37. Kapitel

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„Und?", fragend sah unsere Mutter Lucie und mich durch den Rückspiegel an, „Wie war eurer Schultag?"

„Ganz schön scheiße, könnte man behaupten", schnaufte ich und lehnte meinen Kopf ans Fenster.

„Lag es daran, dass du diese Kleidung trägst?", meine Mutter seufzte theatralisch, „Ich habe dir doch gesagt, du kannst unter keinen Umständen eine Jogginghose und einen übergroßen Kapuzenpulli anziehen, das wirkt assi!"

„Nein, Mutter", lächelte ich passiv aggressiv und hob meinen Kopf in ihre Richtung, „Es lag nicht an der Kleidung! Ich habe meiner ganzen Klasse offenbart, wie es mir ergangen ist. Auch habe ich von meiner Vergewaltigung erzählt, was mich so stark zum Heulen gebracht hat, dass ich die meiste Zeit des Schultages heulend auf der Schultoilette verbracht habe, bis mich mein neuer Sitznachbar da weg geholt hat, und mich wieder in den Klassenraum geschliffen hatte. Ach ja, und genau das hat mich so wütend gemacht, dass ich ihn gebackpfeift habe. Und dabei ist dieser Junge netter als Jeder in diesem Auto - was auch gar nicht so schwer ist, aber darum geht's nicht! -, und ich habe ihm eine purpurrote Wange beschert. Also ja, war ein total toller Tag! Ich brenne förmlich darauf, wieder in diese ach so tolle Schule zu gehen!"

„Sarkasmus steht dir nicht!", stellte Lucie genervt fest, „Überleg dir etwas Neues."

„Ich will da nicht wieder hin, Mama", wieder bildeten sich Tränen in meinen Augen, „Wegen mir hole ich das Jahr nach, aber ich kann da nicht wieder hin. Nicht, nachdem was heute passiert ist."

„Aber du kannst nicht vor deinen Problemen davon laufen!", meine Mutter setzte ein Lächeln auf, und setzte den Blinker, „Dann wird das alles nur schlimmer!"

„Schlimmer kann es doch gar nicht werden", ich lehnte mich wieder gegen das Fenster, „Also ist mir das relativ egal!"

~~~

Als wir zu Hause ankamen, wollte ich mich eigentlich direkt in meinem Zimmer verkriechen, jedoch hielt mich meine Mutter auf, und setzte sich mit meinem Vater und mir an unseren Esszimmer-Tisch.

„Camilla", lächelte meine Mutter aufheiternd und schob mir ein Glas Wasser rüber, „Du weißt, dass wir dich lieben, allerdings haben wir mit einer Psychologin über deine physische Lage geredet, und sie meinte..."

„Wollt ihr mich etwa einweisen lassen?", spuckte ich das Wasser aus meinem Mund wieder in das Glas.

„Um Gottes Willen, Nein!", versicherte mein Vater, was mich etwas beruhigte.

„Jedoch hat sie etwas vorgeschlagen, um deine mentale Lage zu verbessern", fuhr meine Mutter fort und trank an ihrem Kaffee, welchen sie sich geholt hatte, als sie mir auch das Wasser besorgt hatte, „Und sie hatte hatte vorgeschlagen, dass du deinen alten Alltag vollführst, und das so wie vor deiner Entführung. Zum Beispiel spielst du mit deiner Band, läufst mit Lilly durch den Wald, und gehst explizit zur Schule."

„Es war heute schrecklich dort", widersprach ich direkt, „Und ich will nichts machen. Eigentlich nur in meinem Bett liegen und schweigen. Vielleicht frage ich mal die Band, aber sonst war's das auch. Ich werde morgen nicht in die Schule gehen. Basta!"

~~~

Hier saß ich nun. Neben Elias, an meinem Schultisch, während er mir irgendetwas über seine Vergangenheit in diesem Kaff erzählte.

„Entschuldige mich kurz!", bat ich, und bahnte mir einen Weg durch die Masse. Da standen sie! Meine einzigen Freunde, mal abgesehen von Marian. Doch darüber wollte ich nicht nachdenken.

„Hey!", setzte ich ein Lächeln auf und tippte Fabian - einem großen, braunhaarigen Jungen, welcher in unserer Band immer sang - auf die Schulter, „Wie geht's euch?"

Er und die zwei anderen Mitglieder - Carlos und Johanna - sahen zu mir, und sie begannen zu strahlen.

„Heyyy!", freute sich Johanna und zog mich in eine feste Umarmung, wodurch ihr erdbeerrotes Haar in mein Gesicht flog, und ich den Geruch nach Vanille vernahm. Ein wohliges Gefühl breitete sich aus! Es roch einfach nach Glückseligkeit!

Auch Carlos umarmte mich glücklich mit einem, „Ohne Bass haben sich unsere Lieder ganz schön scheiße angehört!"

Fabian verwuschelte mir nur die Haare, und grinste süß, was mich gespielt böse zu ihm hoch sehen ließ. Er war bis zur vierten Klasse immer kleiner als ich gewesen, was mich immer dazu veranlasst hatte, ihm durch die Haare zu wuscheln. Dann kam er aber in einen unfassbar starken Wachstumsschub, und jetzt waren wir in der neunten Klasse. Er war mindestens einen Kopf größer als ich.

„Also", Johanna sah zu unserem Lehrer, welcher gerade rein kam, und uns auffordernd ansah, „Jetzt haben wir keine Zeit, allerdings könnten wir heute wieder in unsere Garage."

Bei dieser Idee freute ich mich jetzt schon innerlich wie ein kleines Kind. Unsere Garage, war eher die zweite Garage von Johannas Eltern, welche steinreich waren. Damals durften wir uns dort einrichten, und einer meiner Lieblings-Bässe stand dort. Für jedes Instrument waren Verstärker, und Johannas Eltern hatten die Wände sogar schalldicht machen lassen, damit sich die Nachbarn nicht beschweren würden. In einer Ecke hatte Carlos eine Sofaecke eingerichtet, und daneben hatte ich einen Minikühlschrank gestellt, in welchem immer Coladosen oder etwas Ähnliches stand.

„Dann kommt doch alle nach der Schule zu mir", schlug Johanna vor, „Meine Eltern sind auf einer Geschäftsreise, und kommen erst in ein paar Tagen zurück."

„Klingt gut!", stellte Fabian fest, und wir alle setzten uns auf unsere Plätze.


Dieses Kapitel und das davor wurden etwas länger, hoffe aber, dass stört euch nicht...🫶🏻

Entführt von einem Hargreeves || Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt