Stau|BxB

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Genervt schlug mein Freund auf das Lenkrad. "Das kann doch nicht wahr sein." Ich blickte aus dem Fenster. Bis auf Autos war weit und breit nichts zu erkennen. Ich drehte meinen Kopf wieder zurück zu meinem Geliebten. "Es geht bestimmt gleich weiter", versuchte ich ihn zu beruhigen. Er blickte mich aus dem Augenwinkel genervt an. "Wir stehen seit drei verdammten Stunden in diesem Stau-" Er wollte sich gerade weiter beschweren, als es hinter uns hupte. Mit wütender Miene drehte sich mein Freund um. Schnell hielt ich mir die Ohren zu. "Ich komme auch nicht weiter vorwärts, Idiot!", brüllte mein Freund. Ich war mir sicher, dass der Fahrer hinter uns keine einzelne Silbe verstanden hatte, aber wenn das Schreie die Wut meines Geliebten verringern konnte, dann sollte er so laut schreien wie er wollte. Mein Freund schlug wieder mit der Faust auf das Lenkrad. Ein paar Strähnen seines braunen Haares waren ihm ins Gesicht gefallen. Genervt strich er sich die Haare wieder zurück. "Und gerade wo wir wieder weiter fahren können, gibt es direkt vor uns einen Unfall und alles steht wieder still!" Leise begann ich zu summen. Normalerweise beruhigte dies den Brünetten immer, schon seit wir klein waren. Auch dieses Mal funktionierte es. Seine Haltung entspannte sich ein wenig. "Bei unserem Glück kommt als nächstes ein riesiger Schneesturm, sodass wir weiterhin nicht vorwärts kommen." Immer noch summend griff ich nach der Hand des Brünetten. Liebevoll drückte ich seine Hand, während ich im Takt meines Summens mit dem Daumen über seinen Handrücken streichelte. "Alles wird gut, mein Schatz." Mein Geliebter drückt meine Hand fest, während er seine Augen schloss und tief durchatmete. "Du hast Recht, wie immer." Er lächelte mich, wenn auch gequält, an. "Wir werden diesen blöden Stau überstehen und dann ein schönes Weihnachtsfest mit deinen Eltern verbringen." Ich hob unsere verschränkten Hände hoch und hauchte einen Kuss auf seinen Handrücken. "Da bin ich mir sicher. Die beiden warten bestimmt schon sehnsüchtig auf uns." Das Lächeln meines Liebsten wurde zu einem aufrichtigen Lächeln. Verliebt schauten wir einander an. Dabei blendeten wir unsere Umwelt vollständig aus. Ein lautes Hupen riss uns aus unserer eigenen Welt. Verwirrt schauten mein fester Freund und ich nach vorne. Vor unserem Auto stand ein Polizist, der uns das Zeichen gab am Unfall vor uns vorbei zu fahren. Diese Chance ließ mein Geliebter sich nicht entgehen. Er startete den Motor, den er ausgeschaltet hatte als der Unfall direkt vor uns geschehen war, setzte den Blinker nach links, zum Zeichen dass wir am Unfall vorbei fahren wollten, und fuhr los, nachdem er sich vergewissert hat, dass sich kein anderes Auto auf der linken Spur befand, das gerade am Unfall vorbei fahren wollte. Stockend, aber ohne größere Probleme, kamen wir weiter voran, bis sich der Himmel plötzlich verdunkelte. Prüfend lehnte ich mich zur Seite um einen Blick aus dem Fenster auf die Wolken über uns zu erhaschen. "Und?" Mein Freund klang zweifelnd. Er hatte allen Grund dazu. "Dicke graue Wolken, schon fast schwarz." Der Brünette seufzte entmutigt. "Ein Gewitter oder gar Eisregen können wir nicht gebrauchen." Als ob sich die Welt gegen uns verschworen hätte, erklang ein lautes Donnern, sobald mein Geliebter seinen Satz beendet hatte. "Bitte nicht." Der erste Tropfen fiel auf die Windschutzscheibe. Kurz darauf folgten weitere. Immer mehr und Regentropfen prasselten auf uns nieder. Prüfend schaute ich auf die Temperaturanzeige unseres Autos. Minus ein Grad. Vielleicht hatten wir Glück und der Regen blieb Regen. Vorerst blieb der Regen auch Regen, doch es half uns trotzdem nichts. Kurze Zeit später gelangten wir in den nächsten Stau. Genervt seufzte mein Liebster. Er holte tief Luft und ich begann zu summen. Anstatt nun die eingeatmete Luft zu verwenden um sich aufzuregen, atmete er sie einfach wieder aus. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Der Stau ist bestimmt bald vorbei." Ich schaute nach vorne. Durch den Regen war es schwer zu erkennen, doch wenn ich mich anstrengte, dann ich erkennen, dass etwas weiter vorne die Autobahn einen Hügel hinauf verlief. Selbst dort standen sie still. Prüfend blickte ich zu meinem Freund. Er schien noch nicht gesehen zu haben über welche lange Strecke sich der Stau erstreckte und ich hütete mich davor ihm von der Staulänge zu erzählen. In der nächsten Stunde kamen wir gerade mal bis zum Anstieg des Hügels. "Das kann doch nicht wahr sein!", brüllte mein Freund plötzlich. Erschrocken schaute ich ihn an. Der Brünette schlug erst mit der Faust auf das Armaturenbrett, dann schaltete er den Motor des Autos aus. Mit gerunzelter Stirn wendete ich meinen Blick wieder nach vorne, wo ich den Grund für die Reaktion meines Freundes sah. Auf einer digitalen Anzeige erschien der Text: "geschätzte Wartezeit: 2h. Schalten Sie den Motor aus." Ich schluckte. "Ich werde meine Eltern eben anrufen und ihnen sagen, dass wir etwas später kommen."
"Etwas später?", empörte sich mein Liebster. "Wohl eher nie!"
"Schhhh, alles wird gut." Beruhigend streichelte über sein Bein, während ich mein Handy hervor holte und die Nummer meiner Eltern wählte. Langsam entspannte sich der Brünette wieder. Nach kurzer Zeit des Klingelns meldete sich meine Mutter: "Hallo Schätzchen, wie geht es euch?"
"Gut so weit, Mama, aber wir kommen wohl erst heute Abend."
"Oh Gott, dann steht ihr wirklich in diesem Stau? Dein Vater hat es schon vermutet."
"Erst an Weihnachten nach Hause zu fahren ist wohl einfach zu spät." Ich hörte meine Mutter seufzen. "Nächstes Jahr kommen wir zu euch und das dann schon ein paar Tage vor Heiligabend." Kurz war es still, dann ertönte die Stimme meines Vaters im Hintergrund. Meine Mutter reichte das Telefon an ihn weiter. "Na, mein Junge, ist bei euch alles in Ordnung?"
"Ja, Papa."
"Im Fernsehen haben sie gesagt, dass durch den Regen und die Kälte viele Unfälle passiert sind." Ich schaute zum Thermostat. Minus vier Grad. Ich schluckte. "Ja, wir stehen mitten drin im Stau."
"Habt ihr denn genug Essen und Trinken? Und was ist mit Decken? Habt ihr Decken? Bitte sage mir, ihr habt Decken, sonst erfriert ihr mir noch."
"Ja, Papa, wir haben alles. Du musst dir keine Sorgen machen." Das war gelogen. Essen hatten wir keines, Trinken kaum und auch nur eine Decke. "Papa, haben die im Fernsehen auch gesagt, ob Umleitung oder so was kommen?" Mein Vater seufzte. "Nein, Schätzchen, die Polizei kommt auch nicht durch, trotz Rettungsgasse." Jetzt seufzte ich. Ein Blick zu meinem Freund verriet mir, dass ihn mein Gespräch mit meine Eltern nervös machte. "Du, Papa, ich würde mich gerne etwas entspannen. Ich melde mich später noch mal."
"Mache das, Schätzchen, bis später. Grüß schön."
"Mache ich, bis später." Seufzend legte ich mein Handy wieder weg. "Und?" Ich konnte die Nervosität des Brünetten in seiner Stimme hören. "Ich soll dich grüßen." Die schlechten Nachrichten bezüglich des Staus ließ ich absichtlich aus um ihn nicht weiter zu verunsichern oder seine Wut zu schüren. "Was ist mit dem Stau? Ich weiß, dass ihr darüber geredet habt." Ich atmete tief durch. Wie konnte ich die Wahrheit möglichst nett verpacken? "Die Polizei versucht durchzukommen und den Verkehr zu regeln."
"Und wie weit sind sie?"
"Sie versuchen durchzukommen", wiederholte ich mich. Mein Freund schlug wieder mit der Faust auf das Armaturenbrett. "Alle sind sie unfähig."
"Schhh, niemand kann was für das schlechte Wetter." Der Brünette schlug wieder mit der Faust auf das Armaturenbrett. "Ich kann das nicht mehr!" Plötzlich schlug er meine Hand weg, schnallte sich hektisch ab, riss die Autotür auf, sprang aus dem Auto und rannte davon. Ich war geschockt. Minutenlang war ich unfähig mich zu bewegen, dann sprang auch ich auf. Bevor ich meinem Geliebten hinterher rannte, griff ich nach unseren Jacken. Ich rannte von der Autobahn runter. Immer wieder rief den Namen des Brünetten. Soweit entfernt konnte er doch noch nicht sein. Der Regen hatte sich mittlerweile in Schneeregen verwandelt. Mir war kalt. Wieder rief ich seinen Namen. Keine Antwort. Ich presste unsere Jacken dichter an meinen Körper. Wenigstens seine Jacke musste warm und trocken bleiben. Worin sollte ich ihn sonst hüllen wenn ich ihn endlich gefunden hatte? "Wo bist du nur?!", schrie ich. "Alles geht den Bach runter." Das war seine Stimme. Ich drehte mich um. Da saß der Brünette. Er saß am Boden an einen Baum gelehnt. Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen. Erleichtert legte ich meinem Freund seine Jacke über die Schultern. Nun war auch ich in der Lage mir meine eigene Jacke anzuziehen. Ich sank neben dem Brünetten zu Boden. "Warum bist du nur weggerannt?" Mein Geliebter schniefte. "Wir sitzen seit heute Morgen um sechs in diesem verdammten Auto und nun ist es schon Nachmittag."
"Und?"
"Wir hätten jetzt schon bei deinen Eltern sein sollen und zu Mittag essen sollen und..." Er sprach nicht weiter. "Und was?" Er vergrub sein Gesicht zwischen seinen Knien, bevor er nuschelte: "und dann hätte es Bescherung gegeben und dann..." Mein Liebster atmete tief durch, dann wendete er seinen Kopf zu mir. "...und dann hätte ich dir einen Heiratsantrag gemacht." Geschockt blickte ich mein Freund an. Gefühlte Stunden starrten wir einander einfach nur an, dann fand ich meine Stimme wieder: "ja, ja ich will." Überglücklich fiel mir mein nun Verlobter um den Hals. "Jetzt hatte ich keine Gelegenheit eine kitschige Rede zu halten." Ich küsste den Brünetten. "Ob nun mit oder ohne kitschige Rede, ich liebe dich und ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen." Ich küsste meinen Liebsten noch einmal. "Aber nun lass uns zurück zum Auto. Mir ist kalt und ich habe vergessen das Auto abzuschließen."

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