Kapitel 28 - Bereuen

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Bereuen

Das Schlimmste daran war, dass sich meine Entscheidung so unwiderruflich anfühlte. Plötzlich war alles, was mich die letzten Wochen und Monate beschäftigt hatte, nicht mehr von Belang. Und es mochte sein, dass ich Angst hatte, dennoch ließen sich Gefühle nicht so einfach weg reden. Dass ich offenbar immer noch etwas für ihn empfand, wurde mit jedem Tag, den ich allein verbrachte, deutlicher. Ich versuchte auszublenden, was er gesagt hatte, schirmte mich gegen all die Wahrheiten ab und versuchte mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, aber auch das war schwierig. Hoseok bemühte sich, mich irgendwie am normalen Leben teilhaben zu lassen, aber ich verweigerte es größtenteils. Aus verschiedenen Gründen. Zum einen wollte ich ihnen endlich etwas Ruhe vor mir gönnen und zum anderen war ich mit mir selbst ausreichend beschäftigt, da brauchte ich nicht noch weitere Menschen um mich herum.

Die ersten Tage reagierte ich hypersensibel auf alles, was mich umgab, war schreckhaft und fühlte mich ständig beobachtet. Doch egal wie oft ich mich umsah, in Schaufenstern die Straße hinter mir im Blick behielt, ich sah ihn nicht. Wenn Suga mich also tatsächlich – wie angekündigt – beschützen und damit auch beobachten wollte, tat er es völlig unauffällig. Ich versuchte sogar, seine Anwesenheit zu erspüren und scheiterte. Einige Wochen hatte ich wahnsinnige Probleme mit Sonnenlicht und entsprechend ständig Kopfschmerzen, dann wurde es allmählich besser. Nach einer weiteren Woche spürte ich nichts mehr von den Nachwirkungen seines Gifts, aber ich konnte natürlich nicht sicher sein, ob ich damit tatsächlich außer Gefahr war.

So oder so ich sah Suga nicht, nicht ein einziges Mal und ich sah auch den anderen Kerl nicht, den aus der Kirche. Es gab Nächte, das starrte ich stundenlang auf mein Handy und wünschte mir, er würde anrufen. Das waren die Momente, wo meine Angst immer weiter zurückwich und die Sehnsucht überwog. An manchen Tagen verblasste die Erinnerung und ich vergaß Ausschau zu halten. Und an einem jener Tag stand er plötzlich vor mir. Nicht Suga, sondern der andere.

Seit über einer Stunde war ich bereits in diesem Einkaufszentrum unterwegs und beladen mit jeder Menge Taschen und Tüten. Es war nicht so, als hätte ich zu viel Geld und müsste es dringend loswerden, bevor es schlecht wurde, es war eher eine Form von Seelentröster. Gerade hatte mich ein Ständer randvoll mit Sonnenbrillen abgelenkt und angezogen, da trat er plötzlich um die Ecke und ich wäre beinahe in ihn hineingelaufen.

„Oh, sorry", murmelte ich, „ich hab..."

„Da bist du ja", schnurrte mich eine samtweiche Stimme an, auf eine Art und Weise, dass mir beinahe sämtliche Einkäufe aus der Hand geglitten wären.

„Bitte?"

„Taehyung, nicht wahr?"

„Was? Wer b-...?" Ich brach ab, starrte ihn an und ein unverschämtes Grinsen traf mich. Er trug hautenge Jeans, lässige Boots und eine – sicher sündhaft teure – Lederjacke. Dazu ein Basecap, unter dem goldblonde Strähnen hervorlugten und natürlich eine Sonnenbrille, die er jetzt abnahm, sodass ich überrascht blinzelte. Da waren sie wieder, diese wunderschönen, exotischen Augen, allerdings war die Farbe auch ungewöhnlich, denn sie waren zwar braun, allerdings eher rotbraun, was den Eindruck erweckte, er würde Kontaktlinsen tagen. Das tat er nicht, das war mir klar und mit diesem Blick in seine Augen wusste ich auch, dass Suga mich nicht belogen hatte. Die vollen Lippen meines Gegenübers verzogen sich zu einem kleinen Schmunzeln. Wissend und schmutzig.

Ich wich einen Schritt zurück aber er folgte mir. Lachte dabei und seine Zungenspitze zuckte über seine Lippen. „Nicht doch", flüsterte er. „Ich dachte Suga wäre hier, ich habe das ganze verdammte Gebäude abgesucht, aber er ist es nicht, hm? Du bist das. Du verströmst diesen Geruch."

„Ich weiß nicht was du meinst."

Er kicherte, packte dann so schnell meine Hand, dass ich beinahe stolperte und fiel, währenddessen schob er bereits meinen Ärmel ein Stück hoch. Sein Finger strich über meine Haut, über den verblassten Bogen, der nur noch schwach rosa zu sehen war. „Ich bin sicher, du weißt, was ich meine." Er beugte sich zu mir. „Du riechst so intensiv nach ihm, dass ich echt verwirrt war. Hat ein bisschen gedauert, bis ich es kapiert habe." Wieder streichelten seine Finger über meinen Arm. „Ein Wirt." Er lächelte. „Er konnte wohl gar nicht genug von dir kriegen, du musst außergewöhnlich gut schmecken."

Blood, sweat and tears [Taegi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt