsende Schritte, schwungvolle Schritte. Ihre Angriffe taumelten träge um mich herum. Ich zerfiel zu Luft, Schmerz und Last schwebten von dannen. Freiheit pulsierte durch meine Adern, kondensierte in meinem Herzen, tröpfelte auf den Gedankenweiher, die Wellen spülten frische Kraft in die Muskeln.

Silberblitzen. Der Morgenstern krachte einem anderen Jäger auf den Kopf, ich war schon drei Drehungen weiter.

Sein Lachen hallte durch meine Erinnerung, Zeitschleife, trieb die Weiherwellen höher, schwang in jedem Schlag mit.
Rache. Endloser Kraftspender.

Sein Geruch flocht sich markant durch Qualmdunst, Blütensüße und Feuersalz. Eine Schnur, gewebt, um Schicksale zu vernähen. Er konnte sich nicht mehr losreißen.

Windzug, Schnüffler über mir. Hob mich aufs nächste Deck.
Nächster Kampf. Seite an Seite, wie bei den Geschwistern. Doch diesmal war sie auch dabei.

Vertrauter Geruch. Ich kannte ihn nicht. Die Stimmen schon. Taff und Raff.

„He, du Idiot wagst es, auf meine Schwester zu schießen? Sehe ich dir zu schwach aus?"

Ferne Worte, kristallklar zwischen Wellenplitschen und Waffenknarzen.

„Ha! Ich bin eben doch die bessere von uns beiden! Familienstolz Raffnuss!"

„Und so begann das tragische Ende der Familie Thorston..."

„Pah. Schwarzmaler."

„Ach, mein dummes Schwesterchen. Was denn sonst, wenn Kohle schwarz ist?"

„Kleindenker!"

„Ich verbanne dich aus der Familie!"

„Wichtigtuer!"

„Großmaul!"

„Quacksalber!"

„Erbsenzähler!"

„Igitt, Erbsen."

„Uäh. Ehrlich, wer hat sowas erfunden? Wie kleine, runde Popel auf dem Teller. Das ist eine Schande für das Erfindertum!"

„Aber wenn man gleich die richtigen isst, beschwert Mama sich."

„Das Leben ist so unglaublich kompliziert..."

„Womit wollen wir die Kohle einfärben? Hicks' oder Fischbeins Farben?"

„Warum entscheiden..."

„...wenn man beides haben kann!"

Scheppernd schlugen ihre Helme zusammen.

Pfeile zischten an ihnen vorbei. Knapp. Einer bohrte seine Spitze in Taffnuss' Helmhorn.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt