13) Schmetterlingskuss

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Sie ist schon seit mehreren Minuten wach, doch die Augen hält sie geschlossen. Sie weiss, dass es kein Traum war... trotzdem will sie noch eine Weile im Moment schwelgen, ehe sie sich der Tatsache stellen muss, dass sie heute die Rückreise antreten. Zurück in den Alltag.

Erst als sie etwas Sanftes auf ihrer Nase spürt, öffnet Lydia die Augen.

Vor ihr liegt Cecile, den Kopf seitlich auf ihrem Ellbogen ruhend und eine Hand nach Lydias Gesicht ausgestreckt. Als sie merkt, dass sie beobachtet wird, zieht sie sie zurück.

«Guten Morgen», flüstert sie.

Wie kann man so schön aussehen, gleich nachdem man aufgewacht ist... Lydia wundert sich wirklich und lächelt.

Sie stellt fest, dass Cecile nach wie vor nackt ist, die Decke nur bis zu ihrer Mitte hochgezogen, während Lydia sich tief darunter vergraben hat.

«Bist du schon lange wach und starrst mich an?», murmelt sie in die Decke.

Cecile schüttelt den Kopf. Ihre Finger kehren zu Lydias Haut zurück und streicheln sie sanft an der Wange.

«Gut... das wäre nämlich ziemlich creepy.»

Cecile reagiert mit etwas, das Lydia noch nie von ihr gehört hat. Sie kichert. Nur ganz kurz.

Wortlos schauen sie sich eine Weile an. Eine schüchterne Morgensonne dringt durch den nur zur Hälfte zugezogenen Vorhang und wirft goldene Schimmer auf Ceciles Hals. Lydia lässt ihre Augen über den Körper vor ihr wandern.

Die Schulter, die kaum vorhandenen Härchen auf dem Unterarm, die Delle zwischen den Schlüsselbeinen und über die Lippen, die Lydia wie magisch anziehen. Sie unterdrückt jedoch den Drang sie zu küssen und bleibt liegen, während Cecile sanft mit Lydias Haaren spielt. Normalerweise mag sie es nicht, wenn man sie zu sanft berührt, weil es mehr kitzelt, als es sich gut anfühlt.

Aber jetzt fühlt es sich an, als ob ein Schmetterling auf ihrer Haut landet. Es ist schön. Sie könnte stundenlang so liegenbleiben.

Nach einer Weile dreht Cecile sich auf den Rücken, um einen Blick auf ihr Mobiltelefon, das auf dem Nachttisch liegt, zu werfen.

«In einer Stunde müssen wir runter zum Frühstück... danach geht's zurück zum Flughafen.»

Lydia ist sich dem sehr wohl bewusst und doch wünscht sie sich, dass sie sich im Tag irren und noch eine weitere Nacht hier in Amsterdam vor sich hätten.

Sie schaut zu, wie Cecile ein paarmal auf ihrem Bildschirm hin- und her wischt, wahrscheinlich um die Mails zu überfliegen.

Sie nutzt die Gelegenheit schamlos, Ceciles Brüste von der Seite zu betrachten. In ihren Augen sind sie einfach... perfekt.

«Wer ist jetzt creepy von uns beiden?», wird sie erwischt und erntet einen belehrenden Blick. Lydia lacht und setzt sich auf, um gegen das Kopfteil zu lehnen. Als Cecile das Gleiche tut und das Telefon weglegt, finden sich ihre Hände auf der Matratze, so wie gestern im Taxi.

Lydia atmet ein und aus und drückt dann Ceciles Hand.

«Du willst das bestimmt nicht hören aber... wie wird es jetzt weitergehen?»

Sie schielt zur Seite. Cecile seufzt kaum hörbar.

«Ich weiss es nicht», entgegnet diese leise. Lydia schluckt.

Sie will eigentlich nicht reden müssen. Und doch will sie das schon seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht. Nur gerade jetzt ist es schwer.

Alles fühlt sich so gut an. Sie weiss nicht, wann sie das letzte Mal so schöne und unbeschwerte Tage erlebt hat wie die vergangenen drei. Jetzt über die Zukunft zu reden ist ein Stimmungskiller und doch kommen sie nicht drumherum.

Die AnwältinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt