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Langsam und bedrohlich ging Aaron schließlich auf den Gefangenen zu, der den Blick gesenkt hielt. „Du wagst es, meine Sklavin zu entführen. Du wagst es, ihr Leben zu bedrohen." wandte es sich kalt an den Gefangenen, der inzwischen zitterte. „Es tut..." setzte er an, wurde aber von Aaron unterbrochen. „Name!" herrschte er ihn an. „Jonas, Hoheit. Jonas Taliza. Bitte... es tut..." „Schweig!" donnerte Aaron so laut, dass Finya zusammen zuckte. Der Vampir unter ihm winselte. „Finya, komm zu mir." forderte Aaron seine Sklavin auf, ohne sich umzudrehen. Finya ging auf ihn zu und sank neben ihm auf die Knie. „Bist du verletzt?" hakte er nach. „Nein, Herr. Er hat mich nicht verletzt."
Aarons Augen blitzten wütend auf. „Und warum rieche ich dann frisches Blut?"
Finya stutzte und runzelte die Stirn. Nachdenklich für sie sich mit der Hand über den Nacken und stutzte erneut. In ihrem Nacken hatte sie sich eine leichte Schürfwunde zugezogen, als Jonas ihr die Kette vom Hals gerissen hatte. „Oh..." Finya wirkte überrascht. „Das muss passiert sein, als er mir die Kette vom Hals gerissen hat."
Fast schon grob strich Aaron Finyas Haare zur Seite und inspizierte ihren Nacken, wirkte schließlich zumindest etwas besänftigt, da seine Sklavin nicht ernsthaft verletzt war.
Davon war jedoch nichts mehr zu spüren, als er sich wieder dem Gefangenen zuwandte. „Du hast meine persönliche Sklavin entführt und verletzt. Du hast dafür den Tod verdient. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?"
Jonas hob mühsam den Blick und sah seinen König angstvoll an. Diese Bewegung war durch den Griff der Vampire in seinem Rücken eindeutig schmerzhaft. Nach wie vor wehrte er sich nicht, auch wenn er sich sicher war, aus dieser Sache nicht mehr lebend heraus zu kommen. „Ich kann nur vielmals um Verzeihung bitten, mein König. Hätte ich gewusst, dass sie Euer ist, nie hätte ich diesen Auftrag angenommen."
Aarons Augen funkelten. „Sie trug mein Zeichen." „Es tut mir Leid, mein König. Ich hatte nicht auf das Zeichen geachtet." Jonas legte den Kopf in den Nacken, wobei sich seine Miene schmerzhaft verzog, und bot so seine Kehle dar, unterwarf sich seinem Herrscher. „Ich unterstelle mich Eurem Richterspruch. Ich werde jedwelches Urteil annehmen, auch wenn es meinen Tod bedeutet."
Aaron blickte ihn ungerührt an und strich mit seinem Finger über Jonas Kehle. Dieser schloss die Augen und ergab sich in sein vermeintliches Schicksal. „Welchen Auftrag?" Aarons Hand schloss sich mit steigendem Druck um Jonas Kehle.
„Den Auftrag von Krait Emela."brachte er mühsam hervor.
Im Augenwinkel nahm Aaron wahr, wie Finya bei diesem Namen leicht zusammen zuckte. „Es scheint, meine Sklavin kennt diesen Namen...
Aaron löste seine Hand von Jonas Hals und blickte ihn schweigend an, sah dann hinter ihn zu Andrej und Ivar. „Fesselt ihn"
Andrej  ließ den Mann los, der reglos in seiner Stellung verharrte, zog ein stabiles Seil aus seinem Gürtel und fesselte Jonas Hände straff zusammen. Dieser zuckte merklich, als das Seil scharf in seine Handgelenke schnitt, doch kam kein Laut der Klage über seine Lippen. Die beiden Vampire stellten sich hinter den Gefangenen, ohne ihn dieses Mal jedoch weiter fest zu halten. Das einfachste in dieser Situation wäre für sie ein Fluchtversuch seitens Jonas, was dessen sofortige Exekution zur Folge hätte. Doch Jonas blieb reglos vor seinem König knien.
„Erzähle mir mehr von diesem Auftrag."
„Ich bin Sklavenfänger, Hoheit." begann er zu erklären. „Krait kam zu mir. Er erzählte, dass ihm seine Sklavin geraubt worden sei. Ich sollte Eure Kutsche überfallen und sie befreien. Er sagte, ich soll das Zeichen, das sie trägt sofort entfernen, da es für sie eine Qual und für ihn eine Beleidigung seiner Augen wäre."
Aaron blickte ihn scharf an. „Ich glaube dir kein Wort. Wenn deine Geschichte stimmt...welchen Grund hättest du gehabt mit ihrem Tod zu drohen?"
Jonas sah Aaron aufrichtig an. „Ich hätte sie nicht getötet. Diese Drohung war jedoch mein einziges Druckmittel...Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Ihr so viele Wachen dabei habt." Aaron nickte. DIESE Worte klangen zumindest glaubwürdig. 
Er begann, vor ihm auf und ab zu schreiten. „Was mache ich jetzt mit dir..." sprach er mehr zu sich selbst. „Ich kann dich weder mitnehmen, noch zurückbringen. Dazu fehlt mir die Zeit. Ich kann auch keinen meiner Garde entbehren und du wirst ja wohl kaum freiwillig in meine Burg gehen und dich bis zu meiner Rückkehr in den Kerker sperren lassen..." Jonas holte Luft und wollte ansetzen, etwas zu sagen. Stattdessen senkte er jedoch den Blick und schwieg.
Aaron blickte ihn aus funkelnden Augen an. „Nur immer raus mit der Sprache. Beehre uns mit deinen tollen Ideen." Aarons Stimme troff vor Spott. Jonas schluckte, hob aber dann den Blick. „Ich weiß, dass Ihr mir das nicht glauben würdet und es daher nicht dazu kommen wird, doch ich gab Euch mein Wort, mich Eurem Richterspruch zu beugen. Wenn Ihr es also von mir verlangt, werde ich mich auf den Weg zur königlichen Burg machen und mich dort freiwillig in Euren Kerker einsperren lassen." erwiderte Jonas ernst. Aaron musterte ihn amüsiert. „Du hast Recht, das nehme ich dir nicht ab."
Dann wurde er jedoch ernster und blickte prüfend auf Jonas hinab. Dieser schien seine Worte wirklich aufrichtig zu meinen. Aaron bezweifelte, dass von Jonas noch weiter Gefahr ausgehen würde. Ihm blieb fast keine andere Wahl, als die Sache auf sich beruhen zu lassen - so ungern er sich das auch eingestand. Er gehörte nicht zu den Herrschern, die jemanden ohne fairen Prozess töteten. Und für einen Prozess fehlte ihm genauso die Zeit.
Aaron wandte seinen Blick Dimitri zu. Dieser nickte ihm leicht zu, schien also das Gleiche zu denken. Verärgert knurrte Aaron.
Schließlich trat er neben Finya. „Steh auf, Finya." forderte er sie auf.
„Was meinst du, meine kleine Sklavin?" fragte er sichtlich sanfter und schob Finya vor sich. „Soll ich ihn laufen lassen?"
Finya sah nachdenklich auf Jonas hinab. Deutlich sah sie die Angst in seinen Augen. Gleichzeitig jedoch auch die schuldbewusste Mine und den festen Willen, sich den Konsequenzen seines Handelns zu stellen.
Ihr Blick suchte den ihres Herren. „Es...ist ja nichts weiter passiert, Herr."
Aaron nickte nur. „Nun dann..... Steh auf, Jonas Taliza."
Mit etwas Mühe kam Jonas auf die Füße. „Du kannst dich bei meiner Sklavin bedanken. Ich lasse dich gehen." Jonas drehte sich Finya zu und verneigte sich dankend vor ihr.
Aaron nickte Andrej zu und dieser löste die Fesseln. Sofort beugte Jonas das Knie vor seinem Herrscher.
„Steh auf und geh mir aus den Augen, bevor ich es mir anders überlege." knurrte er. Jonas erhob sich, verneigte sich ein weiteres Mal und lief dann los.
Inzwischen hatten Arvid und Kjell die Kutsche um das Wäldchen herum gelenkt. Aaron blickte Jonas noch eine Weile nach. Bereits jetzt war dieser nur noch als kleiner Punkt zu sehen. „Den sehen wir nie wieder." Dimitri trat neben seinen König. „Das denke ich auch."
Wenig später rollte die Kutsche bereits weiter in Richtung von Imperator Aegirs Reich.
Missmutig sah Aaron auf die Halskette, deren Verschluss sichtlich verbogen war und sich nicht mehr schließen ließ. „Das wird Yorick reparieren müssen." Enttäuscht sah Finya auf die Kette. „Ich hätte sie wirklich gerne getragen, Herr."
Aaron lächelte. „Yorick gab mir vor der Abfahrt noch etwas anderes für dich, das du tragen kannst, wenn du es möchtest." Er griff in seinen Umhang, holte den Samtbeutel hervor und reichte ihn Finya.
Neugierig öffnete Finya den Beutel und holte zwei Armreifen hervor. Sie waren flach, dafür aber mehrere Zentimeter breit und mit fein ziselierten Mustern und Hammerschlägen verziert. Wie auch der Anhänger der Kette waren die Reifen mit kleinen Edelsteinen und Diamanten verziert. Yorick hatte die Reifen oval gearbeitet, damit sie sich nicht verdrehen konnten, denn mittig an der Oberseite und somit immer zu sehen war das Wappen des Königs eingearbeitet.
„Auch diese Reifen sind ein Geschenk für dich. Auch diese Reifen kannst du anlegen oder abnehmen, wie du es möchtest."
Lächelnd legte Finya den ersten Armreif um ihr Handgelenk und ließ sich von ihrem Herren helfen, diesen zu schließen, bevor sie mit dem zweiten ebenso verfuhr."
Nachdenklich lag ihr Blick dann auf ihren Händen. „Noch vor wenigen Wochen hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich Euer Zeichen  je freiwillig tragen werde, Herr. Doch jetzt trage ich es mit Stolz. Ihr gebt mir so viel und ich fühle mich in mancherlei Hinsicht freier als in meinem alten Leben." Aaron nickte ihr zu, blickte jedoch dann aus dem Fenster, wo Dimitri gerade vorbei ritt und ihm ein Zeichen gab. „Knie zu meinen Füßen nieder, Finya. Wir nähern uns der Grenze." Geschmeidig sank Finya auf den Boden der Kutsche.  Als sie Aarons Hand in ihren Haaren spürte, lehnte sie sich sacht an seinem Bein an, sah ihn jedoch, seine Reaktion abschätzend, an. „Das könntest du ruhig öfters machen." Aaron nickte ihr freundlich zu, wurde aber dann ernst.
„Wer ist Krait Emela?" fragte er dann unvermittelt. Finya atmete tief durch. „Ich dachte mir schon, dass Ihr das fragen werdet, Herr. Krait Emela ist der Halbbruder von Haruto." Aaron ballte wütend die Faust. „Hat er dir je etwas angetan?" Aarons Worte kamen schärfer heraus, als beabsichtigt. Dennoch zuckte Finya dieses Mal nicht vor Schreck.
„Nicht direkt, Herr. Krait hat nie selber Hand an mich gelegt. Manchmal hat er Haruto jedoch aufgestachelt oder....Ideen... eingebracht, was dieser noch mit mir tun könnte." Aaron knurrte. „Ideen....da kommt mir so manche Idee, was ich mit IHM tun könnte."
Das Gespräch der beiden wurde jäh unterbrochen, als die Kutsche zum Stehen kam, der Wagenschlag geöffnet wurde und eine Wache des Imperators hineinsah. „König Aaron..." sie neigte leicht den Kopf. „Ihr könnt passieren."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt