3. Türchen

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Forsetzung vom 2. Türchen

(Sherlocks POV)

Ich habe nichts gesagt. Weder zu seiner Frage noch zu irgendetwas anderem, was er in der letzten Viertelstunde von sich gegeben hat. Vielleicht, weil ich auch gar nicht weiß, was. Alles, was John sagt, ist so schrecklich verwirrend und klingt dabei trotzdem so schön, dass ich ihm ewig zuhören könnte. Ich frage mich, wieso er immer weiß, was er sagen muss, während ich manchmal nicht einmal mehr weiß, wohin ich schauen soll.

Jetzt zum Beispiel. Ich sitze auf der Bettkante und beobachte John dabei, wie er sein Hemd aufknöpft. Eigentlich starre ich ihn regelrecht an. Und das ziemlich schamlos. Aber das ist mir egal. Weil ich nicht weiß, wo ich sonst hinschauen soll. Und weil die Vorstellung von Johns nacktem Oberkörper mir ziemlich gut gefällt.

„Sherlock", sagt er und plötzlich ist es mir doch nicht mehr ganz so egal. Ich spüre, wie ich rot werde. „Du starrst."
„Stört es dich etwa?"
„Es ist mir peinlich."

Er legt sein Hemd ordentlich gefaltet auf den Stuhl neben sich und streicht den Stoff glatt. Ich bezweifle, dass es über Nacht zerknittern könnte, würde er es nicht tun. Aber eigentlich interessiert es mich auch recht wenig, was er da mit seinem Hemd tut. Denn verdammt. Ich will ihn.

Ich denke, die meisten Leute müssen dafür bezahlen, um so etwas in ihrem Schlafzimmer zu sehen. Oder es handelt sich dabei um jemanden, der mehr aus Plastik als aus Haut besteht. Ich mustere John unverhohlen. Definierte Vertiefungen und Wölbungen, zuckende Muskeln unter weicher Haut, ein paar kleine Adern, die von seinem Hosenbund aus nach oben wandern. Er ist ein schöner Mann, obwohl man ihm anmerkt, dass er das nicht sein will.

„Sherlock. Du beobachtest mich immer noch."
„Ich beobachte dich überhaupt nicht."

Natürlich tue ich das. Weil ich immer mehr Gefallen daran finde, es zu tun. Weil John unglaublich aussieht und ich ihn unbedingt küssen will.

„Willst du dich nicht auch umziehen?"

Ich erstarre. Daran habe ich gedacht. Ich kann mich unter keinen Umständen vor ihm ausziehen. Nicht, wenn er so aussieht und ich eher wie der Durchschnitt. Trainiert, aber eben auch nicht so sehr, dass man es sonderlich sehen könnte. Auf einmal ist es mir seltsam unangenehm. Dabei ist mir nie etwas vor ihm unangenehm.

„Sherlock?"
„Ja?"
„Wie lange willst du noch da herumsitzen?"
„Ich weiß nicht", erwidere ich so gelassen wie möglich. „Langsam finde ich Gefallen daran."

John legt den Kopf schief und zieht die Augenbrauen zusammen. Es gefällt mir, wie er aussieht, aber nicht, wie er mich anschaut. Skeptisch, irgendwie misstrauisch, beinahe wissend. Ich will nicht, dass er mich so ansieht. Weil es mich nervös macht und ich das Gefühl bekomme, er wüsste mehr von mir als ich selbst.

John öffnet den Mund, scheint etwas erwidern zu wollen, aber tut es nicht. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Ich möchte nicht wissen, was er dazu sagt, dass sein bester Freund ziemlich eindeutig auf ihn steht.

-

Gefühlte Stunden später liege ich umgezogen und im Dunkeln neben John und versuche, ihn nicht zu berühren, was sich als deutlich schwerer herausstellt, als ich angenommen hatte. Ich kann seinen schwachen Duft in den Laken ausmachen, pur und sauber, und ihn gerade so neben mir spüren.
Ich höre ihn atmen - ruhig und gleichmäßig - und versuche, genau dasselbe zu tun. Stattdessen klinge ich, als wäre ich auf der Flucht. Vielleicht bin ich das sogar. Auf der Flucht vor meinen Gefühlen. Und vor seinen Fingerspitzen, die unter dem Laken flüchtig meine streifen. Es ist eine Berührung wie ein Versehen. Für meine Gedanken ist es ein weiterer Grund, nicht mehr aufzuhören.

Johnlock Adventskalender || LemonleliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt