Nora saß gelangweilt auf ihrer Couch und schaute sich den Horrorfilm an, den sie ausgesucht hatten. Allerdings bekam sie nicht viel mit, denn ihre Kollegin Amelia war bei ihr und quatschte vor sich hin. Sie hatte unbedingt einen gruseligen Film mit ihr sehen wollen und jetzt redete sie an einem Stück, weil sie Angst hatte, aber es nicht zugeben wollte. Sie hatte es sich auf dem Boden bequem gemacht, sodass der halbe Fernseher von einer Vase verdeckt wurde und sie nicht mal richtig sehen konnte.
Nora kaute genervt auf ihrer Lippe herum und trank den Rest des Weines aus. Von dem Film bekam sie kaum etwas mit, so wie Amelia nicht mitbekam, dass sie ihr kaum zuhörte, da sie oft genug ja und mmh sagte. Mehr Zustimmung brauchte es für diese Frau nicht.
Warum hatte sie bloß ja zu dieser Idee gesagt? Sie wusste es, aus Mitleid.
Sie beide waren Außenseiterinnen, doch Nora hatte diese Rolle gewählt, während Amelia einfach keinen Anschluss fand. Sie war zu charakterschwach, zu unsicher in ihrem Auftreten, obwohl sie eigentlich ein gutes Selbstbewusstsein hatte. Amelia war ein kleines Dummchen, welches sich liebend gern manipulieren ließ. Es wurde getuschelt, dass sie mit den üblichen Verdächtigen in der Firma geschlafen hatte, die sich auf alle neuen Mitarbeiterinnen stürzten, und dann von jedem fallen gelassen wurde.
Nora verstand es. Wenn Amelia beim Sex auch so viel redete, würde sie die Person auch schnell wieder los werden wollen.
Nora griff sich ihr Weinglas und trank den letzten Schluck aus. Die Flasche war auch schon lange leer. Mit Schwung stand sie auf und wollte in die Küche gehen.
"Wo gehst du hin?", fragte Amelia panisch und blickte sie mit ihren Hundeäuglein an.
"Ich hole nur eine neue Flasche", erwiderte sie lächelnd und drehte ihr den Rücken zu, um sofort mit den Augen zu rollen.
Ein paar Sekunden war es ruhig. "Ich schalte auf Pause. Sonst verpasst du so viel." Und ein paar weitere Sekunden später, stand sie neben ihr in der Küche und schaute ihr dabei zu wie sie den Wein entkorkte.
"Deine Katzen sind wirklich süß", säuselte sie in die Stille hinein.
Nora folgte ihrem Blick zu den zwei Fellknäulen, die es sich auf dem Fensterbrett bequem gemacht hatten.
"Ja, aber nur aus der Ferne. Versuche auf keinen Fall sie zu streicheln. Ich habe die beiden auf der Straße gefunden, neben ihrer toten Mutter. Sie sind wohl traumatisiert und halten jeden von sich fern. Und wer den Abstand nicht einhält, der verliert vielleicht ein Auge. Nur ich kann sie anfassen, aber Schmusekatzen sind sie sicherlich nicht."
Sie erinnerte sich genau an den steifen Körper der Mutter, die überfahren worden war und den zwei kleinen Babys, die um sie getrauert hatten, kurz davor zu verhungern.
Amelia machte unauffällig einen Schritt zurück. "Schön. Wie ähm... heißen sie?"
Nora strich der beinahe orangefarbenen Katze über den Kopf, die sich kurz an sie schmiegte, bevor sie sich flach hinlegte. "Das ist India und der Kerl", sie deutete auf den grau gezeichneten Kater mit nur einem Ohr, "das ist Caspar. Ihm wurde das Ohr wohl abgebissen."
"Tragisch", meinte Amelia trocken. Nora glaubte nicht, dass sie viel Mitgefühl für die beiden hatte. Ihre Haustiere waren wohl nicht süß genug.
Plötzlich klingelte es an der Tür.
"Gehst du bitte hin?" Nora reichte ihr ihr Portemonnaie, damit sie das Essen bezahlte und schob sie sacht Richtung Tür, um nur ein paar Sekunden Ruhe zu haben.
Direkt aus der Flasche nahm sie ein paar Schlucke und schloss die Augen, strich sich über den schmerzenden Nacken. Den ganzen Tag saß sie in Meetings und telefonierte mit Arschlöchern, sie brauchte am Abend wirklich ihre Ruhe. Wer hatte sich das Konzept dieser Mädelsnächte ausgedacht? Und wie hielten das Frauen aus? Nie wieder würde sie so etwas machen.
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Decisions
RandomNora war eine junge Außenseiterin, die die Ruhe und Dunkelheit genoss. Eines abends klingelte es an ihrer Tür und ihr Leben veränderte sich schlagartig. Sie musste sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, mit unaussprechlichen Geheimnissen un...