Twenty-Seven

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Angeline

"Angeline?", eine dunkle Stimme hallte durch das Penthaus und traf direkt in mein Herz. Ich hob den Kopf und drehte mich zu der angelehnten Tür. "Wie lange brauchst du noch? Der Wagen steht bereits unten und wartet auf uns."

Ich drehte mich zurück zu dem Spiegel und sah mich für einen Moment lang an. Mein Makeup war heute nicht ganz so dezent gehalten. Ein schwarzer Lidstrich umrahmte meine blauen Augen, meine Wimpern waren ebenfalls dunkel getuscht und meine Lippen tiefrot. Ich erkannte mich beinahe nicht wieder, aber irgendwie gefiel mir dieser Look. Er zeigte eine vollkommen andere, mysteriöse Seite von mir.

Der Grund für diesen Aufzug? Die jährliche Aufführung zu Giuseppe Verdis La Travitata in der Metropolitan Opera in New York. Das war eines der Spektakel, die man sich als Normalsterblicher nicht entgehen lassen sollte - besonders weil etliche der wohl angesehensten Leute der Stadt auftauschen würden. Es ging dabei gar nicht um die Oper, sondern viel mehr um das Motto sehen und gesehen werden.

Ich war nur ein einziges mal wirklich dabei und das war mit elf Jahren, doch ich konnte diese Abende immer recht gut im Fernsehen oder im Internet nachverfolgen. Es gab eine Menge Presse, die nur darauf wartete, rausgeputzte, schweinereiche Leute anzutreffen, um von ihnen ein guten Schnappschuss oder sogar ein paar wertvolle Sätze geliefert zu bekommen. Das reinste PR-Drama - ich weiß, und genau deswegen konnten unsere Familien es sich nicht nehmen lassen, auch heute dabei zu sein.

Wir hatten bereits alles geplant, durchgesprochen und verinnerlicht: Wir würden gemeinsam vor der Metropolitan Opera auftreten. Es würde ein paar Fotos von uns, hauptsächlich von Nolan und mir, geschossen worden, ein paar verhüllte Kommentare von uns geben und anschließend den Abend damit verbringen, eine ausdrucksstarke, machtvolle Familieneinheit darzustellen. Nicht zu vergessen, dass Nolan und ich nicht von der jeweils anderen Seite weichen würden, um den Anwesenden zu zeigen, wie unfassbar glücklich wir waren und dabei ein-zwei Geheimnisse über unsere Beziehung ausplaudern würden. Diese Informationen, so falsch und klein sie auch waren, würden dann wie ein Lauffeuer die Runde machen und nicht zuletzt an die Presse kommen, die nach solchen Details von uns lechzte. Ergo, Nolan und ich würden das Gesprächsthema Nummer eins bleiben. Ergo, die Unternehmen würden Gesprächsthema Nummer zwei werden.

So viel zum Plan, doch wie sich alles heute Abend entwickeln würde, wussten wir natürlich nicht. Klar, für unsere Väter stand alles wie in Stein gemeiselt fest, aber sie wussten nicht, was zwischen Nolan und mir tatsächlich war. Am Anfang war das alles nichts weiter als der Versuch, unsere Firmen vor dem Aus zu bewahren, aber mittlerweile fühlte es sich irgendwie anders an, mit ihm zu sein. Ich hatte keine Erklärung dafür, was es war oder wie es zustande gekommen ist. Ehrlich. Aber ich konnte sagen, dass nicht alles gespielt war. Ich genoss Nolans Anwesenheit, ich genoss seine Blicke, seine Berührungen. Ja, ich genoss beinahe diese Scheinbeziehung, so unecht sie auch war.

Natürlich hatte ich keine Ahnung, ob Nolan von sich aus dasselbe behaupten konnte. Es könnte immer noch alles ein Spiel für ihn sein, das alles andere als echt war. Nur bekam ich den Eindruck, dass diese Ansicht nicht ganz so korrekt zu sein schien. Ich kannte Nolan bereits fast mein ganzes Leben und ich hatte ihn noch nie so entspannt und ruhig in meiner Anwesenheit erlebt. Früher gab es nur böses Blut zwischen uns, ein paar unterschwellige giftige Kommentare und ein paar distanzierte Blicke. Aber jetzt ... jetzt war alles ein bisschen anders. Und ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, ich wusste nur, dass es sich gut anfühlte.

"Angeline?" Nolans Stimme brachte mich wieder zurück in die Realität. Ich nickte mir einmal selbst zu, fast so als würde ich mir selbst Mut zusprechen wollen, dann stand ich von meinem kleinen Hocker auf und griff nach einer einfachen Tasche, in die gerade mal mein Handy und ein Lippenstift hineinpasste. Keine Ahnung, wer auf die Idee kam, solche Dinger zu erfinden, aber ich musste eben einem gewissen Dresscode folgen.

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt