<< einunddreißig >>

2.2K 164 38
                                    

Er verzog geschockt sein Gesicht und starrte mich fassungslos an. Ich schluckte und versuchte mir meine Tränen zu unterdrücken. Meine Mutter hatte schon immer gesagt, je mehr man jemanden liebt, desto schwerer fällt jeder einzelne Abschied, egal ob für immer oder nur für kurze Zeit.


"Wie meinst du das? Ich dachte wir bekommen ein Kind?", fragte er plötzlich ganz distanziert und legte meine Hand von seiner Wange. Er stand auf und musterte mich skeptisch. Seufzend fuhr ich mir die Haare und versuchte die passenden Worte zu finden. "Sag das nicht so. Das klingt, als sei es nicht dein Kind. Doch das ist es. Nur ich kann momentan einfach nicht hier bleiben"


Sein Blick wurde weicher und nun legte er mir seine Hand auf die Wange. "Aber wieso? Was soll das ganze?", fragte er leicht verzweifelt. Mir schossen Tränen in die Augen und ich biss auf meiner Unterlippe herum. "Es ist schwierig zu verstehen", sagte ich leise mit zittriger Stimme. "Dann lass es mich verstehen", hauchte Felix und trat noch näher, sodass kaum noch Platz zwischen uns war.


In diesem Moment überkam mich alles. Die ganzen Gefühle drosselten wie ein Hagelsturm auf mich ein. Der Hass auf Taddl. Das Schuldgefühl gegenüber Marie und Louise. Die Angst um mein Kind. Die Liebe zu Felix. Einzelne Tränen rollten meine Wangen herunter und ich starrte ihn lediglich mit glasigen Augen an. "Ich liebe dich", flüsterte ich und drückte meine Lippen auf seine.


Ich wollte das ganze hier nicht und es schmerzte ihn nun hier so zurückzulassen. Denn schon als ich meine Lippen von seinen gelöst hatten, schnappte ich mir meine Taschen und begann zu rennen. So schnell es ging wollte ich hier weg. Meine Beine trugen mich so gut es ging aus dem Gebäude raus, doch meine Sicht verschleierte immer mehr. Ich hörte die Schritte von Felix hinter mir.


"Melly!", schrie er verzweifelt und wie eingefroren blieb ich stehen. Dennoch hörte ich einfach nicht auf zu weinen. Ich wollte ihn nicht verlieren. Aber er sollte mich nicht hassen. "Melly", flüsterte er nun und umarmte mich stürmisch von hinten. Mein lautes Schluchzen klang so verzweifelt, wie ich es selbst auch war. Ich löste mich von ihm und drehte mich noch einmal zu ihm herum.


"Es tut mir so leid", waren die letzten Worte, welche ich an ihn richtete, bevor ich in Richtung Hauptbahnhof rannte. In mir brach alles zusammen. Den gerade hatte ich etwas so schönes zerstört. Das was ich mit Felix hatte, hatte ich zuvor noch nie empfunden. Wie sehr ich mich dafür hasste.


Dennoch lief ich weiter und stieg schlussendlich in den Zug in Richtung Amsterdam. Ein Ticket hatte ich mir auch schon geholt. Vollkommen geschafft und mit einem tränenüberströmten Gesicht, setzte ich mich dann an ein Fenster und weinte leise vor mich hin. Doch dann spürte ich einen plötzlichen Schmerz in meinem Bauch. Er wollte nicht aufhören und brachte mich zum lauten aufstöhnen.


Eine ältere Dame sprang auf und kam mir zur Hilfe. "Alles gut, Kindchen?" Meine beiden Hände legten sich auf die Stelle, wo sich mein Kind befand. Langsam hörte er auf und ich nickte der Dame dankbar zu. "Ja es geht schon", lächelte ich tapfer und schluckte die heraufkommenden Tränen runter. Hasste mein Baby mich auch schon dafür, dass ich abhaue?


"Hier, Schätzchen" Mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen, hielt mir die Frau ein Taschentuch hin. Sofort verstand ich und wischte mir über die Augen. Meine Tränen trockneten zwar, dennoch waren meine Augen von den Makeup-Resten schwarz verschmiert. Die Frau setzte sich auf ihren Platz zurück und beobachtete mich noch eine Weile besorgt. Doch davon bekam ich nicht mehr allzu viel mit, da ich einschlief.


"Junge Dame? Sie sollten jetzt aussteigen, wir sind in Amsterdam angekommen", weckte mich die Stimme des Kontrolleurs, welcher mich wachrüttelte. Verdattert blickte ich mich um und schnappte mir noch im Halbschlaf meine Sachen zusammen. Mit einem blöden Gefühl im Magen, stieg ich aus dem Zug und holte mein Handy heraus. Es war gerade Mal 7 Uhr abends und immer noch hell.


Doch am liebsten würde ich mich nur noch in ein dunkles Zimmer verkriechen und mich mit Eis vollstopfen. Mit traurigem Blick schaute ich über den Bahnhof. Doch es wartete ja niemand hier auf mich. Michi würde mich erst morgen erwarten. Ich brauchte sowieso noch etwas Zeit für mich. Mit rottenden Schritten lief ich zum Bahnhofsklo und stellte mich vor den Spiegel.


Ich sah einfach schrecklich aus. Meine Augen waren dunkel umrandet und angeschwollen. Meine Haut wirkte blass und schon fast glasig. Ich könnte wahrlich ein Zombie sein. So gut es ging, wusch ich mir mit Seife mein Gesicht. Es sah nun nicht mehr ganz so schlimm aus, dennoch wirkte ich fertig.


Seufzend trottete ich weiter und landete irgendwann in einem McDonalds. Mein Magen beschwerte sich schon wieder und ich sollte auch so langsam wieder was essen. Auch wenn ich nicht so wirklich Lust darauf hatte, setzte ich mich alleine an einen Tisch und knabberte an meinen Pommes und dem Burger.


Mein Herz schmerzte und ich vermisste Felix jetzt schon viel zu sehr. Zu wissen, dass er mehrere hundert Kilometer entfernt war, ließ mir wieder Tränen in die Augen steigen. Doch ich wischte sie weg und holte mein Handy heraus. 112 verpasste Anrufe zeigte mein Display an und ließ mich schlucken. 100 Anrufe waren von Louise. Danach war wohl ihre Flat alle gewesen. Marie hatte es nur vier-Mal versucht Die anderen waren von Felix.


Ich ignorierte es dennoch und dachte auch gar nicht erst daran Whatsapp zu öffnen. Da würden mich die Nachrichten nur so überhäufen. Stattdessen wählte ich die Nummer von Michi und rief ihn an. Nach einer Weile nahm er sogar ab, was eher untypisch für ihn war.


"Was ist passiert?", fragte er mich gleich ernst ohne auch nur zu fragen, wer da sei. "Wie wäre es erst Mal mit einem 'Hi'?", fragte ich und versuchte gut gelaunt zu klingen. "Ich kenne dich Melly, du würdest nie ohne einen krassen Grund abhauen. Und ja, deine Freundinnen haben mich angerufen. Ich hab ihnen nicht erzählt dass du kommst."


Mir entfuhr ein Seufzen und ich spürte, wie sich erneut Tränen in meinen Augen bildeten. "Michi, das Leben ist so unfair, weißt du das?", schluchzte ich in den Hörer.


___________________________________________________________________

Eigentlich war ich heute morgen voll gut gelaunt und wollte nichts trauriges schreiben. Doch irgendwie finde ich, soll die Geschichte so verlaufen und naja:) Was glaubt ihr wird noch so passieren? Schönes Wochenende euch noch und wir hören wahrscheinlich Montag voneinander!:D

Wie man gemeinsam überlebt (Dner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt