23. Türchen

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(Johns POV)

Sherlock starrt mich an, die Augen groß und unergründlich. Sein Brustkorb hebt und senkt sich hektisch, er schluckt, blinzelt mehrmals, sieht weg und dann wieder hin. Vorhin war ich nervös. Jetzt ist er es.

„Sherlock?", frage ich leise und ergreife vorsichtig seine Hand. Sie schmiegt sich der Berührung entgegen und ich spüre weiche, kühle Haut, die sich an meine Handfläche presst. Sherlock atmet zittrig aus.
„John, ich darf Ihnen darauf keine Antwort geben", erwidert Sherlock und in seinen Augen liegen mit einem Mal so viele Emotionen, dass ich glaube, darin zu ertrinken. „Egal, was ich fühle und was nicht - es ist falsch. Und wenn Sie sich nicht davor schützen wollen, muss ich das für Sie tun."
„Und was wollen Sie?"
Sherlock erstarrt, sein Blick ist eindringlich auf mein Gesicht gerichtet. Dann schüttelt er kaum merklich den Kopf.
„Einen Kaffee, schwarz, mit zwei Stück Zucker."

Sein Tonfall ist wie immer, der Ausdruck in seinen Augen nicht. Und trotzdem fühlt es sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Weil Sherlock weitermachen wird, so tun wird, als wäre das eben nie passiert, weil er gut darin ist, genau das zu tun. Und mich wird jeder Moment mit ihm umbringen. Ich öffne den Mund, will ihm widersprechen, ihn bitten, es sich noch einmal zu überlegen, aber sagen tue ich das nicht. Ich sage gar nichts. Stattdessen nicke ich und gehe in die Küche, um Kaffee zu machen.


-


„John, es nervt."

Ich schrecke zusammen, so sehr, dass mir die Tasse Tee, die Greg mir vorhin gereicht hat, aus der Hand und auf den Boden fällt. Sie zerspringt in tausende kleine Scherben und Splitter, ähnlich wie mein Herz es vor zwei Wochen getan hat. Und es immer noch tut, wenn ich auch nur an Sherlock denke.

„Hör mit diesem Blick auf." Greg verpasst mir einen unsanften Schlag gegen den Oberarm. „Wieso quälst du dich seinetwegen so?"
„Er hat gesagt, dass wir-"
„Das war totale Scheiße, und das weißt du auch." Gregs Tonfall ist hart, aber der Ausdruck in seinen Augen ist unglaublich weich. „Er hat das gesagt, weil er zu feige war, die Wahrheit auszusprechen. Er hat Angst vor seinen Gefühlen gehabt. Du kennst ihn, John, sich so zu fühlen ist neu für ihn."
„Aber er kennt mich. Er weiß, dass ich ihn nicht verurteilen würde, dass ich ihm helfen würde, dass ich es verstehe, wenn er etwas nicht möchte oder es ihm zu schnell geht oder er Zeit braucht. Aber er hat keine Zeit gebraucht, er hat einfach nur nicht sagen können, dass er meine Gefühle nicht erwidert", widerspreche ich ihm leise.

Meine Stimme bebt, wütende und enttäuschte Tränen sammeln sich in meinen Augen, bis Greg und das Esszimmer, in dem wir stehen, zu einer schwarz-grauen Masse verschwimmen. Ich spüre Gregs Hand auf meinen Arm und wie er mich an sich zieht. Kurz wehre ich mich dagegen, weil ich nicht will, dass die Gefühle mich überkommen und ich ihnen ausgeliefert bin. Denn dafür müsste Greg mich nur diese eine Sekunde zu lang umarmen. Er ignoriert meine Versuche, Abstand zwischen uns zu bringen, und schlingt beide Arme um mich, bringt uns dichter zusammen.

Seine Nähe ist warm und vertraut und die Umarmung hüllt mich ein wie eine Decke. Und erst jetzt bemerke ich, wie sehr es mir gefehlt hat. Greg und seine Nähe. Wir haben uns schon immer gut verstanden. Zuerst, weil wir Sherlock manchmal beide schwer zu ertragen fanden, und dann, weil wir uns gleichzeitig verliebt hatten. Nicht ineinander, aber beide in einen Holmes. Eine Zeit lang hat uns das näher zusammengebracht, hat mir das Gefühl gegeben, jemanden zu haben, der mich versteht, der genauso leidet wie ich.
Aber Greg ist nicht auf Ablehnung gestoßen. Greg ist im Bett gelandet - und nicht in seinem. Ich nicht. Ich bin allein geblieben.

„Es ist so unfair", flüstere ich erstickt an Gregs Schulter. „Er hat den Kuss erwidert, und das so, wie man es nur macht, wenn man es auch will. Es hat sich angefühlt, als hätte er sein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet. Und dann bekommt er plötzlich Angst und stößt mich weg und meint, mich beschützen zu müssen." Ich stoße ein leises, für mich untypisch spöttisches Schnauben aus. „Dabei ist das so ein Quatsch. Gerade verletzt er mich mehr damit, als dass er mir guttut."
„John, schau mich mal bitte an."

Johnlock Adventskalender || LemonleliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt