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POV Ushijima
Wach lag ich in meinem Bett. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und mein Blick fiel auf meine Zimmerpflanzen. Sie waren das einzige, was daraufhin wies, dass in dieser Wohnung tatsächlich jemand aktiv lebte. Ich muss sie mal wieder gießen. Dachte ich und stand auf. Ich nahm die kleine Gießkanne von der Fensterbank und lief ins Badezimmer, um sie mit Wasser zu befüllen. Während der Wasserhahn leise Gurgelgeräusche von sich gab, dachte ich an den gestrigen Tag. Ob sie mich wohl anrufen werden? Fragte ich mich und stellte das Wasser ab. Ich schüttelte den Kopf. Ich sollte nicht über sowas nachdenken. Das wäre doch absurd. Ich goss meine Pflanzen. Und trotzdem... Mein Griff um die Gießkanne verstärkte sich. Dieses Gefühl gestern, das war echt aufregend. Dachte ich und stellte die Kanne beiseite. Ich kratzte mich am Hinterkopf. So aufgewühlt war ich schon lange nicht mehr. Ich trottete zu meinem Nachttisch und nahm die Zigarettenschachtel aus der Schublade. Ich steckte das daneben liegende Feuerzeug in meine Hosentasche und öffnete ein Fenster. Seufzend lehnte ich mich auf die Fensterbank und zündete eine Zigarette an. Ich nahm einen Zug und schloss entspannt die Augen, als der Rauch sich in meinen Lungen ausbreitete.
Ich dachte an Tendou. Ob er nach gestern wohl noch raus darf? Die Psychiater waren ganz schön in Aufruhr... Was er wohl angestellt hat, um dort zu landen? Was ist wenn er ein Mörder ist? Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch... Ich strich mir durch die Haare. Wäre es dann krank, so aufgeregt zu sein? Wäre es dann nicht krank, positive Aufregung zu spüren, bei dem Gedanken ihn vielleicht wiederzusehen? Bin ich krank? Oder ist diese Welt krank?
Ich beobachtete einen kleinen Vogelschwarm, der am Himmel seine Kreise zog.
Ob er ein spannendes Leben führt? Führt man ein interessantes Leben als Psyhopat? Oder ist es einfach nur beschissen? Falls ich ihn jemals wiedersehe, werde ich ihn fragen. Beschloss ich. Was ist wenn er sagt, dass es immerhin ein aufregendes Leben verspricht? Sollte ich es dann ausprobieren? Ich betrachtete meine Hände. Nein. Ich würde mit diesen Händen ja doch nichts ausrichten können. Ich würde wahrscheinlich im entscheidenden Moment den Schwanz einziehen.
Die Klingel riss mich aus meinen Gedanken. Ich drückte meine herunter gebrannte Zigarette aus und ging zur Tür. Als ich öffnete, sah ich in das müde Gesicht meiner Mutter. Sie schien schon wieder etwas gealtert zu sein. Vielleicht habe ich das langweilige Leben von ihr geerbt. Ob man so etwas vererben kann? Dachte ich. Denn jedes Mal, wenn ich meiner Mutter in die Augen sah war es, als würde ich in den Spiegel blicken. Sie hatte die gleiche Augenfarbe wie ich, den gleichen grünlichen Schimmer, den gleichen, gelangweilten Ausdruck, ja sogar die Augenform war die gleiche. Sie musste mal eine schöne Frau gewesen sein, die viel gelacht hat, das verrieten mir die kleinen Lachfalten, die sich auf ihrem Gesicht gebildet hatten. Und manchmal, wenn sie mich liebevoll anlächelte, dann erwachten ihre Augen zum Leben und sie sah um ein paar Jahre jünger aus. Doch seit sie meinen Vater geheiratet hatte, waren die Tage an denen sie lächelte, immer seltener geworden.
Ich fragte sie oft, warum sie meinen Vater zum Mann genommen hatte, doch sie strich mir dann nur jedes Mal über die Wange und sagte, dass sie froh darüber sei, weil es mich sonst nicht geben würde.
Ich war so oft kurz davor gewesen ihr zu antworten, dass ich lieber nie geboren und sie stattdessen glücklich geworden wäre, als das wir nun beide, wegen diesem Mann, ein furchtbar langweiliges Leben führen mussten.
Ich hatte es aber nie geschafft ihr diese Worte ins Gesicht zu sagen. Ich wollte sie nicht verletzen.
"Hallo Mama." Begrüßte ich sie und nahm sie in den Arm. Ich spürte, wie dünn ihr Körper war. Ob sie wieder abgenommen hat? Dachte ich. Sie strich mir über die Wange und durch die Haare. "Hallo mein Kleiner." Sagte sie und ihr Blick erforschte mein Gesicht. "Hast du schon wieder geraucht?" Fragte sie und Besorgnis trat in ihren Blick. "Du weißt doch, dein Vater mag es nicht. Es ist schlecht für seinen Ruf."
Ich schloss die Tür hinter ihr. "Keine Sorge. Ich rauche nur hier, so dass es niemand mitbekommt. Und meine Kleidung wasche ich danach immer." Erklärte ich und ging in die Küche. "Möchtest du etwas trinken?" Fragte ich. "Ja, ein Glas Wasser wäre nett." Ich nahm zwei Gläser aus dem Schrank und befüllte sie mit Kranwasser. Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, stand sie am Fenster und streichelte eine meiner Pflanzen. "Du hast wirklich ein Händchen für Blumen." Sagte sie und ich konnte ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht erkennen. Ich lächelte ebenfalls und reichte ihr, das Glas. "Ich kann dir einen Ableger mitgeben, wenn dir die Orchidee gefällt." Schlug ich vor, doch sie schüttelte den Kopf. "Bei uns würden sie nur eingehen." Und schon war ihr Lächeln wieder verschwunden.
Ich redete noch eine ganze Weile mit meiner Mutter. Es war kein interessantes Gespräch. Wir sprachen über belanglose Themen, wie den Stoff, den ich an der Uni lernte, oder was sie die Woche über so gemacht hatte. Allerdings verloren wir nur seltenst ein Wort über meinen Vater. Sie besuchte mich jeden Samstag. Wir beide wussten dass wir uns damit nur gegenseitig von Vater ablenken wollten, doch keiner von uns sprach es je aus. Sie drückte mir zum Abschied einen Kuss mit ihren trockenen Lippen auf die Wange und ein leises Seufzen entwich ihr, als sie sich umdrehte. "Dann bis zum nächsten Mal, mein Kleiner." Winkend lief sie die Treppen hinunter. Ich sah ihr etwas nach und schloss die Wohnungstür dann wieder. Ich nahm die beiden Gläser vom Fensterbrett und stellte sie in die Spüle. Ob ich wohl eine gute Serie finde? Dachte ich und setzte mich aufs Sofa.
Ich skippte gerade durch die Film- und Serienauswahl, als mein Handy klingelte.
Sofort machte mein Herz einen Sprung. Unbekannte Nummer. Könnte das... Ich nahm ab. "Hallo?" Fragte ich.
"Hallo, hier ist die Shirato-Anstalt. Also hier ist der Pfleger. Ich habe sie gestern nach ihrer Nummer gefragt." Kurze Stille. "Ich spreche doch mit dem jungen Mann, von gestern, oder?"
Meine Hand drückte sich in mein Bein. "Ja."
Der Pfleger seufzte erleichtert. "Oh gut. Ähm, würden sie mir ihren Namen verraten?" Ich umklammerte mein Handy. "Ich heiße Wakatoshi Ushijima."
Wieder kurze Stille.
"Verstehe. Es freut mich sie kennenzulernen Herr Ushijima. Passen Sie auf es geht um Folgendes..."

Ein einfacher Passant [Ushiten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt