5) Abendschwäche

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Es ist nicht das erste Mal, dass Lydia im Audi von Cecile mitfährt, aber es hat sich schon länger nicht mehr ergeben. Es ist ein sportliches Modell und fährt praktisch lautlos durch die Innenstadt.

Es ist fein rausgeputzt und die Armaturen blitzen einem entgegen. Musik spielt im Radio, was die sonstige Stille glücklicherweise etwas unterbricht.

Wann immer Lydia die Gelegenheit hat, ihre Chefin an eine Verhandlung zu begleiten, nimmt sie diese Aufgabe pflichtbewusst an.

Nur dieses Mal ist sie so unglaublich übermüdet, dass sie fürchtet, die Hälfte der Unterlagen im Büro liegengelassen zu haben. Schon zum zweiten Mal durchwühlt sie ihre Tasche auf dem Beifahrersitz und atmet erleichtert aus, als alles vorhanden ist.

«Was ist mit dir? Du machst mich ganz hibbelig», kommentiert Cecile, als sie in eine dichtbefahrene Strasse einbiegt und konzentriert auf den Verkehr schaut.

«Nichts, ich bin nur etwas gerädert und hatte keine Zeit mehr einen Kaffee zu trinken.»

Vor dem Mittag war im Büro die Hölle losgewesen. Sie hatte die Mittagspause verkürzt, um vor dem Termin auf dem Gericht noch zwei andere wichtige Pendenzen zu erledigen. Nun sehnt sie sich nach der süssen, schwarzen Brühe.

Als Cecile wissen will, wie lange sie gestern noch gearbeitet hat, überlegt sich Lydia, ihre Chefin anzulügen. Die Frage nach dem Sinn, lässt sie aber bei der nackten Wahrheit bleiben.

«Bis etwa halb elf...» Sie kann aus dem Augenwinkel Ceciles Gesichtsregung erkennen. «Aber es war ganz ok. Endlich bin ich mal weiter gekommen mit dem Geschäftsausflug.» Sie seufzt. «Es gibt nach wie vor viel zu tun und ich glaube, dass es zu viele Programmpunkte sind.»

Sie schliesst die Augen. Cecile wird gleich widersprechen.

«Dann streichen wir welche», äussert diese hingegen in einem neutralen Tonfall. Lydia staunt über die Antwort. Sie ist froh und fragt bewusst nicht nach, ob sie sicher ist.

«Ihr müsst uns sagen, wenn wir eine weitere Person im Sekretariat benötigen. Meine Kollegen werden keine Freude haben, aber ich bin da anderer Meinung. Wir brauchen euch einsatzbereit und arbeitsfähig... nicht nahe der Ohnmacht und leichenblass.»

Lydia rollt innerlich mit den Augen. Sie ist sich bewusst, dass sie heute etwas tiefere Augenringe vorzeigt aber vorhin im Spiegel sah es dank einer Schicht Makeup gar nicht so schlimm aus.

«Ich werde mit den anderen reden», versichert Lydia. «Aber es liegt nicht nur daran – ich schlafe zurzeit schlecht.»

Lydia weiss nicht, warum sie das sagt. Sie kann doch bei Scarlett über solche Dinge klagen aber warum erzählt sie das ihrer Chefin?

Genau in dem Moment kommen sie an einer Ampel zum Stehen. Mit einem Blick zur Seite stellt sie fest, dass Cecile wortlos in ihre Richtung schaut aber nicht direkt in ihre Augen. Eine Frage hängt über ihrem Kopf, die sich Lydia nur zu gut ausmalen kann.

«Keine Angst, es ist nicht wegen dir», redet sie weiter und fragt sich, warum sie nicht einfach still ist.

«Das habe ich auch gar nicht gedacht», murmelt Cecile fast ein bisschen gekränkt hinter dem Steuer und zwingt Lydia zu einem Grinsen.

«Es ist wegen meinem Mitbewohner. Er hält es für angebracht ständig neuen Damenbesuch zu sich einzuladen. Er ist jeweils sehr erfolgreich, wenn er ausgeht.»

Nun starrt Cecile sie ungläubig an.

«Du hast einen Mitbewohner? War der... ich meine, als ich...»

Lydia schüttelt den Kopf.

Die AnwältinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt