Es war wie ein Feuer, welches sich durch meine Muskeln und Adern brannte. Nur mit Mühe hielten mich meine zitternden Beine. Erbärmlich. Und das nur, weil ich zwei Schritte zum Fenster gekrochen bin. Zischend biss ich meine Zähne aufeinander, während ich mich mit einer Hand in die Fensterbank krallte.
Ich war von einem lauten Knall irgendwo draußen aufgewacht und hatte sofort das Drücken meiner Blase bemerkt – zusätzlich zu dem Fakt, dass die Sonne gerade erst aufgegangen war. Schon wieder habe ich so lange geschlafen. Meine Ohren dröhnten, daher hörte ich die anbahnenden Schritte nicht.
»Ich hoffe, du willst nicht weglaufen.«
Mein Herz machte einen Satz und ich ließ die Fensterbank los um an meine Hüfte zu greifen. Wo normalerweise der Griff meiner Waffe zu spüren war, war diesmal nichts. Ich verlor den Halt und wankte, als sich bereits ein starker Arm um meinen Bauch schlang. Dean drückte meinen Rücken an sich. Ich spürte seine Wärme und einen Drang, mich ganz fallenzulassen.
»Entschuldige«, murmelte er an mein Ohr. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Lass mich los«, entgegnete ich nur stur und gleichzeitig verwirrt durch den Gedanken, dass er genau das nicht tun sollte.
Stumm löste er seinen Griff und überließ mich meinen eigenen Kräften. So schnell wie es mir möglich war drehte ich mich zu ihm um und lehnte mich an die Fensterbank. In der Zeit hatte er wieder einen guten Abstand zwischen uns gebracht.
»Wenn du wirklich denkst, dass ich in meinem Zustand fliehen will, dann bist du doch nicht so schlau, wie ich dachte«, fuhr ich ihn entnervt an.
»Woher soll ich wissen, dass du doch nicht so schlau bist, wie ich dachte«, betonte er überlegen. Darauf verdrehte ich nur die Augen und setzte weitere Schritte, immer an der Wand entlang. »Was du allen Anscheins nach nicht bist.«
Ich wusste, dass er Recht hatte, doch die Genugtuung wollte ich ihm einfach nicht geben. Daher biss ich meine Zähne zusammen. Meine Muskulatur schrie, als sie mein Schwanken ausgleichen musste.
»Du brauchst niemanden etwas beweisen, Melanie.« Er folgte mir dicht auf den Fersen. Seine Anwesenheit war deutlich spürbar, seine Stimme viel zu nah.
»Das will ich auch nicht«, zischte ich angespannt. »Ich will nur aufs Klo oder ist das auch verboten?«
Ein unzufriedener Laut entkam ihm, im gleichen Moment stand er wieder neben mir und schlang seinen Arm um meine Taille. Wieder spannten meine Muskeln, diesmal jedoch nicht aus Schmerz.
»Ich kann das alleine.«
»Dein Bein ist verstaucht und deine Rippe geprellt. Zusätzlich hast du eine Gehirnerschütterung. Es ist ein Wunder, dass du noch nicht auf dem Boden liegst.« Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, legte er meinen Arm um seinen Nacken und stützte mich so, dass ich fast nicht mehr auftreten musste. Mir war nicht klar gewesen, dass es wirklich so schlecht um mich stand. Trotzdem war es nichts, womit ich nicht alleine klargekommen wäre.
»Aiden hat gestern Medizin besorgt, die solltest du nehmen«, sagte er, als wir einen Flur betraten.
Es war nicht das erste Mal, dass ich in so einer Wohnung war. Mit gepflegtem Boden und schneeweißen Wänden, an denen Familienfotos hingen. Ich kannte es von früher, schemenhaft, und von meinen seltenen Raubzügen durch kleinere Dörfer. Doch noch nie hatte ich Zeit gehabt, es mir genauer anzuschauen, geschweige denn in so einer Umgebung wohnen zu können. Ob hier wohl einer von den drein lebte?„Wo sind wir?"
Stimmen kamen aus einer offenen Tür am Ende des Ganges. Neugierig lauschte ich und stolperte gleichzeitig über den Anfang eines Teppichs.
Der Schmerz, der mich die nächste Sekunde erfasste, war stechend. Er durchzog meinen Oberkörper und brachte mein Herz zum Pumpen. Meine Hand griff das erste, was sie zu fassen bekam und ein schmerzhafte Stöhnen wich mir unkontrolliert über die Lippen.
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Long Way
FantasyNeuauflage von 'Andere Welten - Nichts wie es einmal war' In einer Welt, in der es keine Normalität gibt, ist nichts außergewöhnlich. Das glaubt zumindest Melanie. Durch Verlust und Einsamkeit geprägt versucht sie mit allen Mitteln nicht in die Fäng...