„Allem voran sage ich dir gleich, dass man dir allerlei Informationen verschwiegen hat, Niall."
Entspannt schlug Ken die Beine übereinander und legte die gefalteten Hände darauf ab. Inzwischen hatte er uns das Du angeboten, und zu meiner Überraschung fiel es mir ziemlich leicht, ihn auch damit anzusprechen.
„Höchst relevante Informationen, die du wissen solltest", fuhr der Mann fort. „Jedenfalls meiner Meinung nach. Gewisse andere Leute scheinen da zwar anderer Ansicht zu sein, aber das ist mir egal."
Ich erwiderte nichts, rutschte stattdessen unruhig in meinem Stuhl umher.
Kens Büro glich sich mit dem von Anne im St. Hedwig, mit dem Unterschied, dass das von Ken keinerlei Dekoration besaß, ebenso wenig eine Katze. Es erinnerte an einen kahlen, nüchternen Betonbunker, wie der ganze Rest der Anlage eben auch – zumindest der Teil davon, den wir schon zu Gesicht bekommen hatten. Offene Regale, Tische und Monitore an den Wänden, ein Safe im Hintergrund, zusammen mit etwas, das verdächtig nach einem Waffenschrank aussah. Ein Waffenschrank mit nur angelehnter Tür und ohne Schlüssel weit und breit.
Wie vertrauenerweckend.
Harry, der neben mir in einem weiteren Stuhl saß, nachdem er sich standhaft geweigert hatte, für das Gespräch mit Ken von meiner Seite zu weichen, gab schon wieder eines seiner berüchtigten Grunzgeräusche von sich.
„Mr. Gallagher, Sie..."
„Ken und Du. Bitte."
Harry knirschte hörbar mit den Zähnen. „Ken, der Einzige, der nicht alle relevanten Informationen hat, bist du selbst."
„Ach, ist das so?" Entspannt schnippte der Mann einen Fussel von der Kniepartie seiner Jeans. „Dann wisst ihr friedfertigen Oblivious in eurer sicheren Deckung etwa auch schon, dass die OOA aktuell an einem Verfahren feilt, die Genveränderung schon beim Ungeborenen nachweisen zu können? Im Mutterleib, noch bevor das Kind geboren wurde? Bisher müssen sie warten, bis das Kind auf die Welt gekommen ist, bevor sie es für den Rest seines Lebens brandmarken können. Auch das ist schon schlimm genug. Aber sollten sie mit dieser neuen Methode Erfolg haben ..."
Seine blauen Augen loderten unheilvoll. „Dann können sie den Eltern problemlos die Diagnose Herzfehler unter die Nase reiben, am besten unbehandelbar und mit extrem geringer Lebenserwartung, und ihnen zur Abtreibung raten." Er hielt inne. „Dass Babys in gewissen Kliniken nach den ersten Untersuchungen einen plötzlichen Kindestod gestorben sind, dürfte euch bekannt sein. Aber eine Abtreibung im Vorfeld würde natürlich einiges an Ärger und Komplikationen ersparen, richtig?"
Ich schluckte schwer, brachte kein einziges Wort zustande.
Auch Harry schien zur Abwechslung mal sprachlos zu sein. „Woher..."
„Woher wir das wissen?" Ken lehnte sich vor, platzierte seine Ellbogen auf dem Schreibtisch. „Wir haben einen Maulwurf – oder, besser gesagt, eine Maulwürfin – in den hohen Riegen. Eine Undercover-Assistentin, wenn man so möchte. Sie hat recht viele Gelegenheiten, in diversen Unterlagen zu wühlen oder bei Besprechungen ein paar Aspekte aufzuschnappen."
Er sprach weiter, doch meine Gedanken waren längst zu Zayn abgeschweift. War es wirklich möglich, dass er ein solches Vorhaben unterstützte? Ein Vorhaben, gesunde, ungeborene Menschen zu töten, nur weil sie über eine Genmutation verfügten, die ihnen Oblivious-Kräfte verlieh?
Nein. Unvorstellbar. Zayn war doch immer so fürsorglich gewesen, so unterstützend und hilfsbereit, er hatte...
Er hat dich verraten.
Bei der Erinnerung an die Szene im Parkdeck des St. Hedwigs zog sich alles in mir zusammen. Wie Zayn, dem ich blind vertraut hatte, plötzlich die Spritze gezogen und sich auf mich gestürzt hatte. Noch dazu mit der Begründung, mir nur helfen zu wollen.
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Oblivious (Ziall)
FanficSeit er denken kann, hört Niall Stimmen in seinem Kopf. Er leidet unter Schizophrenie. Oder: Das ist zumindest, was man ihn glauben lässt. Darüber, dass seine Symptomatik von der Durchschnittsnorm abweicht, macht er sich schon längst keine Gedanke...