Day 15: Armadillo

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Weit weg am Rande einer weiten Steppe, lebte ein Gürteltier. Es war allerdings kein gewöhnliches Gürteltier, denn sonst hätten sich die sonst einzelgängerischen Artgenossen in seiner Umgebung nicht zu einer Kolonie um es geschart.
Er war ein besonders großes Exemplar, mehr als doppelt so groß wie alle anderen, daher dachten alle anderen, dass er besonders stark sein musste und sie vor den Jaguaren in der Gegend schützen konnte.
Zwar war er beachtlich groß, doch unter dem dicken Panzer steckte eine überaus ängstliche Persönlichkeit. Selbst wenn sich nur ein Grashalm in seiner Umgebung regte, rollte er sich in Sekundenschnelle ein und verharrte so für einige Minuten. Dennoch brachte er es nicht übers Herz die anderen abzuweisen, denn er wusste, dass die Jaguare, ihre größten Feinde, in letzter Zeit mehr und mehr Angst und Schrecken verbreiteten.
‚Wie soll ich sie denn beschützen, wenn ich beim kleinsten Geräusch schon Angst bekomme?', fragte er sich jeden Tag verzweifelt. Denn abgesehen von seiner Größe konnte er nichts anderes als ein normales Gürteltier, sich einrollen und warten.
Eines völlig normalen Tages in der Steppe, geschah allerdings das Unvermeidliche.
„Die Jaguare kommen!", kam es panisch von einem der Gürteltiere in der Kolonie. Sofort rollten sich alle in Sekundenschnelle zusammen und verharrten, vor Angst erstarrt. Nur wenige Momente später strichen die Großkatzen schnüffelnd zwischen ihnen herum. Anspannung lag in der Luft, denn die Jaguare waren großartige Jäger und konnten selbst den Panzer der Gürteltiere knacken.
Der Größte der Kolonie lugte schreckhaft für den Bruchteil einer Sekunde aus seinem Panzer hervor. Er lag auf einem Hügel auf dem er zuvor noch etwas zu Fressen gesucht hatte, während seine Artgenossen sich weiter unten befanden. Es waren drei der großen Katzen und es schien als hätten sie ihr Opfer erspäht. Ein Junges, ganz am Rande der Kolonie, welches vor Angst zitterte. Die Jaguare umkreisten es drohend  und suchten nach einer Schwachstelle.
‚Ich muss etwas tun!', dachte sich das Gürteltier auf dem Hügel verzweifelt. ‚Aber was?!'
Dem Armen schlug das Herz bis zum Hals, während die Sekunden verstrichen. Die Jaguare stießen mittlerweile gegen das eingerollte Junge. Es war nur eine Frage der Zeit...
Da kam dem Großen eine völlig wahnsinnige, verrückte Idee. Doch in so einer Situation ist eine solche Idee wahrlich besser als nichts, oder?
Sein Instinkt kämpfte mit aller Macht gegen ihn an, während er sich entrollte. Mit zitternden Beinen stapfte er an den Rand des Hügels und rief mit jämmerlicher Stimme: „He, hier bin ich!"
Die drei Katzen sahen nach oben. Hunger glitzerte in ihren Augen, welche aufleuchteten sobald sie das ungeschützte Gürteltier auf dem Hügel sahen. Langsam und drohend wandten sie sich von dem zitternden Jungen ab und ihm zu.
Das war der Moment auf den er gewartet hatte!
Nun folgte der Große wieder seinem Instinkt und rollte sich wieder ein. Diesmal allerdings begann er langsam den Hang hinunterzurollen, erst langsam, dann immer schneller. Die Jaguare waren verwirrt und blieben stehen. Als sie jedoch begriffen was gleich geschehen würde, war es bereits zu spät zum Ausweichen. Das große Gürteltier prallte gegen zwei der Katzen, welche mit Leichtigkeit umgefegt wurden, wie Kegel von einer gigantischen Bowlingkugel.
Der dritte Jaguar nutzte die Chance, dass er nicht getroffen worden war und flitzte schnell davon. Seine beiden Jagdgefährten taten es ihm gleich, nachdem sie sich von dem Zusammenstoß kurz erholt und aufgerappelt hatte.
Für einige weitere Sekunden war es still, dann kam wieder leben in die Kolonie. Das ängstliche Gürteltier lugte nach draußen und begegnete Überrascht den bewundernden Blicken der anderen. Das Junge sprang aufgeregt um ihn herum und rief begeistert: „Du hast mich gerettet! Wie hast du das gemacht?! Das war supercool!"

Und so wurde das große Gürteltier, das geglaubt hatte niemanden beschützen zu können zu einem Held und lernte eine wichtige Lektion:
Um ein Held zu sein, musste man nicht furchtlos sein, man musste sich nur seiner Angst stellen.

Inktober 2022 (but I write)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt