Eine Höllenhitze ging vom Boden aus. Lauter Donner ertönte im Hintergrund, ein Lärm, welcher alles zu zerstören drohte und den Tod ankündigte. James schreckte zusammen und zitterte stärker. In seinen Ohren bebte noch mehrere Minuten lang der Widerhall. Es war ein Albtraum, die Hölle auf Erden für James, doch war es leider Wirklichkeit. Es war die Realität, welcher er noch viele Jahre davonzulaufen versuchte, so wie er jetzt auf sie zulief.
Zerstörung war das einzige Wort, welches sein Kopf in diesem Moment finden konnte. James Welt zersplitterte von Sekunde zu Sekunde ein Stückchen mehr. All diese Menschen, welche nun untergingen. Diese Welt, welche nun im Nichts verschwand. Sein Herz zersplitterte mit dieser Welt in tausende Teile, von denen er niemals alle wiederfinden würde. Tausende Teile, welche den Untergang bedeuteten.
Das kleine Dorf, welches immer alles für James war, lag längst unter Schutt und Asche vergraben. Selbst die sich kilometerweit erstreckenden Felder waren schon unter Tonnen von Bimsstein vergraben. Herzen, welche ihr Leben für das Gute gekämpft hatten, hatten am dunkelsten Tag ihres Leben aufgehört zu schlagen. Und nur ein Zufall, eine Verspätung nach der Arbeit, hatte ihn vor diesem schrecklichen Schicksal errettet. Und doch läge er in diesem Moment lieber unter Tonnen von Asche, als Elisabeth auf diese Art verlieren zu müssen, ohne etwas tun zu können.
Es war, als würde er in ein schwarzes Nichts fallen. In ein Nichts, welches ihn festhielt und in seine Tiefe zog. Steine prasselten nur so auf ihn nieder, die kochende Hitze quälte ihn fast zu Tode, doch er konnte einfach nur langsam zurückgehen. Dieser Schmerz, wenn die zerstörerische Wärme von seinen Füßen den Weg bis in seinen Kopf fand und seine Gedanken verdeckte, war unerträglich. Der Vulkanausbruch donnerte in seinen Ohren, doch der Schmerz des Lärmes konnte dem des Herzens nicht Herr werden. Er verstand das alles einfach nicht. Es konnte alles einfach nicht wahr sein! Doch der Rauch, welcher ihm die Sinne vernebelte, und das näher kommende Höllenrot ließen ihn wahrhaben, dass es das Ende war. Das Grollen, lauter als Donner, lauter als alles, was er jemals gehört hatte, brachte diesem unheilvollen Tag seine Vollkommenheit des Unglücks. Es war der Untergang des so sehr geliebten Dorfes und der Untergang von noch viel mehr.
Er musste etwas tun, er musste! Und doch konnte er nicht. Immer wieder hämmerte sich dieser Satz in sein Bewusstsein, während er den blutroten Lavastrom in der Ferne aus dem schwarzen Nichts hervorstechen sah. Immer wieder, immer stärker, glaubte er, es sei seine Verpflichtung. Er versuchte nur einen Blick auf sein Haus zu erspähen, doch es war unmöglich, irgendetwas zu erkennen.
Er rannte um sein Leben, weg von dem Ort des Schreckens, doch gleichzeitig konnte er alles nicht wahrhaben. Während seine Schritte über den ausgetretenen Feldweg hämmerten, kam ihm die Unglaubwürdigkeit der Situation immer wieder in den Sinn. Was, wenn er alles nur träumte? Doch auch in seinen kühnsten Träumen hätte er sich nie ein solches Schreckensbild ausmalen können. Getrieben von Angst konnte er nur rennen, doch immer noch hielt ihn etwas zurück. Etwas, für das er selbst sein Leben geben würde. Oder besser gesagt jemand.
Weshalb musste Elisabeth sterben? Viel lieber wollte er sterben, denn alles war besser, als dass seine geliebte Frau ihr Ende findet. Wie konnte er es bloß nicht verhindert haben? Wieso konnte er nichts tun? Vielleicht war sie doch in Sicherheit? Es musste so sein! Es musste! Und doch konnte es nicht so sein.
Er lief immer schneller und schneller den Hügel hinunter. Fort, in die Stadt, welche schon so weit entfernt war, dass nichts sie erreichen konnte. Die Angst trieb ihn in Momenten weiter, in denen er schon längst aufgegeben hätte, wenn es nicht so wichtig wäre zu rennen. Denn auch wenn er in seinem Herzen sich nicht von seiner Heimat entfernte, so wusste er, dass ein Bleiben den unweigerlichen Tod bedeutete. Und Elisabeth hätte nie gewollt, dass er ihretwegen stirbt.
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Minuten, Stunden und eine gefühlte Ewigkeit später war er schon dem Schicksal entronnen. Das Bimsstein hatte sich schon niedergelegt und auch am Horizont erschien schon der blaue Himmel. Knapp einen Tag danach war aus der Ferne kein Zeichen der Tragödie erkennbar. Menschen waren gestorben und kaum jemand weinte. Es schien, als wäre nichts geschehen. Und doch hatte sich alles verändert.
James blickte mit schmerzverzerrtem Gesicht zu seinem ehemaligen Zuhause. Ein Berg türmte sich über seinem Dorf auf. Abermillionen Tonnen von Asche begruben Elisabeth und sein voriges Leben für die Ewigkeit. Nicht einmal ein Tag war vergangen und schon war alles vorbei. Doch immer, wenn er die Augen schloss, sah er wieder und wieder die Katastrophe auf sich zukommen. Er hätte es einfach vorausahnen müssen! Aber nein, es galt doch die Versicherung, dass nichts geschehen würde, dass die Erderschütterungen bloß kleine Erdbeben seien, die völlig ungefährlich sind.
Immer mehr Tränen bahnten sich durch sein Gesicht und tropften auf den Weg, welcher mit nur halb festgewordenem Bimsstein besetzt war. Das Dorf war vom Erdboden verschwunden. Kein Haus, keine Straße war mehr zu erkennen, nur noch ein Berg auf einem großen grauen Hügel, welcher über und über von grauem Gestein umhüllt war. Einfach alles war weg. Er konnte nur stehen und sich alles ansehen. Alles, was nun nichts war. Dieses Nichts, das dennoch alles bedeutete.
"Elisabeth?", flüsterte James, wissend, dass es vergeblich war. Es war schon lange zu spät. Seine Stimme krächzte, er war fast unhörbar, die meterhohen Mauern aus grauem Gestein schienen sich um seinen Geist zu legen und alles unterdrücken zu versuchen. Mehrere Meter über den eigentlichen Dächern türmte sich das graue Gestein und verhinderten, dass er zu seiner geliebten Elisabeth gelangen konnte.
Er konnte es immer noch nicht fassen. Es musste ein Albtraum sein. Doch war es nicht. Deshalb rannte er nicht nur weg von dem Ort, welcher nichts mehr war, sondern auch von seinem bisherigen Leben, seiner Vergangenheit, welcher er jedoch niemals entfliehen konnte. Seine Tränen befleckten nun die Erde, welche immer von Leben erfüllt gewesen war und es nicht mehr war. Doch sie befleckten auch sein Herz, sodass es an kalten Tagen daran fast erfror. Ein Bann nahm ihn ein, ließ ihn haltlos zurück, ohne dass er diesem entfliehen konnte. Er wusste nicht wohin, aber hier wollte er nicht bleiben. Nicht an diesem grauenvollen Ort, an dem nun alles begann und später alles enden würde.
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Remember and forget
غموض / إثارةAlles hat einen Anfang, sogar das Ende--- Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...