The new home

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Die Sonne schien, es war sommerlich warm. Das neue Semester hatte begonnen. Endlich sahen sich alle wieder. Eigentlich sollte heute ein netter Tag werden. Aber Kaveh war sich dessen nicht so sicher. Weil er für ein längeres Projekt nicht an der Uni gewesen war, hatte er sein altes Zimmer aufgegeben. Und nun, da es ihm auch finanziell nicht so pralle ging, da er während der Projektzeit keinen Nebenjob hatte annehmen können, hatte er sich eine Wohnung mit jemandem zusammen nehmen müssen. Noch kannte er seinen neuen Mitbewohner nicht. Wie er wohl sein würde? Er hatte nur die Wohnungsbilder gesehen und es sah dort eigentlich ganz nett aus. Endlich mit seinem fetten Gepäck angekommen, atmete er erstmal aus und klingelte.

Der Summer von der Tür ertönte und Kaveh rief ein freudiges "Hallo!" ins Treppenhaus hörte aber nur ein monotones "Zweiter Stock" zurück.

"Gibts einen Aufzug?", rief er nach oben, doch sein künftiger Mitbewohner verneinte knapp.

"Na gut, was solls", murmelte Kaveh und zerrte seinen Riesenkoffer die hohen, gewundenen Treppen hoch. Fix und fertig angekommen, fiel sein Blick zum ersten Mal auf seinen Mitbewohner – oder bessergesagt die Muskeln dessen.

"Du hättest mir auch helfen können!", sagte er vorwurfsvoll.

"Warum sollte ich?", entgegnete sein Gegenüber und zuckte mit den Schultern, "du hast außerdem nicht gefragt."

Kaveh kniff die Augen zusammen und zögerte. Dann nickte er. "Ja. Wieauchimmer. Ich bin Kaveh", stellte er sich vor und streckte die Hand aus.

"Alhaitham. Aber das weißt du ja bereits aus der Mail", entgegnete sein neuer Mitbewohner und schaute misstrauisch auf seine Hand. Bevor er sie am Ende noch zerquetschte, zog Kaveh sie wieder zurück.

"Schön. Dann... stell ich mal meine Sachen rein", sagte er und schaute ihn an. Er wusste nicht wirklich, ob er arrogant, gelangweilt oder einfach antisozial war. Aber schon jetzt hatte er keine Ahnung wie er mit ihm umgehen sollte. Er hatte schon so etwas geahnt. Mit einem Fluchen zerrte er seinen Koffer hinterher, in das offene Zimmer. Vielleicht war es nicht so schlimm, wenn sein Mitbewohner nicht viel redete. Aber irgendwie fühlte er sich hier nicht willkommen. Seine Möbel würden noch kommen, also setzte er sich erstmal auf die Couch im Wohnzimmer. Das würde noch etwas werden.

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Alhaitham hatte Kopfhörer aufgesetzt und sich dann in sein Zimmer verzogen. Kavehs Familie war angerückt, um seine Möbel zu bringen. Es war laut, es war nervig und es war eindeutig zu viel Drama. Eigentlich wollte er nur seine Hausaufgaben von der Uni machen. Oder zumindest sein neues Semester vorbereiten. Aber draußen war eine Horde Gestörter, die sich gegenseitig anschrien.

"NEIIIN das soll nicht da hin!!", hörte er seinen neuen Mitbewohner. "Nein, nicht anfassen!! Warte!"" Und so oder so ähnlich ging es an einem Stück. Er facepalmte sich und schlug eine Seite seines Buches um. Das konnte er anscheinend vergessen. Nicht sonderlich interessiert, aber trotzdem irgendwie gereizt öffnete er seine Tür einen Spalt, nur um sie danach direkt wieder zuzuschlagen. So hatte er sich seinen neuen Mitbewohner nicht vorgestellt. Sein Möbel- und Modegeschmack war außerdem ... exzentrisch, um es noch freundlich zu sagen. Er hatte tausend Sachen, die jetzt alle im Wohnzimmer rumstanden. Dieser Umzug würde ewig dauern.

Doch seine Existenz war offenbar nicht unbemerkt geblieben. Keine Minute später öffnete einfach jemand seine Tür.

"Ach, das muss also Alhaitham sein! Nett, dich kennen zu lernen! Pass gut auf meinen Kaveh auf, ja?", sagte eine blonde Frau mittleren Alters überschwänglich zu ihm und schüttelte einfach seine Hand. Anscheinend seine Mutter.

"MUM!!", rief Kaveh empört und wurde plötzlich ziemlich rot im Gesicht. Alhaitham konnte sich ein ganz dezentes Grinsen nicht verkneifen.

"Ich hoffe mal, er kann auch auf sich selbst aufpassen. Ich bin viel beschäftigt", entgegnete er und schüttelte ihre Hand ab. Dann schloss er die Tür, drehte den Schlüssel im Schloss und ließ sich an der Tür heruntersinken. "Ach du scheiße..."

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Kaveh war fix und fertig. Er hatte nie im Leben gedacht, dass ein Umzug so anstrengend sein könnte. Aber er hatte es überlebt. Jetzt musste er nur noch seine Kisten auspacken, aber das würde er im Laufe der Woche machen. Das Nötigste hatte er jedoch schon hingestellt. Seinen Mitbewohner hatte er gar nicht mehr oft zu Gesicht bekommen. Allerdings hatte er auch viel mit Uni und seinen Kommilitonen zu tun gehabt. Als er jedoch gerade wieder los wollte, um in der Stadt shoppen zu gehen, traf er im Flur auf Alhaitham.

„Hi", sprach dieser ihn an und Kaveh war überrascht, dass er ihn grüßte, nachdem er zu Beginn ziemlich asozial zu ihm gewesen war.

„Hey na?", entgegnete er, freundlich. Seine Familie hatte es ihm so beigebracht immer höflich zu sein. Eigentlich wollte er es sich auch nicht mit ihm verscherzen, sie wohnten jetzt immerhin zusammen.

„Was ist das im Bad?", fragte Alhaitham nun direkt und starrte ihn an – nicht gerade erfreut.

„Wie was ist das?", entgegnete Kaveh irritiert.

„Die ganzen vielen rosa Sachen", murmelte sein Gegenüber.

„Das sind eben Kosmetik- und Pflegeprodukte!", erklärte Kaveh, nun empört. Wollte er ihm etwa etwas unterstellen? Vor allem waren es seine Sachen, es ging ihn doch gar nichts an.

„Muss das alles da stehen?", erwiderte Alhaitham mit einem Seufzen.

„Ja, ich benutze die Sachen ja täglich. Und dir könnte das auch nicht schaden", konnte Kaveh sich nicht zurückhalten. Doch was er da gesagt hatte, bemerkte er erst im Nachhinein. „Aber wehe, du nimmst von meinen Sachen, kauf dir deine eigenen", fügte er daher an.

„Als ob ich so etwas benutzen würde", erwiderte Alhaitham unwirsch, „ich bin ja nicht-"

Das Satzende konnte er schon nicht mehr aussprechen, denn Kaveh war auf ihn zugelaufen und hatte ihn unvermittelt am Kragen gepackt.

„Nicht WAS? – egal, was du sagen willst, ich warne dich... du kennst mich überhaupt nicht und du weißt auch nichts über mich!", fauchte er ihn an und drehte sich mit Tränen in den Augen weg. Mobbing und homophobe Kommentare hatte er schon zur Genüge erfahren müssen. Und das allein schon, weil er die Haare lang trug und hochsteckte und vielleicht einen etwas ausgefallenen Modegeschmack hatte. Der Gedanke, dass sein Mitbewohner jetzt auch so ein homophobes Arschloch sein könnte, hinterließ einen schweren Kloß in seinem Hals. Er ließ ihn stehen und flüchtete in sein Zimmer, bevor Alhaitham seine Tränen sah.

Alhaitham jedoch blieb alleine und schwer verwirrt im Flur zurück.

„Was ist schon so schlimm daran, wenn man nicht so sehr auf sein Aussehen fixiert ist?", fragte er sich nachdenklich.

Roomrivals - or I wish we never metWo Geschichten leben. Entdecke jetzt