Nachdem ich es mir auf dem Sofa gemütlich gemacht habe und auf Tina warte, schweifen meine Gedanken ab und bleiben wie so oft bei meiner Mutter und bei Theo hängen. Diese beiden Menschen sind zu sowas wie der Mittelpunkt meines Lebens geworden. Ich weiß zwar noch immer nichts über meine Geschichte, aber ich werde es mit Theos Hilfe hoffentlich ganz bald herausfinden.
Wie unglaublich intensiv sich diese vielen kleinen Theomomente angefühlt haben und das obwohl wir uns noch nicht einmal geküsst haben. Diese sanften Berührungen und dieser Blickaustausch, die mich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich berührt haben, haben sich tief in mir verwurzelt. Ich ertappe mich dabei wie ich immerzu daran denke, wie er mir noch näher kommt, so nah wie möglich und so nah, dass kein Blatt mehr zwischen uns passt. Er macht etwas mit mir von dem ich geglaubt habe, dass ich es nie wieder spüren könnte.
Und jetzt kommt dieses Gefühl immer mehr zurück. Es macht mir auch ein bisschen Angst, weil es bedeutet, dass ich wieder so tief verletzt werden könnte wie damals. Aber das Risiko wird immer bestehen. Keiner kann prophezeien, wie deine Zukunft aussehen wird, doch was wir beeinflussen können, ist wie wir unser Leben leben wollen, was wir dafür tun wollen, was wir fühlen wollen, was wir uns für Ziele setzen wollen, was wir erleben wollen, wie wir unsere Entscheidungen treffen wollen und wie wir unsere Lebensmomente gestalten wollen. Letztlich können wir vieles zwar nicht beeinflussen, aber wir können dafür sorgen, dass wir einen Weg finden, der uns gut tut und der uns dauerhaft glücklich macht.
Ich muss kurz auf dem Sofa eingenickt sein, als ich hektisch hochschrecke als es klingelt. Ich renne zur Tür, um Tina zu öffnen.
„Hey Lilly, schön dich zu sehen. Ich bin ja so aufgeregt wegen dieser möglichen Schwangerschaft", sagt sie und hält mir die Apothekentütte ins Gesicht.
„Hey Tini, schön dich zusehen. Das glaube ich dir so. Na dann husche du mal schnell ins Bad und ich schaue dann für dich auf den Test einverstanden?"
„Einverstanden, Lilly!"
Einige Minuten bleibt es ruhig bis sie schließlich mit zitternden Händen wieder auf mich zu kommt und mir den Test reicht.
„Und Lilly, wie viele Striche sind zu erkennen?"
„Es sind zwei. Das heißt, du bist...!", zu mehr komme ich nicht, da reißt sie mir schon den Test aus der Hand und schaut selbst drauf.
„Ich, Ich bin schwanger", sagt sie überglücklich und hält ihre Hand an den Bauch.
„Ja, Tini. Das bist du. Ich freue mich ja so für euch. Du wirst eine tolle Mutter werden."
Sie macht noch zwei weitere Tests, die alle positiv ausfallen. Ich kann es noch gar nicht so richtig fassen, meine beste Freundin bekommt ein Baby. Wir umarmen uns und vergießen viele Freudentränen, weil dieser Moment einfach so wunderschön ist.
„Lilly, und jetzt du. Der Brief von deiner Mutter", sagt sie und ich erinnere mich wieder an das Stück Papier, was ich am liebsten für immer geschlossen lassen möchte, weil ich so sehr Angst habe. Bei all den Emotionen habe ich diesen Brief fast verdrängt. Ich hole ihn aus der Schublade meines Nachtschranks.
„Hier ist er. Seit ich ihn habe, starre ich ihn nur an. Ich traue mich einfach nicht ihn zu öffnen, geschweige denn zu lesen."
„Ich weiß wie viel Angst dir dieser Brief machen muss, aber es ist auch Stück von deiner Vergangenheit. Du solltest es lesen. Ich kann ihn dir vorlesen, wenn du das lieber möchtest."
„Ja, mache das bitte."
Ich reiche ihr den Umschlag mit dem Brief. Ich sehe, die mir vertraute Handschrift meiner Mutter.
Liebe Lilly, ich vermisse dich sehr. Du bist doch meine Tochter. Ich musste gehen, weil ich absolut keine Wahl gehabt habe. Es ist in der Vergangenheit etwas passiert, in das ich dich nicht mit hineinziehen konnte. Alles, was ich wollte, war dich zu beschützen. Deine Oma war die Einzige, der ich dich anvertrauen konnte. Ich muss noch ein paar Dinge klären. Bald werde ich wieder zurück sein. Ich verspreche es dir. Es ist im Moment noch zu gefährlich für dich. Hier ist ein Schlüssel für ein Schließfach, was sich in München am Bahnhof befindet. Falls mir etwas passiert, musst du meine Dokumente gut verstecken, damit sie nicht in die falschen Hände geraten. Das ist ganz wichtig. Öffne die Dokumente nur im äußersten Notfall und führe das fort, was ich seit Jahren mache. Ich hab dich lieb. Ich habe dich nie vergessen.
Deine Mutter
„All die Jahre dachte ich, meine Mutter wäre eine egoistische und selbstsüchtige Frau gewesen und nun erfahre ich, dass sie mich eigentlich nur beschützen wollte. Oh man, das muss ich erst einmal verdauen", sage ich mit Tränen in den Augen.
Meine Freundin umarmt mich und streicht mir liebevoll über den Rücken.
„Ich bin so froh, dass du da bist. Du bist immer da, wenn ich dich brauche. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde."
„Das hier sind jetzt vielleicht nicht die Zeilen, die du dir gewünscht hast, aber zumindest weißt du nun, dass dich deine Mutter nicht grundlos verlassen hat. Du musst nach München fahren und in das Schließfach schauen."
„Ja, ich wollte in den nächsten Tagen sowieso mit Theo seine Mutter in München besuchen fahren. Er hat mir angeboten mir bei der Suche von meiner Mutter zu helfen. Seine Mutter ist angeblich die feste Freundin von meiner Mutter."
Tina schaut mich erstaunt an.
„Ja, so habe ich auch geschaut und weiß nicht, ob ich es glauben soll, aber es ist zumindest ein Anhaltspunkt."
„Du magst Theo oder?"
„Ja, ich mag ihn irgendwie. Er hat sowas an sich."
„Lilly hat sich verliebt. Wie schön."
„Ach, halt die klappe", sage ich und wir lachen.
Wir sitzen noch eine Weile bei mir auf dem Sofa und quatschen.
Hier ist ein neues Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch.
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Dein Herz ist mein Herz
RomanceIch bin eine bunte verrückte Nudel, fast schon zu verrückt, aber genau dafür liebt man mich. Die Hochzeit meiner besten Freundin ist eigentlich ein schönes Ereignis, wäre da nicht die Frau gewesen, die mein Leben zerstört hat und es nun wieder orde...