Kapitel 1

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Hallo, ich bin Anna und eine Nebenwirkung der Mutation. Ihr denkt jetzt vielleicht, ich übertreibe, aber alle Krebskinder sind eine Nebenwirkung der Mutation und so vieles ist eine Nebenwirkung des Sterbens. Aber um das zu verstehen muss ich wahrscheinlich weiter vorne anfangen. Aber wo?

Also, meine Mutter Elisabeth betreibt ein Floristickgeschäft. Früher habe ich mich gerne darin aufgehalten. Es roch immer toll, am meisten nach Tulpen. Meine Mutter ist ganz vernarrt in Tulpen. Großmutter hat mir mal erzählt, dass sie Mama davon abhalten musste, einen Tulpenstrauß als Hochzeitsstrauß zu nehmen.

Meine Mutter hätte mir so etwas nie erzählt. Das ist so, weil es mit meinem Vater zu tun hat. Er ist tot. Gestorben ist er bei dem selben Autounfall, bei dem meine Mutter auch ihr eines Auge verloren hat. Das ist jetzt mehrere Jahre her und sie ist immer noch nicht wieder auf dem Damm. In letzter Zeit ist es besonders schlimm. Ich musste mein letztes Foto von Papa verstecken, weil sie es sonst mit den anderen Andenken vor vier Wochen verbrannt hätte. Und ausserdem ist seit zwei Jahren sehr viel im Laden. Großmutter sagte, es wäre wegen mir. Ich würde immer mehr aussehen, wie mein Vater. Deswegen versuche ich dem Laden so fern wie möglich zu treiben. Der Duft der Tulpen erinbert mich nämlich an meine Mutter, und die wiederum an das, was Oma erzählt hat. Mama hingegen versucht so viel wie möglich im Geschäft zu bleiben, damit sie mich nicht sieht. Nicht weil sie mich nicht mögen würde, sie liebt mich, aber ich erinnere sie an meinen Vater, ihren geliebten Ehemann.

Ein herrschaftliches LeidenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt