Jemand findet einen Apfel

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Es geschah zu jener Zeit, als sie alle beisammen lebten und sich durch den ewigen Winter des Hungerns kämpften. Sie bauten an, aßen, arbeiteten und beteten. Das war ihr Schicksal, denn sie  trugen die sterbende Welt in ihren Händen.
Sie huldigten ihn und hofften, dass er die Erde fruchtbar machte und die Welt wieder lebendig. Sie lernten über die Wahrheit und über die Zahlen. Sie sangen und tanzten am Abend und wussten, dass sie die einzigen waren, die über die Wahrheit lernten. Denn die Wahrheit war, dass die Welt starb. So lebten sie alle beisammen und schliefen in Zelten und arbeiteten und beteten, weil die anderen Menschen blind waren, von Götzen geblendet. So wurde es ihnen gelehrt und so glaubten sie es.

Abseits der Altäre, der Zelte und der Arbeit bauten sie an. Kohl und Kartoffeln und weiteres, aber es war kalt und die Erde war kahl. So starben die Kinder nach und nach, weil der Hunger ein Dämon war, der die Wahrheit verachtete. Und so opferten sie ihm die Kinder und aßen, was sie am Vortag nicht gegessen hatten. Sie alle lebten beisammen und doch raffte der Hunger einige weitere von ihnen dahin, und mit der Zeit auch die Kälte. Die Toten wurden ihm dargebracht, doch er schien die Welt in seiner Klaue verrotten zu lassen. Sie alle arbeiteten und am Abend tanzten sie und lebten so für endliche Zeit.

Irgendwann hielten sie Ziegen, weil es seine Tiere waren und daher heilig. Die Ziegen lebten in einem Stall. Sie fütterten sie, und wenn eine von ihnen starb, aßen sie ihr Fleisch.
Abends wurde ihr Gesang lauter und ihr Tanz wilder, weil sie alle die Wahrheit erkannten. Sie waren nicht einmal mehr als ein Dutzend, als jemand erwachte.

Er verließ die Arbeit, noch bevor er seinen Teil vollendet hatte, denn er verspürte einen Zweifel in sich. Etwas, dass ihn erschütterte. Der junge Mann ging fort und seine Füße verbrannten beinahe auf dem kahlen Boden, da sich die Wahrheit gegen ihn sträubte. Er ging zu den Ziegen und wusste nicht wieso er das tat. Die Sonne stand tief und bedeckte die Welt mit einem goldenen Schleier der Trauer. Denn die Sonne kannte die Wahrheit und weinte um sie alle.

Es waren drei Ziegen. Eine war so schwarz wie der Himmel bei Nacht und so falsch wie die Wahrheit. Eine andere war weiß und der junge Mann erkannte die List in ihren Augen. Die dritte Ziege war tot. Sie lag im Stall und blutete rotes Blut. Er stand vor ihnen und blickte in ihre Augen. Sie blickten zurück und redeten auf ihn ein. Er hörte ihre Gedanken und hörte wie sie von den Zahlen sprachen, von Farben und von der Wahrheit. Er hörte wie sie von Liebe sprachen, von Tanz und Gesang, die beinahe perfekt waren, von dem, der die Welt retten konnte und von Arbeit. Da fiel ein Licht auf ihn hinab und der junge Mann sah. Er sah dass die Welt starb und dass sie alle das richtige taten. Doch er wusste dass es falsch war. Dass alles falsch war was sie taten und was derjenige, dessen Licht auf ihn fiel tat.
Der junge Mann schrie, denn das Licht brannte und verbrannte ihn. Die Wahrheit sträubte sich weiter und die Sonne lachte sich kaputt. Er schrie und versuchte dem Licht zu entkommen. Die beiden Ziegen starrten ihn an und ihre Münder lachten ihn aus.

Doch der junge Mann hatte den Apfel bereits gefunden und biss hinein.

Er stemmte die Tür des Stalls auf und erwürgte die Ziegen in Wut. Sie schrien und er schrie, denn er wusste, dass er das richtige Tat. Das Licht über ihm erlosch und er konnte klar sehen. Und die dritte Ziege erhob sich von den Toten und dankte ihm. Es erfüllte den jungen Mann mit einer so großen Freude, dass er anfing zu weinen. Die Ziege erzählte ihm über die Zahl sieben, denn die Zahl sieben war erhaben und richtig. Alles war sieben und der junge Mann begriff weiter.
Er kehrte zurück und sah, dass die anderen ihre Arbeit vollendet hatten.

Es war er, der die Welt retten konnte, dessen Gestalt sie geformt hatten. Er, der ein Götze war, so wie es der junge Mann erfahren hatte. Und sie alle tanzten um ihre Arbeit herum, denn es war Abend, und riefen wirre Worte, die ihrer Wahrheit entsprachen. Der falschen.

Der junge Mann stand und sah zu, weil er wusste, dass er zu spät war. Er beobachtete, wie sie alle ihre Lieder sangen, die er nun nicht mehr verstand. Wilde, die ihren Götzen huldigten, nur dass derjenige die Welt vergiftete. Das wussten sie alle nicht, niemand wusste das außer dem jungen Mann.

Es gingen die Stunden hin und sie alle stellten sich in eine Reihe vor die Figur des Unwahren. Der junge Mann beobachtete sie dabei, doch er schritt nicht ein, weil er wusste, dass es lediglich seine Aufgabe war, zu wissen. Es waren sieben Menschen ohne ihn und sie knieten vor ihrer Arbeit nieder und starben in dessen Armen, denn jener war der Herrscher über sie. Sie vollführten ihr Ritual und gingen hinfort.

Ihr Götze erhob sich. Der junge Mann starrte den Unwahren an, der all ihre Körper entweihte. Er wusste, dass er sterben würde und dass sich wieder eine Gruppe finden ließe, die die falsche Wahrheit glauben und den falschen huldigen würde.

Die Sonne war längst vom Mond vertrieben worden. Die Nacht war klar. Für die unwissenden Menschen hatte sich nichts geändert, nur der junge Mann wusste als einziger, dass die Welt in jener Nacht schließlich doch gestorben war.

Jemand findet einen ApfelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt