Über zwei Wochen waren Arvid, Kjell und Jonas inzwischen unterwegs und suchten die Bergketten nahe der Grenze nach Höhlen ab.
Pausen legten sie nur ein, wenn es unbedingt nötig war.
Die Suche hatte inzwischen sichtlich an ihren Kräften gezehrt.
Prüfend wandte Arvid den Blick zum Himmel. „Wenn wir heute keinen Erfolg haben, müssen wir umkehren. Der Mond ist bald voll. Unser König wird jeden von uns brauchen."Kjell neigte zustimmend den Kopf.
Wie so oft die letzten Tage ging Jonas einige Schritte voraus, schloss die Augen und streckte seine Sinne aus.
Wie so oft die letzten Tage wandte er anschließend den Blick zu seinen Begleitern und schüttelte den Kopf.
Schweigend gingen sie weiter, stiegen tiefer in die Bergkette hinein.
Sie hatten von Anfang an gewusst, dass ihre Chancen mehr als schlecht standen. Dennoch waren sie noch nicht bereit, aufzugeben.
Jonas zwängte sich gerade durch einen engen Felsspalt, als er verharrte. Im nächsten Moment hob er die Hand und hieß Arvid und Kjell zu warten.
Ungeduldig warteten die beiden, bis Jonas sich endlich zu ihnen umdrehte. Zum ersten Mal seit ihrer Reise lächelte er dabei und nickte ihnen zu. Rasch zwängten sich die beiden Brüder ebenfalls durch den engen Felsspalt und blieben neben Jonas stehen.
Keinen Wimpernschlag später, stieß Jonas einen Fluch aus, und drängte Arvid und Kjell zurück. „Hinterhalt." knurrte er, während seine Hand bereits an seinen Dolch wanderte.
Sofort griffen Arvid und Kjell ebenfalls nach ihren Dolchen. Im gleichen Moment zogen sie Jonas so an sich, dass sie sich gegenseitig den Rücken schützen konnten und gingen in Verteidigungshaltung.
„Es tut mir Leid, ich habe sie nicht bemerkt." murmelte er leise. „Später..." erwiderte Arvid nur ebenfalls leise und hochkonzentriert.
„Legt die Waffen ab und ergebt euch." ertönte kurz darauf eine dunkle, sonore Stimme oberhalb ihrer Köpfe.
Ruckartig wandten die drei ihre Köpfe nach oben. Im gleichen Moment tauchten rund um sie herum etwa zehn dunkel gekleidete Gestalten hinter den Felsen auf. Sie waren eingekesselt.
Arvid und Kjell sahen sich an, schienen sich stumm abzustimmen. „Legt die Waffen nieder oder wir töten Euch." erklang erneut die Stimme des Anführers.
Prüfend ließen Arvid und Kjell den Blick kreisen.
„Es sind zu viele..." Jonas Stimme war leise und geprägt von Selbstvorwürfen.
„Letzte Warnung." erklang die Stimme erneut. „Waffen runter oder wir greifen an."
Arvid nickte leicht. „in Ordnung. Wir werden tun, was Ihr verlangt."
Langsam beugte er sich nach unten und legte seinen Dolch auf den Boden. Jonas und Kjell folgten seinem Beispiel.
Längst waren mehrere Waffen auf die drei Männer gerichtet. „Und jetzt hier rüber...Wir werden Euch fesseln und die Augen verbinden. Ihr tätet besser daran, keine Gegenwehr zu leisten."
Arvid nickte leicht. „Kjell, Jonas, tut, was die Männer verlangen. Keine Alleingänge" wandte er sich an seine Kameraden.
Langsam gingen Arvid, Kjell und Jonas in die angegebene Richtung.
Mehrere dunkel gekleidete Männer erwarteten sie bereits und fesselten ihnen stramm die Hände, bevor sie ihnen schließlich noch die Augen verbanden.
Unterdessen hatte ein weiterer Mann die Dolche aufgehoben und betrachtete sie interessiert. „Ihr seid also angeblich Wachen des Königs." stellte er fest, erwartete aber offensichtlich keine Antwort.
„Wir bringen Euch jetzt zu unserem Anführer." erklärte der Wortführer und gab einige knappe Befehle.
Arvid, Kjell und Jonas wurden von je zwei Männern am Arm gepackt und durch das unwegsame Gelände geführt.
Irgendwann änderte sich der Hall ihrer Schritte und auch der Untergrund wurde ebener. Sie hatten offensichtlich eine Höhle betreten.
Immer tiefer wurden die drei Vampire in das Höhlensystem hinein geführt. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kamen sie zum Stehen.„Diese Waffen hatten die Männer dabei." erklang die Stimme des Wortführers.
Eine Weile herrschte schweigen.
„Ihr alle seid Wachen König Aaron's" erklang eine tiefe Stimme. Kjell zuckte zusammen. Diese Stimme kam ihm seltsam vertraut vor. Sofort festigte sich der Griff um seine Arme.
„Euren Dolchen nach zu urteilen seid Ihr hochrangige Wachen." fuhr die Stimme fort.
„Ist das richtig?"
Arvid straffte sich etwas. „Das ist richtig."
Sein Gegenüber schien kurz zu stocken.
„Gebt mir Euer Wort, weder zu fliehen, noch anzugreifen und ich lasse Eure Fesseln lösen."
Arvid zögerte kurz, dann nickte er. „Ihr habt unser Wort."bestätigte er dann.
Kurz darauf spürte Arvid, wie seine Fesseln gelöst wurden. Auch die Augenbinde wurde ihm abgenommen. Sein Gegenüber konnte er dennoch nicht sehen, da dieser hinter einem Felsvorsprung verborgen war.
Arvid stand in einer großen, von Fackeln erhellten Höhle. Weiterhin wurde er wie Kjell und Jonas von zwei stämmigen Wachen flankiert. Allerdings waren Kjell und Jonas nach wie vor gefesselt. „Werden meinen Begleitern nicht die Fesseln gelöst?" hakte er nach.
„Eure Begleiter haben mir noch nicht ihr Wort gegeben." war die schlichte Antwort.
Jetzt kam auch Arvid die Stimme vertraut vor.
Er wandte den Blick zu seinen Freunden. „Es liegt bei Euch, ob Ihr dieses Versprechen geben wollt." wies er sie an.
„Ihr habt unser Wort." erwiderten kurz darauf beide Männer.
Auf ein unsichtbares Zeichen hin, wurden auch bei Kjell und Jonas die Fesseln gelöst.
Langsam kam ein hochgewachsener, muskulöser Mann hinter dem Felsvorsprung hervor. Die langen Haare waren mit einem Lederriemen im Nacken zusammen gebunden Das Gesicht war jedoch von einer Maske verborgen.
„Welche Stellung habt Ihr unter König Aaron inne?"
Arvid zögerte. Wie viel konnte er verraten? Noch immer war unklar, wem er gegenüber stand.
Nachdenklich rieb er sich über das Gesicht, wobei sein Ärmel etwas nach hinten rutschte und ein kleines Stück seiner Tätowierungen freigab.
Mit wenigen Schritten stand der Maskierte vor Arvid und griff nach dessen Arm.
Sofort wurde Arvid wieder von seinen Wachen festgehalten. Kjell und Jonas erging es ebenso.
Beinahe ruckartig schob der Maskierte Arvids Ärmel weiter nach oben, so dass er die Tätowierung betrachten konnte. Durch die Maske hindurch konnte man seine Augen aufblitzen sehen.
„Lasst die Männer frei und geleitet sie in den Salon." schallte seine Stimme plötzlich durch die Höhle.
Sofort wurden Arvid, Kjell und Jonas losgelassen. Höflich wies man ihnen den Weg in die Nachbarhöhle, die deutlich besser beleuchtet war.
Fragend sahen sich die drei Männer an.
Auf einmal wurde es still im Saal. Durch einen anderen Zugang trat der Anführer der Männer, dieses Mal jedoch ohne Maske.
Obwohl blass, wirkte das Gesicht dennoch wettergegerbt. Seine Augen blitzten seine Gäste freundlich an. Mit der Hand fuhr er sich durch seinen langen Bart, der - wie die Haare - mit einem Lederband zusammen gebunden war. Langsam ging er auf Arvid, Kjell und Jonas zu.
Mit großen Augen sahen Arvid und Kjell ihm entgegen. Dann beugten sie zeitgleich das Knie und sanken zu Boden.
„Jarl Kari. Es ist eine Freude, Euch nach all den Jahren wohlbehalten zu sehen." sprach Kjell und hielt den Kopf respektvoll gesenkt.
Jonas blickte erstaunt zwischen dem Jarl und seinen Freunden hin und her und beugte dann ebenfalls respektvoll das Knie vor dem fremden Herrscher.
„Steht auf, meine Freunde." wandte sich der Jarl an Arvid und Kjell und zog sie in eine freundschaftliche Umarmung.
„Ihr auch, Freund meiner Freunde." sprach er dann zu Jonas, drückte ihm aber lediglich die Hand.
„Das muss gefeiert werden."
Augenblicklich wurden Arvid und Kjell ernst.
„Nun... vielleicht sollten wir das Feiern doch verschieben...folgt mir."
Kari führte sie in eine kleinere Höhle, in der ein grob gezimmerter Besprechungstisch mit einfachen Stühlen stand.
„Setzt Euch..."
„Jarl..." eine Wache trat ein und reichte Kari ein kleines Stoffpaket. Dieser nahm es dankend entgegen und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Langsam schlug er das dunkle Tuch auf, auf dem die drei Dolche lagen. „Ich glaube, die gehören Euch..."
Er griff nach dem ersten und reichte ihn nach einem kurzen Blick darauf an Kjell.
Den zweiten reichte er nach einem ebensolchen Blick an Arvid.
Schließlich griff er nach dem letzten Dolch. Eine ganze Weile schien er die Inschrift zu mustern. „Und Ihr seid also der Ogun, der meinen Leuten das Leben schwer gemacht hat."
Irritiert blickte Jonas zu Kari, der ihn freundlich anlachte. „Ich habe Euch bereits die letzten Tage beobachten lassen. Da Ihr jetzt aber meinem Versteck zu Nahe gekommen wart, mussten meine Leute eingreifen. Nicht nur einmal wart Ihr übrigens kurz davor, mich und meine Leute zu entdecken..."
Jonas schien zu zweifeln. „Ich habe sie aber dennoch erst zu spät bemerkt und meine Freunde dadurch in Gefahr gebracht..."
Erneut lachte Kari freundlich auf. „Gegenüber Schattenkriegern tun sich die besten Oguns schwer."
Kjell klopfte Jonas freundschaftlich auf die Schulter. „Letztendlich haben wir unser Ziel erreicht."
„Erzählt...wie ist es Euch ergangen seit damals?" richtete Kari erneut das Wort an seine Gäste. „Und welchen Rang habt Ihr denn nun inne, wenn der König Euch solche Dolche gibt?"
Arvid strich sacht über seinen Dolch, der immer noch vor ihm lag. „Kjell und ich gehören der persönlichen Garde König Aaron's an."
„Und Ihr?" Richtete Kari das Wort an Jonas, der sichtlich nervös wurde.
Arvid klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.
„Jonas hat sich in der Vergangenheit mit den falschen Leuten eingelassen. Inzwischen hat er sich jedoch sehr verdient gemacht und das Vertrauen König Aaron's erlangt. Noch dient er als gewöhnliche Wache. Sobald er sein Training abgeschlossen hat, wird er uns vermutlich in der Garde unterstützen dürfen.
Kari nickte verstehend.
„Und jetzt erzählt, warum ihr mich gesucht habt und wie ihr auf die Idee kamt, ausgerechnet hier nach mir zu suchen."
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Finya 2
VampireBitte zuerst Teil 1 lesen! Finya hat ihren Platz als Sklavin an König Aaron's Seite letztendlich akzeptiert. Dennoch sieht sie sich immer wieder neuen Herausforderungen gegenüber. Wird sie Aaron weiterhin vertrauen oder wird sie doch scheitern?