Mittwoch, 28. Dezember

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Als Jungkook die Tür um 9:17 Uhr aufschloss brannte bereits Licht, was ungewöhnlich zu Ferienzeiten war. Er kam gerade vom Arzt wieder, da er sich spontan zu einem Besuch entschlossen hatte, aufgrund seiner körperlichen Beschwerden.

„Und?" - von seinem Vater überrascht, der an der Küchenarbeitsplatte lehnte und wieder auf seinem Tablett herumtippte, zuckte der Teenager erschrocken zusammen.

„Wie und?" – misstrauisch sein Portemonnaie auspackend zog er die Augenbrauen zusammen. Egal was seine Eltern ihn fragten, er war jederzeit auf etwas negatives vorbereitet. Jede Frage von ihnen ließ ihn sofort das Schlimmste vermuten und in Alarmbereitschaft verfallen.

Was wäre schließlich, wenn er wieder etwas Schlimmes getan hätte oder sie ihn unterschwellig für irgendwas verhören wollten.

„Na, was hat der Arzt gesagt?"

Innerlich ging der Schwarzhaarige jedes Gespräch durch, das er in der letzten 24 Stunden mit seinen Eltern geführt hatte, doch viel hm absolut nicht ein, wann er erwähnt hatte zu einem Arzt zu gehen.

„Irgendeine Infektion. Lymphknoten sind angeschwollen und eine Sportbefreiung bis zum 13. Januar." – er freute sich zwar, dass er bis dahin nicht am Schulsport teilnehmen konnte, doch durfte er auch sonst kein Sport treiben, was zur Folge hatte, dass er weiter zunahm.

Um so mehr Zeit also verstrich, wo er nicht in der Lage war Sport zu treiben, umso weniger wollte er wieder in die Schule gehen. Schließlich hatte er vor kurzem erst erfahren, wie die Menschen dachten. Neuerdings war es offensichtlich so, dass Menschen es sich aussuchten, wie sie aussahen. Dass es was mit Krankheiten oder Genetik und dem Stoffwechsel zutun hatte, war seinem Jahrgang egal. Hauptsache sie konnten den Menschen einfach sagen, wie fett und hässlich sie waren. Und dann sollte sich die Gesellschaft nochmal wundern, warum so viele Menschen inzwischen an Essstörungen erkrankten.

Seine Eltern konnten es ja auch nicht nachvollziehen, woher sein Problem kam.

Doch, wenn man als Kind von jedem in der Familie hörte, wie fett man eigentlich war und das Dehnungsstreife hässlich wären, sollten sie doch nicht so überrascht sein. Er musste sich schließlich vor ihnen wiegen und ausziehen, damit sie seinen Körper beurteilen konnten. Sie hatten Jungkook die Body-Dysmorphia über eine lange Zeit in sein Gehirn und Unterbewusstsein eingepflanzt.

„Ist vielleicht besser so. Werde erstmal richtig gesund."

Ungläubig sah er seinem Vater hinterher. Dass er sich für die Gesundheit seines Sohns aktiv interessierte, war was Neues. Obwohl, hierbei handelte es sich um eine körperliche Erkrankung. Wie es seiner Psyche ging war ihnen immer noch egal. Auch, dass er zum Psychologen ging, war für seine Familie nicht gerechtfertigt.

„Schläft Mama noch?"

„Ja" – sein Vater seufzte und der Schwarzhaarige wusste genau, was jetzt kommen würde. – „Immer diese depressiven Menschen." – und da war es wieder. Die null Toleranzgrenze in seiner Familie. – „Ich weiß ja, es ist eine Krankheit und die Menschen können nicht wirklich was dafür aber sie sind anstrengend und nerven einfach nur. Immer dieses ‚ich kann nicht'. Sie wollen einfach nicht."

Angestrengt blinzelnd versuchte Jungkook die aufkommenden Tränen zu verdrängen. Es verletzte ihn, wie über kranke Menschen gesprochen wurden und ihm ging es nicht unbedingt besser. Er hatte unter Tränen und kurz vor einem richtigen Zusammenbruch immer wieder gesagt, dass er am Ende sei. Dass er das nicht mehr aushält und wie belastend der Alltag für ihn war. Jeder andere hätte erwartet, dass die Eltern sein erschöpftes Kind in die Arme nahmen, doch daran dachten seine Eltern nicht im Geringsten.

Nein, im Gegenteil.

Der Teenager lag am Boden, erstickte fast an seinen Schluchzern und als einziges kam ‚Es ist erst 17 Uhr. Warum kannst du nichtmehr?'

ℝ𝕖𝕒𝕝𝕚𝕥𝕪 /ʲᵘⁿᵍᵏᵒᵒᵏ . ʸᵒᵒⁿᵍⁱ/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt