(35) Das Meer wird bluten

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Warnung: Das ist das Kapitel mit den meisten (beschriebenen) Todesszenen. Sie folgen relativ nah aufeinander und machen einen Großteil des Kapitels aus. Insbesondere eine von ihnen wird meiner persönlichen Einschätzung nach recht detailliert geschildert (sie lässt sich mit der aus Kapitel „(4) Für immer" vergleichen).

Ihr sollt wissen, worauf ihr euch einlasst.

Astrid

Der leichte Wind war angeschwollen, kräuselte als zügige Brise um die Segel unter uns. Und zusammen mit den spärlichen Qualmsträhnen am blauen Himmel musste er irgendwo über uns Heidruns Widerstandsfähigkeit davonfegen. Wir hatten sie und Taff aus den Augen verloren, viel zu schnell. Immerhin hatte sie das trockene Oberteil angenommen, das ich unerwartet unten in meiner Tasche gefunden hatte. Den Grund für ihr triefendes Auftreten hatte sie jedoch hartnäckig verschwiegen. Blieb zu hoffen, dass es nicht erneut dazu kam.

Sturmpfeil witterte ein nahendes Schwert, wir tauchten aus den Gedanken zurück in die Realität und unter dem Schlag hindurch.
Sirren, Ratschen, der Jäger griff sich an die Kehle, Blut spritzte zwischen seinen Fingern hervor. Wir traten zurück, als er vornüber kippte.

„Danke."

Yorvick nickte bloß, seine Miene verschlossen. Eine ausgezeichnete Trefferquote hieß nicht, dass er den Kampf liebte- je länger wir in seiner Nähe waren, desto deutlicher wurde seine Abneigung demgegenüber.

Wir drehten uns weiter, knallten dem Nächsten das Axtblatt flach gegen den Hinterkopf. Sein Helm tat, wofür er geschaffen worden war, der Mann holte seinerseits aus, wir kickten ihm in die Kniekehle, Axtgriff in die Magengrube. Er fiel.

„Jetzt die Katapulte. Ich halte dir den Rücken frei."

Diesmal nickten wir, die Klinge zischte bereits auf die Zahnräder zu. So war unser Abkommen gewesen; Katapulte und sonstige Schießvorrichtungen ausschalten, weiter zum nächsten Schiff. Nur dann gegen Menschen kämpfen, wenn es absolut nötig war.
Yorvicks Worte klangen noch immer im Wind nach.
„Wir sind nicht hier, um zu töten, sondern, um zu überleben."
Wir hatten ihm nicht widersprechen können.

Endlich, ein Rädchen sprang aus dem Mechanismus. Schwups, es flog, plitschte ins Meer. Dieses Katapult würden sie heute nicht mehr nutzen können. Weiter.

„Hey, Astrid, ducken!"

Sturmpfeil gehorchte, ehe ich die Worte zuordnen konnte. Etwas schoss knapp über meinen Kopf hinweg, streifte meine Haare. Uäh, der Geruch erschlug uns fast. Was war das?
Ein kleines Keramikgefäß.
„Augen zu!"
Yorvicks Stimme.
Zischen, eine seiner Wurfklingen traf das Fläschchen, wir hörten das hohe Knacken, hörten, wie sich die Risse in Blitztempo durch die Seitenwände fraßen, der Ton knirschend nachgab. Die Explosion zermalmte die Scherben noch in der Luft zu Steinmehl, Licht knallte durch den schmalen Schlitz hinter meinen Wimpern, der Schall zeichnete klare Bilder auf die geschlossenen Lider.

„Gern geschehen!", singsangte es.
Dort, Nira hing ein Schiff weiter in der Takelage, ihre Hand hielt ein weiteres derartiges Gefäß.
Sie sprang abwärts, verschwand hinter dem Mast.

Rumpeln hinter uns. Drachenjäger stolperten über ihre Füße, rissen sich gegenseitig nieder. Ihre Arme ruderten ausgestreckt durch die Luft.

Eine Blendbombe.

Gut, dass sie diesmal auf unserer Seite stand.
Vorerst.

„Sie sammelt ihr Zeug zusammen.", seufzte Yorvick. „Ein Wunder, dass sie sich das alles merkt."
Belustigtes Schnauben, Kopfschütteln, als wäre ihm soeben etwas Unvergessliches wieder eingefallen. Wir würden es wohl nie erfahren, denn er konnte seine Worte meisterhaft von den Gedanken abspalten. Ein schweigsamer Händler. Seltsame Vorstellung nach all den Jahren, in denen Händler Johann unser Bild nachhaltig geprägt hatte.

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt