Maja saß im Wartezimmer ihres Frauenarztes. Die alljährliche Routineuntersuchung war fällig. Sie nahm sich eine der Zeitschriften, fing an zu blättern.
Ihr Blick blieb an einem Foto von einem halbnackten Mann beim Inhaltsverzeichnis hängen.
Na, das war ja ein Sahnestückchen! dachte sie lächelnd. Sie las die Headline darunter.„Call-Boys – eine Alternative zur Einsamkeit?"
Nee, oder? Sie blätterte zu der Seite, fing an zu lesen.
Doch da wurde sie auch schon aufgerufen. Schnell sah sie das Cover der Illustrierten an, merkte sich den Namen und die Ausgabe. Das Thema interessierte sie komischer Weise. Natürlich nur zu Recherchezwecken! Vielleicht konnte sie das mal in eine ihrer Geschichten einbauen!Nach der Untersuchung fuhr sie zum nächsten Kiosk, suchte nach der Zeitschrift.
Zu Hause legte sie sich aufs Sofa in ihrem riesigen Wohnzimmer und las den Artikel weiter.
Das gab es wirklich? Dass Frauen sich Männer bestellten und für Sex bezahlten? Für Gespräche, zur Eventbegleitung?Sie setzte sich an ihren Computer, forschte nach Escort-Herren. Tatsächlich! Eine ganze Menge Artikel wurden auf ihre Suche hin angeboten.
Sie öffnete eine der Seiten mit Fotos. 452 Herren waren im Angebot! Sie verfeinerte die Suche, schloss die Homo- und auch die Bisexuellen aus. Immer noch 361!Sie machte sich ein Brot zurecht und schenkte sich ein Glas Wein ein. Dann fing sie an, die Fotos durchzusehen.
Mein Gott! Manche hatten schon echt ein gesundes Selbstvertrauen! Ziemlich korpulent, abstehende Ohren! Sie musste lachen. So einen Mann auch noch bezahlen!Gut, der eine oder andere sah ganz nett aus. Sie klickte die Fotos an, um mehr Informationen zu bekommen. Manche schrieben ganze Romane über sich, lobten ihre Bildung, ihre Qualitäten im Bett, versprachen unvergessliche Erlebnisse.
Maja grinste vor sich hin. Das war doch jetzt nicht wahr, oder?Manche verrieten gar nichts über sich außer Größe und Gewicht.
Faulpelze! dachte sie.
Nummer 333 gefiel ihr vom Äußerlichen besonders gut. Felix lächelte fröhlich in die Kamera.
Sie klickte ihn an. Er war auch großzügig mit Fotos von sich.Echt ein hübscher Kerl! dachte sie. Groß, muskulös, aber nicht zu sehr aufgepumpt, volles dunkles Haar, etwas zu lang und wild, aber wenigstens nicht diese geschniegelte, gegelte Frisur, die zurzeit in war! Knallgrüne, große Augen, dunkle Augenbrauen, für einen Mann extrem lange Wimpern! Ein schöner Mund, der meistens lächelte. Die Nase nicht so groß, gerade.
Ein wirklich schöner Mann! Ein schmales, aber nicht hageres Gesicht, eine schöne Kopfform.
Ja, doch! Der war echt was fürs Auge!
Ob im Anzug oder in der Badehose, er war nett anzusehen. Schon wirklich! Das musste sie zugeben! Sie las seine Set Card: 1,88 groß, 85 kg, Vorlieben: Streicheln, Reden.
Maja musste wieder kichern. Ein Mann, der sich zum Sex anbot, und als Vorliebe Reden angab?
Doch sein Text, in dem er sich vorstellte, zog sie in seinen Bann. Ein gutes, fehlerloses Deutsch! Da hatte sie heute schon anderes gelesen.
Lustig, selbstironisch, informativ beschrieb er sich.
Warum war so ein Typ Call-Boy?
Der konnte doch an jedem Finger zehn Frauen haben?
Hatte er keine Lust zu arbeiten?
Lockte ihn das leicht verdiente Geld?Aber ein Mann mit 28 Jahren, der nicht unintelligent zu sein schien, musste doch etwas Vernünftiges mit seinem Leben anzufangen wissen!
Sie ging zurück zur Galerie. Danach kamen nur uninteressante Typen. Sie schloss ihre Recherche ab, schaltete den Fernseher ein.
Sie war alleine, seit mehr als einem halben Jahr wohnte sie alleine in diesem riesigen Haus, das ihr goldener Käfig gewesen war, und heute fühlte sie sich zum ersten Mal nicht nur alleine, sondern einsam.
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Der Hass wird nicht siegen
RomantizmMaja, eine sehr junge schöne Witwe, schreibt zwar sehr erfolgreich Geschichten unter einem Pseudonym, ist aber grenzenlos einsam in dem riesigen Haus, in das sie ihr Ehemann mehr oder weniger eingesperrt hatte. Als sie einen Artikel über Callboys li...