Paktiert
Am nächsten Tag begann der Spießrutenlauf. Namjoon beobachtete mich mit Argusaugen, ganz so als wüsste er etwas, das noch nicht bis zu mir durchgedrungen war. Jimin grinste jedes Mal breit, wenn er mich sah, wie ein Junge vorm Süßigkeitenladen. Und Jin... womöglich lagen die Karten richtig, denn er schien plötzlich ebenfalls ein undefinierbares Interesse an mir entwickelt zu haben. Egal wohin ich mich wandte, einer von ihnen lauerte schon auf mich, so fühlte es sich an. Suga versuchte, die Gemüter zu beruhigen, aber man konnte ihm mehr als deutlich anmerken, wie schwer es ihm fiel, unter diesen Bedingungen die Ruhe zu bewahren.
Mehrmals tauchte er urplötzlich auf und stand plötzlich neben mir, eine Hand auf meiner Schulter oder in meinem Rücken. Und jedes Mal wurde mir erst hinterher klar, dass die Situation, in die ich mich manövriert hatte, auch hätte kippen können. Andererseits konnte ich auch nicht den ganzen Tag wie ein Gefangener in meinem Zimmer verbringen und die überwiegende Zeit waren Suga und Namjoon ohnehin irgendwo in ein Gespräch vertieft. Ich sah sie diskutierend und heftig gestikulierend durch den Garten marschieren und einmal warf mich Suga regelrecht aus der Bibliothek, als ich zufällig hineinplatzte.
Zum Abendessen veranstalteten die anderen drei Gestalten erneut ein Gelage, das Caligula sicher auch gut gefallen hätte und heute kam zu den roten Blutbeuteln auch noch eine Konserve auf den Tisch, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ihr Inhalt war goldgelb und als ich Suga darauf ansprach, runzelte er die Stirn und rümpfte die Nase.
„Ein spezielles Konzentrat", murmelte er ausweichend, warf wieder einen Blick über seine Schulter, wo Jin gerade sehr akribisch den goldgelben Inhalt in Schnapsgläschen füllte.
Suga seufzte leise, sah mich wieder an und berührte kurz meine Wange. „Wenn du heute in dein Zimmer gehst, bleib da, okay? Das... ist wirklich nichts für Sterbliche."
Was auch immer das zu bedeuten hatte, ich hakte nicht nach, versprach aber, mich in der Nacht nicht mehr im Haus herumzutreiben.
Ich aß in der Bibliothek zu Abend, Suga leistete mir Gesellschaft und von den anderen dreien war ausnahmsweise mal keiner zu sehen. Dafür konnte man sie hören, wie sie laut lachend im Esszimmer zugange waren.
„Warum klingt jeder ihrer Abende wie eine schräge Party?", murmelte ich kaum hörbar. Es war noch nicht mal eine richtige Frage, eher eine Feststellung, aber Suga sah sich wohl genötigt, darauf zu antworten.
„Weil sie es genießen, so zu sein, wie sie nun mal sind."
„Und du – genießt es nicht?", fragte ich nun doch nach, aber Suga zuckte zunächst nur die Schultern, schließlich starrte er auf seine Hände. „Es ist ein einsames Leben", murmelte er. „Jede Person, die dir etwas bedeutet, wird dir früher oder später entrissen. Sie alle sterben, nur du selbst nicht. Am Ende umgibst du dich nur noch mit deinesgleichen, damit du der Wahrheit nicht ständig ins Gesicht blicken musst."
So genau hatte ich das alles noch gar nicht hinterfragt, aber seine Aussage erschien mir logisch. Es musste schwer sein, alle Menschen, die man liebte, zu verlieren. Und das immer und immer wieder.
„Wie alt bist du wirklich?", fragte ich flüsternd. „Du hast es mir nie gesagt."
Jetzt sah Suga auf, betrachtete mich nachdenklich und sein Blick verlor sich irgendwo in meinen Augen, schien meilenweit weg. In einer ganz anderen Zeit.
„Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht", gab er schließlich zurück und atmete dann einmal tief durch. „562, plus – minus..."
Mit offenem Mund starrte ich ihn an. 500 Jahre! Das war etwas, was ich nur schwer erfassen konnte. Was er alles gesehen haben musste, er war Zeitzeuge von so vielen historischen Ereignissen, aber nichts davon war wohl wichtig, wenn ich seine Haltung und Miene richtig interpretierte. Natürlich, wenn die Zukunft kam und ging, zur Geschichte wurde und sich für einen selbst trotzdem nichts änderte. Plötzlich hatte ich ganz schreckliches Mitleid, mit dem Wesen, das mir gegenübersaß. Das Wissen um die Endlichkeit verlieh dem Leben doch überhaupt erst seine Bedeutung, also war es nicht verwunderlich, dass Suga manchmal den Eindruck machte, als hätte er längst resigniert, was alle für mich so großen Fragen betraf.
DU LIEST GERADE
Blood, sweat and tears [Taegi]
Fanfiction[BTS-AU] Schon als Kind waren Taehyung Dinge aufgefallen, für die niemand eine Erklärung hatte. Damit begann eine jahrelange Odyssee, die ihn selbst als jungen Erwachsenen noch brandmarkte, weil es keinen Menschen gab, der ihm glaubte. Und auch wenn...