Stille Dunkelheit hing über unserem Zimmer, als ich mich aus dem Bett schob. So leise wie möglich bückte ich mich nach meiner Jeans und einem Shirt, die beide irgendwo auf dem Boden lagen.
Anne war so freundlich gewesen, Harry und mir ein paar unserer Sachen aus dem St. Hedwigs mitzubringen. Zu unserer unsäglichen Erleichterung, denn so wurde es uns endlich erspart, ständig Bekleidung der Rebellen zu leihen. Ich hegte den Verdacht, dass Ken es ein wenig zu sehr genoss, wenn wir von ihm und seiner Gutmütigkeit abhängig waren.
Langsam streifte ich mir die Jeans über, darauf bedacht, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Der feste, weiche Stoff fühlte sich vertraut unter meinen Fingern an, erinnerte mich an die Zeit, in der noch alles beim Alten gewesen war. Normal.
Unschlüssig hielt ich inne. War ich froh darüber, diesem Alten entflohen zu sein? Oder sehnte ich mich doch nach dieser Normalität, dieser Unwissenheit, die gleichzeitig Sicherheit bedeutet hatte?
Hoffnungslose Fragen, auf die mir niemand außer mir selbst eine Antwort liefern konnte.
Ich atmete tief durch und löste meine Finger aus dem Jeansstoff. Ganz andere Probleme standen an der Tagesordnung, als mir über die Vergangenheit den Kopf zu zerbrechen.
Eins davon trug den Namen Zayn Malik.
Zwar weigerte ich mich nach wie vor, ihn als Problem zu betiteln, aber bei genauerem Hinsehen dürfte er definitiv eines sein. Sowohl für die beschissene Situation um mich herum als auch für mein Gefühlsleben. Er verwirrte mich einfach.
Für den Bruchteil einer Sekunde ploppten noch seine braunen Augen in meinen Gedanken auf – und dann stieß ich mit dem Ellbogen gegen die Glasflasche, die auf der Kommode stand.
Horrorerfüllt erstarrte ich in der Bewegung, konnte nichts anderes tun, als zuzusehen, wie das Ding auf den Boden zuraste. Dort würde es ohne jeden Zweifel zerschellen, einen Höllenlärm verursachen und Harry wecken, und dann würde das Verhör seinen Lauf nehmen.
Harry würde mir den Hals umdrehen und mich dann gnadenlos ausquetschen. Wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Die Flasche blieb in der Luft hängen.
Fassungslos glotzte ich das Ding an, meine Hand, die ich reflexartig ausgestreckt hatte, vor mir erstarrt.
Was zur Hölle?
Verstört spürte ich in mich hinein. Ich ... ich tat doch überhaupt nichts? Ich konzentrierte mich nicht auf die Flasche, ich fixierte sie nicht, ich tat nichts dafür, sie in der Luft zu halten.
Wie konnte es sein, dass ...
Prompt setzte sie sich wieder in Bewegung, jedoch nicht nach unten, wie man es erwarten würde, sondern nach oben. Lautlos und anmutig schwebte sie zurück an ihren ursprünglichen Platz auf der Kommode und kam dort zum Stehen, als hätte sie sich nie von der Stelle bewegt. Lediglich das Wasser darin bewegte sich noch sanft, schäumte durch die Kohlensäure leicht am Glas empor.
Ich schluckte schwer. Langsam ließ ich die Hand sinken und sah mich beunruhigt nach Harry um, doch der schlief noch immer tief und fest.
Was passierte hier? Hatte mein Unterbewusstsein eingegriffen? Aber ... ohne meine Kontrolle? Das konnte doch nicht möglich sein.
Meine Gedanken drifteten zurück zu Zayn und zu dem, was dieser mir vor scheinbar so langer Zeit mit auf den Weg gegeben hatte. Der Ratschlag, zwischen Kontrolle über die Fähigkeiten und Kontrolle der Fähigkeiten zu unterscheiden.
Kontrollieren und kontrolliert werden.
Mit einem flauen Gefühl im Magen spähte ich zur Flasche hinüber, doch natürlich verharrte die nun seelenruhig an Ort und Stelle.
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Oblivious (Ziall)
FanfictionSeit er denken kann, hört Niall Stimmen in seinem Kopf. Er leidet unter Schizophrenie. Oder: Das ist zumindest, was man ihn glauben lässt. Darüber, dass seine Symptomatik von der Durchschnittsnorm abweicht, macht er sich schon längst keine Gedanke...