Kapitel 11

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Mir bleibt die Luft weg. Ich kann weder meinen Ohren noch meinen Augen trauen, als sie seine Stimme und seinen Arm wahrnehmen, der die Aktionspaddel hochhält. Mein Chef bietet 100.000 Euro für einen Tanz ... um mich zu retten. Er hat es verstanden. Er hat mich doch nicht fallenlassen. Der Aufruhr ist groß. Narin schaut ihn mit aufgerissenen Augen an, einige pfeifen, aber alle sind sich einig, dass diese Summe einen großen Applaus wert ist. Ich darf atmen. Ich darf wieder atmen. Ich muss nicht mit einem Mann tanzen, den ich nicht kenne. Es ist nicht zu beschreiben, wie dankbar ich ihm bin. Für diese Tat begrüße ich meinetwegen die gesamte Welt. Er weiß gar nicht, wie sehr er mir damit geholfen hat. "Die großen Zahlen sorgen für eine genauso große Aufregung. Auch mein Herz schlägt fiebrig mit", kommentiert der Conférencier. Ich wünsche mir nichts Sehnlicheres, als seinen Sturz von der Bühne. "Die Nummer 34 gegen 40. Wer pokert mehr?" Gott! Ich halte es mit ihm nicht mehr aus! Ich will ihn von der Bühne stoßen. Dass sich der ältere Mann plötzlich verlegen über seine rote Stirn fährt, will ich gar nicht mitbekommen. Dieser dämliche Moderator soll mich endlich an meinen Chef verkaufen! Ich halte das nicht mehr aus. Mir ist schwindelig. Ich muss mich hinsetzen.

"100.000 für die schöne Dame in Grün zum Ersten." Es reicht mir! Dass dieser dumme Mann es in die Länge zieht, passt nicht mehr in mein Geduldskontingent. Ich trete näher zu ihm heran, lasse dabei unauffällig meine Hand zu seinem Rücken fahren, um einmal fest reinzukneifen. Sein Glück, dass er nicht kreischt, sondern nur zuckt. Ich lasse nicht los. Im Leben nicht. "Zum Zweiten, zum Dritten! Verkauft an den Gastgeber höchstpersönlich!" Ich bin fix und fertig. Der Applaus ist viel zu laut für meine sensiblen Ohren. Ich muss runter von der Bühne und als würde mein Chef es verstehen, kommt er auf mich zu ... und er trägt eine grüne Krawatte. Oh ... mein Herz. Ich höre wieder Geigen. Er trägt eine grüne Krawatte als perfektes Gegenstück zu meinem Xeftan. Oh Mann, ich weine gleich wieder los. Das wird mir wirklich zu viel jetzt. Ich warte nicht, bis er zur Bühne kommt, sondern bin schon dabei, voller Schwindel die Treppen hinabzusteigen. Mir geht es wirklich nicht gut. Mein Herz rast immer noch. Mir ist so schlecht, dass sich vermehrt Speichel in meinem Mund ansammelt. Meine Augen treffen auf seine, die mich so besorgt ansehen. Er sieht, wie schlecht es mir geht. Miran sieht, dass ich nur noch flüchten möchte. "Vorsicht!" Ich halte mich im selben Moment an seinen breiten Schultern fest, als er, die Gefahr erkennend, meine Taille greift.

Ich lasse mich gegen seinen Körper fallen, viel zu schwach, um meine Beine durchzustrecken. Mir geht es nicht gut. Meine Psyche wurde belastet. Ich muss mich hinlegen. "Shirin?" Mir kommt kein Wort über die Lippen. Alles um mich herum verschwimmt. Ich nehme alles so vage wahr, wie durch einen Tunnel. Meine Hände rutschen ab. Ich nehme Narins Stimme und ihre verschwommene Silhouette wahr und wie man nach Ärzten ruft. Mein Kopf rutscht weg, aber starke Arme heben mich an. Er ist es. Ich weiß es. Ich spüre es. Nur fehlt mir jede Kraft, zu reagieren. Und obwohl es ein Mann ist, der mich trägt, fühle ich mich weder bedroht noch belästigt. Nein. Ich verspüre nichts als Schutz und Geborgenheit an seiner Brust. Ich nehme nicht einmal sein Parfüm wahr. Nur, wie sich die Lichtverhältnisse ändern und wie ich auf einen Stuhl gesetzt werde. Wer vor mir hockt, sehe ich kaum. Ich spüre nur leichte Schläge gegen mein Gesicht und wie sich eine weibliche Stimme langsam in mein Bewusstsein vordringt. Ich denke erst es ist Narin, aber es ist die Ärztin, mit der ich vorhin geplaudert habe. Oh Mann, ich will schlafen.

"Sind irgendwelche Vorerkrankungen bei ihr bekannt?" Ihr großer Mann hebt mein Gesicht an und als ich plötzlich ein helles Licht in meinen Augen wahrnehme, zucke ich wacher zurück. "Nein, nur eine Erdnussallergie." Das ist Miran. Meine Augen werden wieder durchleuchtet, aber dann ist es auch vorbei. Jetzt soll ich seinem Zeigefinger folgen. Der ist echt lang. Ich bin ein wenig müde, als ich es tue, aber es klappt. "Sind Sie in der Lage, zu sprechen?" Seine Augen sind hell genug, um mit denen diesen Pupillenreflextest zu machen. Da muss er kein Lämpchen mit sich tragen. Die sind verdammt hell. Kann man die Augenfarbe schon als Gelb betiteln? "Ich will Avocado", murmele ich. Meine Augen schauen den großen Mann flehend an, als würde er mir von irgendwo Avocados holen und damit Guacamole machen können. Ich meine das Ernst, da braucht er nicht zu schmunzeln. "Reflexe sind in Ordnung." "Shirin?" Ich schaue runter zu Dr. Shana, die sich vor mir hingehockt hat. "Hi, ich bin Shana. Wir haben doch vorhin miteinander gesprochen. Erinnern Sie sich?" Ja, das tue ich. "Woher ist Ihr Lippenstift? Der ist toll." Ich schlafe gleich ein. "Danke, der ist von NYX. Copenhagen heißt er." Copenhagen. Das merke ich mir. "War in eines der Gänge irgendwo Erdnüsse vorhanden oder Spuren davon?" "Hättest du dann nicht auch reagiert?", fragt ihr Mann sie. Oh, noch eine Gemeinsamkeit. Dr. Shana und ich sind beide stark gegen Erdnüsse allergisch.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt