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„... jetzt nochmal langsam, die Gesetzeshüter waren euch auf dem Fersen, weil Miss Downes ihren Verwandten geküsst hat?"
Arthur sah John verwirrt und zugleich verstört an, während ich wie ein Häufchen elend zwischen den beiden Männern stand.
John und ich hatten wohl mehr Glück als verstand gehabt, dass wir es unbeschadet aus der Stadt zurück ins Camp geschafft hatten.
Immerhin hatte uns eine Meute an Gesetzeshütern verfolgt.
Dazu kam noch das der Wagen in Saint Denise weilte und wir ein Pferd stehlen mussten.
Ich war nicht einmal mehr als zwei Tage im Camp und schon artete die Situation aus.
Klasse, Runa!
„Ich hab's dir doch gesagt, Arthur!" rief John, wobei er von mir einen Todesblick kassierte.
Es war ja schon schlimm genug, dass er die Geschichte Arthur erzählt hatte, nun brauchte es nicht die ganze Belegschaft zu wissen, auch wenn wir uns außerhalb des Campes befanden.
„So war's nicht!" zischte ich dazwischen und stöhnte lautstark auf.
„Doch, Miss Downes! Ich war dabei und eine Erklärung wäre wirklich von Nöten." der schwarzhaarige hob wissend seinen Finger.
Was wollte er denn hören?
Egal wie sehr ich versuchen würde, die Situation zu erklären, im Endeffekt lief es doch sowieso aufs gleiche hinaus.
Bockig zog ich eine Schnute und senkte dabei meine Augenlider.
Sollten die doch glauben, was sie wollen.
„Wie hieß gleich der Verwandte?"
„Archie." erwiderte John knapp und bei Arthur klingelten die Alarmglocken.
„War das nicht der Typ in Rhodes, als sie Miss Downes und ich eine Szene spielen mussten?"
Entnervt rollte ich die Augen.
„Mensch! Ja, war er und jetzt hm? Bin ich jetzt die verrückte? Gut, dann lasst mich lieber in Ruhe."
„Hören sie, wir wollen nur eine plausible Erklärung, mehr auch nicht." beschwichtigte der blauäugige.
„Herr im Himmel! Ich kann es nicht erklären, okay? Das würdet ihr sowieso nicht verstehen und vor allem nicht glauben."
Langsam riss mir der Geduldsfaden.
Wie lange wollten die eigentlich noch darauf rumreiten?
Wenn es sein musste, würde ich den Stempel mit der Schrift Verrückte gerne annehmen, nur damit die beiden gefälligst Ruhe gaben.
„Dann versuchen sie es uns zu erklären." meinte nun John Schulterzuckend.
Ich spürte wie die Tränen vor Wut meine Sicht verschwammen und meine Gliedmaßen zu Beben begannen.
Es genügte, es reichte!
Der Geduldsfaden war gerissen, der pure Zorn ausgebrochen und meine Gutherzigkeit verdorben.
„Jetzt hören sie mir mal zu, ihr Möchtegern Cowboys! Ich habe es schon einmal gesagt, aber ich gehöre nicht hier her! Das ist nicht meine Welt oder meine Zeit! Verdammt nochmal, ich habe Dinge gesehen, die ich nicht sehen sollte, weil ich eigentlich gar nicht hier sein sollte."
Schwer atmete ich aus.
Nein, die Wut betraf nicht nur die absurde Situation, es waren die Strapazen der letzten Wochen.
Ich hielt es nicht mehr aus.
Jeden Tag redete ich mir ein, dass ich es schaffen würde.
Doch wer zum Teufel konnte mir schon helfen?
Ich war allein!
Dylan, der einzige der mich verstand war tot.
„Und jetzt fangt nicht an, alles wird gut, denn sonst werde ich richtig sauer und verliere vollkommene die Fassung. Immerhin bist du dafür verantwortlich Marston! Nur weil ich, dumme Kuh, mir dein Bild angesehen habe mit der ach-so-tollen Bonnie! Das ist deine Geschichte nicht meine, also wieso muss ich mir jedes Mal ansehen wie du erschossen wirst!"
Die Tränen quollen aus meinen Augen und meine Atmung beschleunigte sich, wodurch mein Herz schneller und fester gegen meine Brust schlug.
Es wurde mir einfach Zuviel!
Hatte denn niemand Verständnis für mich gehabt?
Die beiden Männer sahen mich regungslos an.
Zitternd und zugleich wimmernd legte ich meine Hand ins Gesicht.
Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst geworden.
„Lasst mich einfach in Ruhe." schluchzte ich und sank auf meine Knie.
All diese toten Gesichter die mich verfolgten, die grausamen Schreie und die furchtbare Einsamkeit.
Es war nicht fair, ich war nicht für diese Zeit bestimmt.
Ich wollte einfach nur in meinem Bett aufwachen und es als einen grausigen Albtraum abtun.
„Miss, niemand macht ihnen einen Vorwurf." Arthur hockte sich neben mich und legte tröstend seine Hand auf meinen Rücken.
Verheult sah ich auf und unterdrückte einen Schluchzer.
Der blauäugige deutete John, dass er weggehen sollte, was er auch umgehend tat.
„Hören sie, ich hatte sowas befürchtet, aber sie müssen es rauslassen."
Er strich mir die verklebten Haarsträhnen aus meinem Gesicht und schenkte mir ein Lächeln, was ich zuvor noch nie bei ihm gesehen hatte.
Es war eine Mischung aus Fürsorge und Aufmunterung.
„Ich kann nicht." wimmerte ich und vergrub mein Gesicht in meine Hände.
Er seufzte hörbar und setzte sich ins Gras, dabei lehnte er sich an den Baumstamm, der hinter ihm aus der Erde ragte, als er seinen Arm um mich schlang und mich enger an seinen warmen Körper zog.
„Sie sind nicht allein, verstanden? Nur ertrage ich es nicht, wenn sie weinen." raunte er, was mir eine Gänsehaut über meine Haut jagte.
„Dann gehen sie doch, wenn ich mit meinem Geheule nerve." nuschelte ich und schmiegte mich unweigerlich enger an seine Brust.
„Halten sie die Klappe." in seinem Stimmklang schwebte seine allbekannte Ironie.

Zwischen uns die ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt