Kapitel 33 - Schauergeschichten

83 22 2
                                    


Schauergeschichten

An diesem Abend saß ich allein an dem großen Esstisch. Wie üblich war eine viel zu reichliche Auswahl aufgetischt, nur dass dieses Mal Sugas Platz verwaist blieb. Aber selbstverständlich war er in der Nähe, da gab ich mich keinen Illusionen hin. Er würde niemals riskieren, mich alleinzulassen, nur damit ich dann womöglich abhaute.

Neben dem Essen auf Wärmeplatten stand außerdem eine Flasche Wein, ein Glas Wasser und neben letzterem lag zudem eine Schmerztablette. Das hatte ich mit einem Schnauben zur Kenntnis genommen, vor allem, weil er mir dazu auch noch Wein hinstellte, hatte sie aber trotzdem genommen. Die Schnitte an meinen Armen waren deutlich spürbar und darauf hatte ich schlicht keine Lust. Da war es mir herzlich egal, ob die Kombination von Schmerzmitteln und Alkohol schlecht war oder nicht. Spielte das noch eine Rolle, wenn man sich zusätzlich um Vampirgift und seine Wirkung sorgen musste?

Ich aß gehorsam, das konnte ja nur helfen, aber schon nach ein paar Bissen war mir der Appetit vergangen. Klirrend warf ich die Gabel hin und hob den Kopf. Ich sah mich nicht nach ihm um, weil er sich schon die ganze Zeit versteckte und in den Schatten herumhuschte, aber ich hob die Stimme laut genug, dass er mich problemlos würde hören können.

„Willst du mich ernsthaft allein hier sitzenlassen? Jetzt komm schon raus, das ist doch lächerlich."

„Nein", hörte ich prompt irgendwo rechts von mir, überraschend nah und drehte mich ruckartig um, doch ich konnte ihn nicht sehen, womöglich lauerte er hinter dem Durchgang zur Bibliothek.

„Bitte", versuchte ich es sanfter.

„Ich denke du hast genug gesehen", kam die bissige Antwort, wieder aus einer anderen Richtung.

Also das war doch...! Ich rotierte auf die andere Seite und spähte verkniffen in den Durchgang, aber der Raum dahinter lag im Dunkeln.

„Liegt es daran?", fragte ich ruhig. „Weil ich es gesehen habe? Willst du dich jetzt für immer vor mir verstecken?"

Plötzlich tauchte er im Durchgang auf, nur ein Schemen in der Finsternis. Ich schob den Stuhl zurück und stand auf. „Suga..."

„Bleib weg von mir", knurrte er, wandte den Kopf und wich damit meinem Blick aus. Ja und jetzt begriff ich endlich und diese Erkenntnis überraschte mich nun doch.

„Du... schämst dich", flüsterte ich, selbst viel zu erstaunt, dass das überhaupt möglich war. Aber sicher, seine abweisende Reaktion, die pampige Art jetzt, das alles passte zusammen. „Aber das ist doch..." Ich hatte noch einen Schritt in seine Richtung gemacht, da wurde ich prompt wieder angefaucht.

„Bleib weg hab ich gesagt!"

„Okay." Ein wenig angepisst von seiner trotzigen Reaktion wich ich zurück. „Gut, wenn das so ist, dann... gehe ich jetzt."

„So war das nicht gemeint", raunte Suga, kam aber immer noch nicht aus seiner dunklen Ecke. Und ich für meinen Teil befand, dass ich genug gesagt hatte. Ohne ein Wort machte ich kehrt, durchquerte das Esszimmer und nahm den anderen Weg durch das Wohnzimmer und in den Flur.

Ein warnendes „Tae!", folgte mir. „Mach das nicht..."

Aber ich dachte ja gar nicht daran, mich auf diese Diskussion einzulassen. Im Flur schlüpfte ich in meine Schuhe und marschierte dann schnurstracks zur Tür. Wenn er mich weiterhin hier halten wollte, musste er über seinen Schatten springen. Und tatsächlich, in dem Moment, wo ich nach der Klinke griff und die Tür öffnen wollte, war er mit einem dumpfen Grollen heran und drückte sie wieder zu. Er sagte kein Wort, aber jetzt war er immerhin so nah, dass ich ihn berührten konnte und als ich meine Hand auf seinen Arm legte, fauchte er wie eine Wildkatze. Erschrocken und auch ein wenig angstvoll.

Blood, sweat and tears [Taegi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt