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Leo's Sicht

Als wir das Gerichtsgebäude betreten, kommt auch sofort mein Anwalt auf mich zugelaufen:
"Guten Morgen Leonard! Guten Morgen die Herren und die Dame! Es geht gleich los. Die geladenen Zeugen müssen sich bitte sofort da drüben bei dem Herrn melden. Leonard, wir beide gehen jetzt rein. Wir werden das Kind schon schaukeln, unsere Karten sind mehr als gut!"

Mein Mund ist schon wieder staubtrocken, deswegen nicke ich meinem Anwalt, Herrn Blum, nur zu.
Bevor sich Zoey zu den anderen Zeugen begibt, drückt sie mir noch einen Kuss auf und flüstert mir ins Ohr, das sie jede einzelne Sekunde bei mir ist und wir bald alles geschafft haben.
Anschließend wird sie von Oli, Stephan und Franco den Gang hinterher gezogen.

"Kopf hoch Großer. Bald ist alles vorbei!" Tom streicht mir fest über den Rücken, kann seine Besorgniss jedoch auch nicht ganz unterdrücken und überspielt das mit einem schiefen Grinsen.
Am liebsten würde ich mich jetzt in seine Arme werfen und mich so fest an ihn klammern, das ich nicht mehr von Tom entfernt werden kann.
Leider würde das die ganze Sache nur aufschieben, was auch niemanden helfen würde.

"Leonard, gehen wir!" Herr Blum läuft schon ein paar Schritte voraus, worauf ich mich nochmal schnell Tom zuwende:
"Es tut mir leid..."
Herr Mayer sieht mich verdutzt an:
"Was tut dir leid, Leo?"

"Leonard, kommen Sie bitte?" mein Anwalt lässt die Aufforderung etwas energischer klingen, bleibt stehen und wirft mir einen auffordernden Blick zu.
Ich schaue Tom nur schnell nochmal an und werfe ihm ein "Sorry, ich muss los!" zu.

Gemeinsam mit Herrn Blum betrete ich den Gerichtssaal und nehme auf der rechten Seite Platz.
Es dauert nicht lange, bis auch Tom, Alex und Phil den Raum betreten und einer der Zuschauerbänke in Beschlag nehmen.

Meine Augen fixieren die gegenüberliegende Türe, da ich dort jeden Augenblick mit Erik's Erscheinen rechne.
"Leonard?"
"Hmmm?"
"Sie müssen damit rechnen, daß Ihr Vater nicht gerade sensibel mit diesen ganzen Themen umgehen wird. Nehmen Sie sich das bitte nicht so zu Herzen und ignorieren sie das weitestgehend. Werden sie bitte nicht ausfällig oder etwas dergleichen, auch wenn es schwer fällt" Herr Blum setzt einen messerschaffen Blick auf, der durch seine verrutschte Brille nur noch besser zur Geltung kommt.
"Ich werde mich bemühen!" ob ich das einhalten kann, weiß ich nicht, denn es kommt ganz auf das Verhalten meines Vaters an, wie ich reagieren werde.

Eine dunkle und rauhe Stimme dringt direkt an mein Ohr.
Meine Nackenhaare stellen sich langsam in Reih und Glied auf.
Eisige Kälte zieht durch meine Blutbahnen, lässt meinen Körper kurzzeitig erstarren.

Jetzt geht's los, Leo!

Mein Herz rast schon fast vor Aufregung, während sich eine geballte Ladung Übelkeit in meinem Magen ausbreitet.
Als ich auf den Platz gegenüber schaue, sehe ich sofort in ein verbittertes Gesicht.
Erik's Blicke durchbohren fast meinen Körper, die Sehnsucht mich körperlich fertig zu machen, flammt in seinen Augen auf.
Ein wiederwärtiges, dreckiges Grinsen legt sich auf seine Lippen, während er mich keine Sekunde mehr aus den Augen lässt.
Er hält mich fast schon mit seinen Blicken gefangen.
Ich fühle mich wie gelähmt, kann mich kaum noch bewegen.

"Bitte erheben Sie sich!" der Gerichtsdiener verkündet das Eintreffen des Richters und seinem Gefolge.
Herr Blum stößt mich leicht mit seinem Ellenbogen, damit ich meinen Hintern auch endlich in die Höhe bewege.

Als der Richter, der Staatsanwalt und die restlichen Menschen Platz genommen haben, dürfen wir uns ebenfalls wieder setzen.

"Guten Morgen, zusammen.
Mein Name ist Simon Janthost. Wir verhandeln hier heute die Strafsache des Herrn Britz, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in mehreren Fällen und einem schweren Fall von Misshandlung Schutzbefohlener. Der Nebenkläger wird durch Leonard Britz verkörpert.
So! Herr Erik Britz, sie dürfen hier vorne in der Mitte Platz nehmen!" der Richter deutet mit seiner Hand auf den Stuhl, der genau mittig zwischen Richter, Angeklagten und Nebenkläger steht.

Tag der WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt